Ins Geschirr gegangen

von Oberstleutnant a.D. Walter Müller



Ein Gespenst geht um in Deutschland. Das Gespenst vom Unrechtsstaat DDR. Eben noch mit der Hauptrolle bei den Jubelfeiern zum Jahrestag des Mauerfalls betraut, tummelte sich das Gespenst auch bei den anschließenden Landtags­wahlen, hat es bei den hier ausgehandelten Koalitionsverträgen mitgeschrieben.
In Thüringen und Brandenburg ließ sich die Partei Die Linke um den Preis Ihrer Regierungsbeteiligung zu Vereinbarungen erpressen, die sie zu einem Paradigma- wechsel ihres Geschichtsverständnisses verpflichten. Obwohl die Ausrichtung von Landespolitik fünfundzwanzig Jahre nach der sogenannten Wende keine Bezugnahme auf die DDR voraussetzt, erklärten beide Landesvorstände die DDR ab hier und für immer zum Unrechtsregime.

Laut Koalitionsverträgen will man sich in Brandenburg nunmehr an der Überwindung des Unrechts der Jahrzehnte vor 1989 und in Thüringen am Aufarbeiten des Unrechtsstaates DDR aktiv beteiligen. Das ist ein schier unglaublicher Vorgang, der bei Freund und Feind seit Monaten nicht wenig Misstrauen, Hohn und Spott ausgelöst hat.
Maischberger, Will und Illner haben das Geschehen genüsslich begleitet.
 
Mit der Unterwerfung der Linken in Brandenburg und Thüringen unter die schon 1991 von Ex-Bundes-Justizminister Klaus Kinkel geforderte Gleichsetzung der DDR mit dem faschistischen Deutschland und einer Delegitimierung der DDR als Unrechtsstaat, hat diese Partei einen selbstzerstörerischen Kurs eingeschlagen.
Inspiriert vom Bundeskanzleramt und vom Staatsminister für Kultur und Medien gesteuert, soll ihre Erinnerungskultur nun den Handlungsempfehlungen der Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der SED-Diktatur folgen. Gemeinsam in einem Boot mit dem Geschichtsverbund zur Aufarbeitung der Kommunistischen Diktatur in Deutschland, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der Bundeszentrale für politische Bildung, der Stasi­-Unterlagen-Behörde, den Opferbänden und Gedenkstätten der Opfer des Nationalsozialismus und der SED-Diktatur, geht es darum, wie im letzten Bericht zum Stand der Aufarbeitung mitgeteilt wird:

Die Erinnerung an das Leiden der Menschen unter der kommunistischen Diktatur wachzuhalten und jenen Menschen, denen die persönliche Diktaturerfahrung fehlt, zu vermitteln, was ein Leben in Unfreiheit bedeutet.

Ausgeblendet bleiben bei dieser Betrachtungsweise die Diktaturerfahrungen aus der Welt des Kapitals, das Unrecht im Rechtsstaat BRD, die Millionen Opfer der misslungenen deutschen Einheit, nicht zuletzt jene, die die DDR aufgebaut, ihr uneigennützig gedient haben und sie heute noch für das bessere Deutschland halten.
Wo Aufarbeitung  wie eine Vokabel des Kalten Krieges buchstabiert wird, kann es keine objektive Analyse der Nachkriegsentwicklung, keine unvoreingenom- mene Bewertung der Geschichte der beiden deutschen Staaten geben. Soll es ja auch nicht.

Deshalb ist mit den Koalitionsverträgen in Thüringen und Brandenburg primitiver Antikommunismus und das Schönreden der heutigen gesellschaft­lichen Verhältnisse angesagt. Wer im bürgerlichen Regierungsapparat mitspielen will, muss sich anpassen und darf die DDR nicht mögen. Auf dem Weg zur ganz normalen Partei verlieren die Linken zwangsläufig an Gebrauchswert. Von der einstigen Mahnung: Wir brauchen keine zweite Sozialdemokratie! bleibt so nicht mal mehr ein Echo übrig.
Der Kotau vor ihren Widersachern verlangt von der Partei, dass sie ihre Herkunft und ihre eigene Geschichte leugnet, dass sie sich von den Traditionen der nationalen und internationalen Arbeiterbewegung lossagt und den Sozialismus als Gesellschaftsalternative eine Absage erteilt.
Die Mitglieder des Verbandes zur Pflege der Traditionen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR beobachten den Einbruch von Opportunismus und Revisionismus in den Reihen der Linken mit großer Sorge. Den Mitgliedern unseres Verbandes ist dies nicht gleichgültig. Sie schätzen das Wirken der Linken um soziale Gerechtigkeit, insbesondere ihr Engagement um die Erhaltung des Friedens in Europa hoch ein.
Jede Gesellschaft gestaltet aus ihrer Vergangenheit heraus ihre Gegenwart und Zukunft. Entscheidend ist dabei, auf welche Weise sich eine Gesellschaft auf ihre Geschichte bezieht, wie sie ihre Vergangenheit vergegenwärtigt, aufarbeitet und konstruiert. Die Geschichte der BRD und der DDR, die von unterschied­lichen Klasseninteressen geprägt war, belegt das. Als eine Alternative zum Kapitalismus war die Gründung der DDR eine revolutionäre Tat und trotz ihrer Mängel und Schwächen eine bedeutende Kulturleistung in der deutschen Geschichte.
Eine Diskriminierung der DDR als Unrechtsstaat lehnen wir, die Angehörigen des Verbandes ebenso ab, wie eine Gleichsetzung des faschis­tischen Mörderregimes mit der DDR. Wir lehnen auch eine Aufarbeitung von Vergangenheit ab, die von vornherein und Seite an Seite mit Gauck und Merkel nur Klischees des bundesdeutschen Geschichtsbildes bedienen soll. Wir lehnen die Unrechtsdebatte ab, weil sie auf eine Abwertung der Lebensleistung und des Engagements von Millionen Bürgern der DDR zielt, die sich für das Wohl Ihres Landes, für Frieden und Völkerverständigung eingesetzt haben.
Michael Schumann brachte es auf dem Sonderparteitag der SED vor 25 Jahren auf den Punkt: Aber die Bürger unseres Landes und die Mitglieder unserer Partei, die sich allzeit festen Glaubens und mit Herz und Hand für den Sozialismus auf deutschem Boden eingesetzt haben, brauchen die Gewissheit, dass sie eine gute Spur in der Geschichte gezogen haben.
In diesem Sinne wird unser Verband die Pflege der Traditionen fortsetzen und verstärken. Wir bedauern sehr, wenn wir die Partei die Linke hierbei nicht mehr an unserer Seite wissen.



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