Liebe Genossen,
am 23. Juni 2016 fand auf dem Südwest-Kirchhof in Stahnsdorf die Trauerfeier für Genossen Generaloberst a.D. Horst Stechbarth statt. Etwa 300 Trauergäste gaben Generaloberst Stechbarth das letzte Geleit.
Die Trauerrede hielt Generalleutnant a.D. Manfred Grätz.
Auf Anregung und Wunsch von Genossen, die nicht an der Beisetzung teilnehmen konnten, veröffentlichen wir auszugsweise die Trauerrede. Die erforderlichen Zustimmungen wurden erteilt.

Gerhard Matthes
Kapitän zur See a.D.

 

 

Danke, Genosse Generaloberst

Auszüge* aus der Trauerrede zu Ehren von
Generaloberst a.D. Horst Stechbarth
am 23. Juni 2016 auf dem Südwest-Kirchhof in Stahnsdorf
von Generalleutnant a.D. M. Grätz

 

Erinnern wir uns gemeinsam an Generaloberst a.D. Horst Stechbarth und versuchen wir, seinem bewegten Leben würdigend gerecht zu werden.

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Zu jener Generation gehörend, die schon als Jugendliche für den Krieg missbraucht wurde - auch wenn sie es damals noch nicht als Missbrauch empfand - war auch für Horst Stechbarth, noch 17jährig, die Unbeschwertheit von Kindheit und Jugend abrupt beendet.
Nach der Volksschule und Arbeit als Landwirtschaftsgehilfe erfolgte die Einberufung zum Reichsarbeitsdienst, und pünktlich zu seinem 18. Geburtstag kam die Einberufung zur Wehrmacht.

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Die erste Etappe seiner Odyssee als „Soldat im Osten“ - treffender hätte er sein runde 60 Jahre später erscheinendes Buch kaum nennen können - begann.
Mit 18 Jahren wurde er Soldat und zog in den Krieg.
Nach kurzer Rekrutenausbildung in Dänemark, schon bald an unterschiedlichen Frontabschnitten der sog. Ostfront eingesetzt, lernte er, wenn man so will, noch als Jugendlicher den Ernst des Lebens im Kriege mit all seinen Facetten kennen.
Auf kurzzeitige Erfolge mit seiner Einheit, so z.B. auf einen erfolgreichen Ausbruch aus einem Kessel bei Kirowograd, war er gemeinsam mit seinen Kameraden stolz, andererseits sah er Kameraden um sich herum fallen, Verwundete leiden, schaute selbst wiederholt schon damals dem Tod in die Augen.

Selbst drei mal verwundet und nach Genesung immer wieder an die Front zurückgekehrt, überstand er, wiederholt mit großem Glück, die blutigen Rückzugsgefechte des letzten Kriegsjahres und geriet schließlich am 8. Mai 1945 bei Brno zunächst in amerikanische, wenig später in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

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Im Mai 1948, 23jährig, herangewachsen zu einem jungen Mann und geläutert von Krieg und Gefangenschaft, kehrte er zurück in sein Elternhaus, das nunmehr diesseits der Neiße, unweit von Cottbus stand. Hierher war seine Familie umgesiedelt worden. Arbeiten wollte er, das Werk seiner Eltern fortsetzen, lernen, an der Humboldt-Universität in Berlin Land- und Forstwirtschaft studieren.
Ein neues Leben wollte er beginnen, ein Leben ohne Uniform.

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Doch es kam anders, ganz anders.
Die noch im Aufbau befindliche Grenzpolizei in der damaligen Ostzone brauchte tüchtige junge Leute. Und so geschah es, dass H. Stechbarth schon nach wenigen Monaten seinen Dienst in der Grenzpolizeischule Biesenthal bei Bernau antrat. Er ahnte nicht im entferntesten, das damit am 1. März 1949 ein sein gesamtes bewusstes Leben beeinflussender Schritt vollzogen wurde. Und schon gar nicht, welch steile und erfolgreiche militärische Karriere damit begann.

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Seine Tätigkeit als Abteilungskommandeur und Kommandoleiter in der VP-Bereitschaft Eggesin hat er immer wieder selbst als eine der für ihn wichtigsten hervorgehoben. Da war er bei der Ausbildung unterwegs, auf „seinem“ Schießplatz Ahlbeck, das war sein Metier. „Da sieht man Abend noch, wie der Befehl vom Morgen erfüllt wurde“, so oder ähnlich habe ich ihn oft sagen hören. Ein Grund wohl, dass er später der Auswahl junger Kommandeure so große Aufmerksamkeit widmete, dass die Regimentskommandeure ganz oft in seinem Blickpunkt standen.

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Nach dem Besuch der Offiziershochschule in Dresden war der Einsatz in der 1. Mechanisierten, dann Motorisierten Schützendivision in Potsdam markanter Meilenstein in der Entwicklung H. Stechbarths.
Zunächst als 1. Stellvertreter, bald als deren Kommandeur, erlebte er dort den Tag der Gründung der NVA am 1.März 1956 und die erste Parade der NVA am 1. Mai 1956, bei der er, damals OSL Stechbarth, die Fußtruppen anführte. Dort hatte er auch als Kommandeur mit seiner Division bei jener bekannten ersten gemeinsanen Divisionsübung der NVA den Nachweis für die Befähigung der Truppen der NVA zur Aufnahme in den Bestand der Streitkräfte des Warschauer Vertrages zu erbringen. Unter den Augen von Marschall Gretschko gelang das mit Bravour.
All das waren Stationen im Leben von H. Stechbarth, die für seine weitere militärische Laufbahn von Bedeutung waren.

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Als ein Beispiel dafür mögen die Ehrenparaden der NVA stehen. Nahezu alle waren mit seinem Namen verbunden, insgesamt waren es 38, die Feldparaden nicht mitgezählt.
Über die letzte, am 7. Oktober 1989, schrieb er:
„Die Parade der NVA am 7. Oktober 1989 kann vielleicht als eine Art Schwanengesang der DDR und ihrer Streitkräfte bezeichnet werden. … Es sollte meine letzte Parade sein – dass es die letzte NVA – Parade überhaupt war, das habe ich damals nicht geahnt.
Sechzehn Mal habe ich die Parade kommandiert. Tausende Armeeangehörige aller Dienstgrade haben dabei ihr Bestes gegeben und die Paraden der NVA zu einem Glanzpunkt europäischen Zeremoniells werden lassen.“
Wie wahr!

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Folgerichtig erfolgte im Jahre 1959 die Delegierung zur Akademie des Generalstabes in Moskau, die H. Stechbarth mit Auszeichnung und Goldmedaille abschloss.

Es folgten sechs erfolgreiche Jahre im Kommando des MB V in Neubrandenburg, zunächst als 1. Stellvertreter, dann drei Jahre als dessen Chef. In diese Zeit fällt seine Ernennung zum Generalmajor am 1. März 1964, höchste Anerkennung für seine bis dahin erbrachten militärischen Leistungen.

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Einen „Zwischenstop im MfNV“ nannte er einmal viel später in einem vertraulichen Vieraugengespräch seinen Einsatz als Chef der Verwaltung Ausbildung, dem er, so auch in seinem Buch nachzulesen, etwas kritisch gegenüber stand. Und das, obwohl er doch hier Gelegenheit hatte, sich nahezu ausschließlich mit seinem militärischen „Hobby“, der Gefechtsausbildung, die er als Haupttätigkeit der Truppe in Friedenszeit verstand, zu beschäftigen.

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Nach Reorganistion der Führungsstruktur und Bildung des Kommandos der Landstreitkräfte im Jahre 1972 erfolgte die Krönung der militärischen Laufbahn von Horst Stechbarth: die Berufung zum Stellvertreter des Ministers und Chef der Landstreitkräfte.

17 Jahre stand er an der Spitze der Landstreitkräfte, besser: führte er sie, prägte und profilierte er sie.
Es wäre mühsig, auch nur den Versuch zu unternehmen, all seine Verdienste und Erfolge, die er für seine und mit seinen Landstreitkräften erzielte, aufzuzählen.
Alle Tätigkeitsfelder des militärischen Lebens trugen in den Landstreitkräften seine Handschrift, nichts, wo er sich nicht einbrachte.

Wenn man so will, so kann man, im übertragenen Sinne, den Namen Stechbarth und den Begriff Landstreitkräfte als Synonym bezeichnen.

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Unser Verfassungsauftrag, den Horst Stechbarth auch immer als Parteiauftrag verstand, bestimmte stets seine Führungstätigkeit. Die Einheit von politischer und militärischer Führung war für ihn eine Selbstverständlichkeit. Er hat sie nicht schlechthin anerkannt,, sondern gelebt, vorgelebt – als Kommandeur, Chef, Einzelleiter.
In seiner vielbeachteten Rede in Demen anlässlich des 60. Gründungstages der NVA formulierte er diesbezüglich:
„In der NVA wurde die Einzelleitung als spezifische Form der Durchsetzung der führenden Rolle der Partei verstanden. Jeder Kommandeur sollte sich bewusst sein, dass er als Einzelleiter die politische und militärische Verantwortung trug. Die große Mehrheit unserer Kommandeure und Leiter hatte dieses Prinzip verinnerlicht und ist verantwortungsbewusst damit umgegangen.“

Ganz in diesem Sinne hat er mehrere Generationen von Kommandeuren und Chefs aller Stufen erzogen, war ihnen ein strenger, fordernder, gleichzeitig aber auch warmherziger Vorgesetzter.

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Seine Wahl ins ZK der SED betrachtete er als Anerkennung und Verpflichtung gleichermaßen. Sie beflügelte ihn, den ständig nach Besserem, Perfekterem Drängenden, seine militärischen Pflichten im Interesse der Erhaltung des Friedens noch zuverlässiger zu erfüllen.

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Die Waffenbrüderschaft in all ihren vielfältigen Formen mit unseren Verbündeten im Warschauer Vertrag, ganz besonders die mit unseren sowjetischen Freunden, war ihm stets Herzenssache.
Besonders schätzte er die gemeinsamen Übungen und Ausbildungen, jene Möglichkeiten, bei denen man im friedlichen Wettstreit miteinander um bestmögliche Ergebnisse wetteifern konnte. So manche Soldatenfreundschaft ist dabei oder auch beim gemeinsamen Studium an den verschiedensten Ausbildungseinrichtungen entstanden. Für Horst Stechbarth war das gelebte Waffenbrüderschaft, die oft Bestand hatte bis in unsere heutige Zeit.
Die Freundschaft zwischen den Familien Stechbarth und Goworow, längst zu inniger Familienfreundschaft geworden, nahm einst in den sechziger Jahren in Form vertrauter militärischer Zusammenarbeit zwischen zwei Kommandeuren in Neubrandenburg und Fürstenberg ihren Anfang. Heute nimmt der Sohn des mittlerweile verstorbenen AG Goworow, damals Befehlshaber der Fürstenberger Armee, Leonid G. an unserer Trauerfeier teil.

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Auch international genoss Horst Stechbarth ein hohes Ansehen. In den Gremien des Warschauer Vertrages wurde er geschätzt ob seiner militärischen Leistungen und seines Urteilsvermögens. Als Mitglied und als Leiter von Militärdelegationen vertrat er auch im kapitalistischen Ausland und in den Entwicklungsländern die NVA und trug damit zur Erhöhung des Ansehens der DDR in aller Welt bei.

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Bis zum letzten Tag seines Wirkens in der NVA kämpfte er mit Überzeugung und der ihm eigenen Energie um die Erfüllung unseres Auftrages, die Erhaltung des Friedens, hatte als Mitglied der Armeeführung wesentlichen Anteil am friedlichen Verlauf der Ereignisse im Herbst 1989.

Schließlich entschloss er sich doch, den Minister zu bitten, sein für 1990 ohnehin geplantes Ausscheiden aus dem aktiven Dienst bereits mit Wirkung vom 31.12.1989 zu vollziehen.

Aus jenem Brief, den er damals an die Angehörigen der Landstreitkräfte richtete, möchte ich an Stelle weiterer Worte zitieren.

Dort heißt es u.a.:
„Seit dem 1. März 1949 habe ich, ganz gleich ob als Grenzsoldat und Gruppenführer, Kompaniechef, Regiments- oder Divisionskommandeur, Chef eines Militärbezirkes und seit 1972 als Stellvertreter des Ministers und Chef der Landstreitkräfte mit ehrlichem Willen und Bemühen für die Streitkräfte gewirkt, die, gut ausgerüstet und gut ausgebildet, jederzeit selbstlos die Interessen des werktätigen Volkes vertreten und ihren Beitrag zur Erhaltung des Friedens geleistet haben.

Mein Dienst im Interesse der Landstreitkräfte war von Anfang an bis heute der Inhalt meines Lebens.“

Und so möge es in die Geschichtsbücher eingehen, auch wenn heute einige Medien den schäbigen Versuch unternehmen, die Persönlichkeit Horst Stechbarth noch nach seinem Tode zu verunglimpfen.

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Nach 1990 legte H. Stechbarth nicht etwa die Hände in den Schoß. Nichtstun war ihm fremd.
Seiner Grundüberzeugung folgend, dass es sich lohnt, für eine friedliche, eine gerechtere Welt einzustehen, stellte er seine Erfahrungen all Jenen zur Verfügung, die sich für soziale Gerechtigkeit und die Anerkennung von Lebensleistungen, besonders ehemaliger Armeeangehöriger, einsetzten.

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Einem Prozess im Zuge der politischen Strafverfolgung durch die bundesdeutschen Justizbehörden entging er nur, weil ihn Mitte der 90er Jahre eine schwere Herzkrankheit heimsuchte, die dazu führte, dass er aus gesundheitlichen Gründen vom Strafverfahren abgetrennt wurde. Dennoch galt er lange Jahre als „gesondert Verfolgter“.

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Auch in unserem Verband zur Pflege der Traditionen der NVA und der Grenztruppen der DDR arbeitete er aktiv im Ältestenrat mit, hielt noch vor einem viertel Jahr die bereits erwähnte Rede anlässlich des 60. Gründungstages der NVA in Demen.

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Horst Stechbarth war immer aktiv, er kannte weder Rast noch Ruh … bis zu jenem Tag Mitte Mai d.J., an dem ihn, im 92 Lebensjahr, seine Kräfte verließen … wie sich bald zeigte, für immer.
Generaloberst a.D. Horst Stechbarth, national wie international geachteter Militär, prinzipienfester und überzeugter Streiter für eine friedliche Welt und ein gerechteres Leben, ein außergewöhnlicher Mensch, weilt nicht mehr unter uns.

Noch einmal verneigen wir uns vor Dir, lieber Horst.

Noch einmal danken wir dir für all das, was du uns gegeben, womit du unser Leben bereichert hast. Wir danken dir für deinen aufopferungsvollen Kampf für ein friedliches und gerechtes Leben.

Noch einmal entbieten wir dir unseren letzten Gruß. Du wirst uns immer unvergessen bleiben.

Danke, Genosse Generaloberst!

 

* Auf ausdrückliche Bitte der Familie und im Interesse der Wahrung der Privatsphäre haben wir uns bei der Wiedergabe der Rede auf die Würdigung der militärischen Laufbahn H. Stechbarths beschränkt.

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