Der 120. Geburtstag des
Marschalls der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch Tschuikow

Die Befreiung Berlins und die Gegenwart

Oberst a.D. Friedemann Munkelt, Februar 2020

Marschalls der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch TschuikowWir befinden uns im Jahr des 75. Jahrestages des Sieges über den deutschen Faschismus, beziehungsweise der Befreiung des deutschen Volkes vom Joch des Nationalsozialismus, ein zweifellos ge­schichts­trächtiges Jahr! Von diesem historischen Ereignis spannt sich der Bogen der Geschichte bis zur Gegenwart. Die aktuellen Ereignisse in Thüringen mit der Wahl des FDP-Ministerpräsidenten von Gnaden der AfD und anderer Demokraten sowie die darauf folgenden hektischen Aktionen der Schadensbegrenzung fordern zu einem Rückblick ge­ra­de­zu heraus, aber der Reihe nach.

Im Verlaufe meines Studiums an der Militär-politischen Akademie W.I. Lenin und an der des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR nahm das Fach „Geschichte der Kriegskunst“ verständlicherweise eine bedeutende Rolle ein. Im Zusammenhang mit der Stalingrader Schlacht spielte der Name W.I. Tschuikow als Befehlshaber der 62. Armee eine große Rolle. Mit der Person selbst habe ich mich damals weniger beschäftigt. Das habe ich nachgeholt, als ich im vergangenen Jahr mit seinem Enkel, Oberst Nikolai Wladimirowitsch Tschuikow, näher bekannt wurde. Ein von ihm gestaltetes Familienalbum im Rückreisegepäck, habe ich mir zu Hause aus meinem Bücherschrank das Buch „Gardisten auf dem Weg nach Berlin“ sofort als Lektüre ausgewählt.

Marschalls der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch Tschuikow
1919, Kommandeur eines
Regimentes

In diesem Jahr, am 12. Februar, wurde in Russland unter breiter Anteilnahme der Öffentlichkeit, der 120. Geburtstag des legendären Marschalls (ernannt am 11.03.1955) gefeiert. Geboren im Gebiet Tula, in einer Bauernfamilie als eines von zwölf Kindern, war er schwere Arbeit gewöhnt. Die Oktoberrevolution begrüßte er enthusiastisch, bereits 1918 beendete er einen Kurs roter Kommandeure. Im Bürgerkrieg bewährt, absolvierte er 1925 die Frunse-Akademie mit Auszeichnung, dem schloss sich unmittelbar eine Ausbildung als Aufklärer an der Östlichen Fakultät dieser Akademie an. 1928 erhielt er eine Kommandierung nach China, als sowjetischer Aufklärer half er dem chinesischen Volk und arbeitete aktiv gegen die japanische Aufklärung. Über verschiedene Dienst­stel­lungen in der Heimat, wurde er 1940 erneut nach China kommandiert, diesmal als Militärattaché. So wurde er auch zum Militärberater des Oberkommandierenden der chinesischen Armee. Er half mit, die japanische Armee in Kämpfe auf chinesischem Territorium zu verwickeln und so einem Angriff auf sowjetisches Territorium zu verhindern. Bis heute ist Marschall Tschuikow in China eine hochgeachtete Persönlichkeit und sein Enkel ein oft eingeladener Gast.

Marschalls der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch Tschuikow
Generalleutnant Tschuikow

Von China ging es direkt an die Front, an den schwersten Abschnitt, nach Stalingrad! Tschuikow selbst bezeichnete die Stalingrader Schlacht als die wichtigste seines Lebens, die höchste Auszeichnung war für ihn die Achtung und Verehrung des sowjetischen Volkes und seiner Soldaten. Zur Bedeutung des Sieges verweist Tschuikow in seinem Buch „Gardisten auf dem Weg nach Berlin“ auf eine Urkunde des amerikanischen Präsidenten Roosevelt vom Mai 1944, in der es heißt: „Im Namen des Volkes der Vereinigten Staaten von Amerika überreiche ich der Stadt Stalingrad diese Urkunde, um unserer Bewunderung für ihre tapferen Verteidiger Ausdruck zu geben, deren Tapferkeit, Mut und Opferbereitschaft während der Belagerung vom 13. September1942 bis zum 31. Januar 1943 für immer die Herzen aller freien Menschen höher schlagen lassen werden. Ihr ruhmreicher Sieg brachte die Welle der Aggression zum Stehen und wurde zum Wendepunkt des Krieges der alliierten Nationen gegen die Kräfte der Aggression.“ Soweit bis hierher zur historischen Wahrheit! Der weitere Verlauf des Krieges führte die Armee Tschuikows mit verlustreichen Kämpfen durch die Ukraine und Polen bis Berlin. Die Erstürmung Berlins erfolgte im Zusammenwirken durch die 1. Belorussische und die 1. Ukrainische Front, am 25. April 1945 begann der Sturm auf das Zentrum Berlins. Im Zentrum Berlins eingesetzt, handelte die 8. Gardearmee Tschuikows. Am 2. Mai erfolgte auf dem Gefechtsstand der Armee die bedingungslose Kapitulation der Berliner Garnison. Unterschrieben von General Weidling, trat sie am 2. Mai um 15:00 Uhr in Kraft.

Marschalls der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch Tschuikow
1951 mit Wilhelm Pieck

Auch nach Beendigung des Krieges spielte Tschuikow eine wichtige Rolle in Deutschland, stand er praktisch mit an der Wiege der Deutschen Demokratischen Republik. Ob als Oberkommandierender der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland oder in der Funktion als Vorsitzender der sowjetischen Kon­troll­kom­mission hatte er maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung in der sowjetischen Besatzungszone. Er war es, der ab Oktober 1949 die Regie­rungs­ver­ant­wortung an die junge DDR übergab. 

Im Juli 1981 schrieb Marschall Tschuikow in einem Brief an das ZK der KPdSU: „Das nahende Le­bens­ende fühlend, wende ich mich mit einer Bitte an sie: nach meinem Tode soll meine Asche auf dem Mamajew-Kurgan in Stalingrad beigesetzt werden……Von diesem Platz hört man das Rauschen der Wolga, die Geschützsalven und den Schmerz der Stalingrader Ruinen, dort sind tausende Soldaten, die ich befehligt habe, beerdigt.“ Diesem Wunsch entsprechend, erfolgte seine Beisetzung am 23. März 1982 auf dem von ihm gewünschten Ort. Zur Geschichte der Familie Tschuikow gibt es noch eine ganz außergewöhnliche Geschichte. Die Mutter, Jelisaweta Fjodorowna, verabschiedete acht Söhne in den Krieg zur Verteidigung der Heimat, alle kehrten gesund zurück.

Marschall der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch Tschuikow
23. März 1982, Beisetzung auf dem Mamajew-Kurgan

Viel Zeit ist seit dieser Zeit vergangen, die Schrecken des Krieges liegen zum Glück weit zurück. Unvergessen sind aber die Millionen von Opfern, die dieser Krieg auf allen Seiten gefordert hat! Versuche, die Geschichte des 2. Weltkrieges umzuschreiben, die entscheidende Rolle der Sowjetunion bei der Zerschlagung des Faschismus zu negieren, gibt es schon seit der unmittelbaren Nachkriegszeit. Jetzt scheint aber für die NATO-Staaten die Zeit gekommen zu sein, ganz massiv in dieser Richtung tätig zu werden. Bezogen auf die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wird von der „Befreiung durch die Alliierten“ gesprochen, Denkmäler, die an die Heldentaten und gewaltigen Verluste der Roten Armee erinnern, werden in Polen und im Baltikum geschliffen. Ehemalige Angehörige der SS erhalten deutsche Renten!

Im Fahrwasser der USA schwimmend, wird Russland, neben China, zum Feind Nummer eins erklärt, die Rüstungsindustrie freut es. Im Jahr des 75. Jahrestages des Sieges über den Faschismus findet das seit Jahren größte Manöver der USA in Europa, unter Teilnahme der NATO, Defender 2020, vor der Haustür Russlands statt. Nicht genug, dass dort ständig gezündelt wird, zur Zeit unter Führung der Bundeswehr, erfolgt aus den USA eine große Truppenverlegung gen Osten über das Territorium der sogenannten neuen Bundesländer. Ich sehe bei diesem Großmanöver zwei Aspekte, da ist zu einen die gewollte politische Provokation zu diesem historischen Datum. Zum zweiten ist aber auch der militärische Aspekt keinesfalls zu unterschätzen, hier handelt es sich um einen Teil der direkten Kriegsvorbereitung! Da geht es um Transportwege, Ausbau des Territoriums, Errichtung von Führungsstellen und nicht zuletzt um den Test russischer Reaktionen (Aufklärung). Wieviel der verlegten Technik dann vor Ort verbleibt steht auf einem anderen Blatt, schon jetzt gibt es auf osteuropäischen Territorium riesige Waffen- und Ausrüstungsarsenale der NATO.

Zugleich dient die immer wieder zitierte Bedrohungsgefahr durch Russland natürlich auch der Manipulation der Bevölkerung und dies nicht ohne Erfolg. Dies zeigt sich auch in der innenpolitischen Debatte in Deutschland. Rechte Ideen gewinnen zunehmend wieder Platz in der Gesellschaft. Da schließt sich der Kreis zu den Turbulenzen in Thüringen. Erinnert sei an die Worte Bertolt Brechts: „Der Schoß ist fruchtbar noch …..“ Der Satiriker Serdar Somuncu antwortete in einem Interview (Leipziger Volkszeitung vom 11.02.2020) auf die Frage, was sich denn im Vergleich zu den 90er Jahren hinsichtlich der Neonazis verändert habe: „Faschismus ist ziselierter, ist mehr geworden, versteckter, aber auch allgegenwärtiger, und er hat sich verlagert-vom ganz äußeren rechten Rand in die breite Mitte der Gesellschaft.“ Dieser Einschätzung ist nichts hinzuzufügen! In welcher Demokratie leben wir eigentlich, wenn ein Höcke, gerichtlich bestätigt, als Faschst bezeichnet werden darf und gleichzeitig Fraktionsvorsitzender einer Partei im Thüringer Landtag ist? Und „Demokraten“ verbünden sich mit ihm, um einen von den Bürgern geachteten Ministerpräsidenten zu verhindern. Ein angesehener FDP-Politiker umschrieb diese Scharade mit den Worten „ein Hauch Weimar liegt über der Republik“.

Man sagt ja immer, Geschichte wiederholt sich nicht. Aber ein Selbstläufer ist es nicht, es gibt ja diesen schönen Spruch: „wehret den Anfängen“, über die Anfänge sind wir schon lange hinaus! Jetzt gilt es Front zu machen gegen jegliche Art der Geschichtsvergessenheit, gegen Hetze und Kriegstreiberei! Es sollte Pflicht für Politiker werden, die Gedenkstätte auf dem Mamajew-Kurgan mit der letzten Ruhestätte Marschall Tschuikows zu besuchen, eine Kranzniederlegung auf dem russisch-deutschen Soldatenfriedhof Rossoschka könnte ein Zeichen der Trauer und der Demut sein. Dieser Friedhof ist eine Geste der Versöhnung des russischen Volkes mit dem einstigen Aggressor. Diese Geste und viele andere Vorschläge Russlands warten noch auf adäquate Antworten deutscher Politik, die Pflege von Feindbildern und aggressiven Kriegsspielen sollten nicht dazu gehören! Mobilisieren wir alle Kräfte für eine friedliche Zukunft, in der DDR gab es an einer solchen Politik keinen Zweifel, hatten alte und neue Nazis keine Chance!

Marschalls der Sowjetunion Wassili Iwanowitsch Tschuikow

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