Abzug aus Afghanistan

Kriege werden geführt, um der anderen Seite seinen politischen Willen mit gewaltsamen Mitteln aufzuzwingen. Das gilt für beide (alle) Seiten. Den Einen wird der Krieg aufgezwungen, aber alle müssen ihn führen, um zu überleben.
Sieg wird demnach so definiert, dass derjenige gewonnen hat, der seinen politischen Willen dem Kriegsgegner aufgezwungen hat. Noch Fragen???
Die angehängte Zusammenfassung zeichnet ein Bild vom Stand des Krieges. Noch ist er nicht vorbei. Falls die sichtbar staatlichen Akteure der NATO zum 11. September dieses Jahres tatsächlich abgezogen sein werden, bleiben immer noch die "unsichtbaren" staatlichen Akteure verschiedenster Herkunft und Namen und die "nicht-staatlichen" Akteure, die dann doch wieder von Staaten finanziert werden. Noch ist der Krieg nicht vorbei. Er kleidet sich nur um. Noch sind also auch das Leid und Blutvergießen nicht vorbei.
An den globalen Folgen des Rauschgiftanbaus und -vertriebs werden noch Millionen in aller Welt leiden. Auch die Menschen in den Ländern, die dort 20 Jahre Krieg führten und in vielen anderen Ländern.

Lutz Vogt

 

Welche Bilanz Russland über den Afghanistankrieg zieht

Das russische Außenministerium hat eine Bilanz des Afghanistankrieges der Nato gezogen. Wenig überraschend klingt sie völlig anders, als das, was man im Westen dazu hört.

von Anti-Spiegel, April 2021 16:45 Uhr

Dass die USA und die Nato in Afghanistan kläglich gescheitert sind und das Land nun de facto wieder den Taliban zurückgeben, wird in der westlichen Presse möglichst nicht gesagt. Und der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden hat allen Ernstes verkündet:

„Ich kann sagen, dass die Vereinigten Staaten das Ziel erreicht haben, das zu Beginn des Einsatzes in Afghanistan festgelegt wurde. Es ging um den Umgang mit denen, die uns am 11. September angegriffen haben.“

Und auch die führende deutsche Militärexpertin, Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer, hat verkündet, das „Hauptziel nach 9/11“ sei erreicht worden.

Dabei ist die Bilanz des Krieges nüchtern betrachtet eine Katastrophe. Das Land ist nicht befriedet, die Taliban, die man vertreiben wollte, kontrollieren das halbe Land und den Abzug mussten die USA mit den Taliban anstatt der afghanischen Regierung aushandeln, was nicht eben nach einem erfolgreichen und siegreichen Krieg klingt. Hinzu kommen zehntausende tote Zivilisten und die Tatsache, dass Afghanistan unter der Herrschaft der Nato zum größten Opiumanbaugebiet der Welt geworden ist. Die Nato hat keines ihrer gesetzten Ziele erreicht, im Gegenteil.

Das allerdings hört man im Westen in Politik und Medien so nicht. Anders in Russland: Maria Sacharova, die Sprecherin des russischen Außenministeriums, hat in einer offiziellen russischen Erklärung eine ganz andere Bilanz gezogen und ich habe sie übersetzt.

 

Beginn der Übersetzung:

Die Entscheidung, den NATO-Einsatz in Afghanistan zu beenden, hat Aufmerksamkeit in den internationalen Medien erhalten. Dieses Thema stand schon seit vielen Jahren auf der Tagesordnung. Wie Sie sich vielleicht erinnern, haben die amerikanischen Präsidenten mal Kontingente abgezogen, und dann wieder erhöht. Jetzt dürfen wir die nächste Etappe dieser Situation beobachten.

Wir haben die Entscheidung der NATO zur Kenntnis genommen, ihre Kontingente aus Afghanistan abzuziehen, nachdem Washington eine ähnliche Erklärung abgegeben hatte.

So wie wir es verstehen, geht die zwanzigjährige Präsenz der NATO-Truppen in Afghanistan demnächst zu Ende. Der militärische Feldzug, der unter dem Slogan der Bekämpfung von Al-Qaida und der sich dahinter verbergenden Taliban-Bewegung begann, hat sich in die Bemühungen für den Aufbau der Staatlichkeit in dem asiatischen Land verwandelt. Westliche Beobachter haben eingeräumt, dass die Mission der Allianz in Afghanistan durchaus als Misserfolg bezeichnet werden kann. Es wäre schön, wenn nicht nur Experten und Journalisten das beurteilen würden, obwohl sie alle ein Recht auf ihre Sichtweise haben. Es wäre wichtig, im UN-Sicherheitsrat einen Bericht über die langjährigen Bemühungen der Kontingente zu hören.

Nach zwei Jahrzehnten der Konfrontation gehen sogar die konservativsten Schätzungen davon aus, dass die Taliban mehr als die Hälfte des Landes kontrollieren und sie setzen den bewaffneten Kampf gegen die Regierung von Afghanistan fort. Obwohl die Fähigkeiten von al-Qaida reduziert wurden, sind Zellen der Organisation nach Angaben der UN noch in 11 afghanischen Provinzen präsent. Außerdem ist Afghanistan trotz der Präsenz der NATO-Truppen zu einem sicheren Hafen für die neue globale Terrorgruppe IS geworden, die bis zu 4.000 Kämpfer im Land hat und regelmäßig Terroranschläge verübt, auch in Kabul.

Das Bild beim Kampf gegen Drogen ist düster. Während der NATO-Präsenz in Afghanistan ist die Anbaufläche für Schlafmohn um mehr als das 20-fache auf 163.000 Hektar im Jahr 2019 gestiegen. Auf Afghanistan entfallen mehr als 80 Prozent des weltweiten Opiumanbaus. Nach Angaben der UN produzieren 24 der 34 Provinzen des Landes Drogen.

Trotz milliardenschwerer Finanzspritzen, die die Mittel des US-Marshall-Plans für den Wiederaufbau des Nachkriegseuropas übertroffen haben, ist die Islamische Republik Afghanistan nach wie vor das ärmste Land Asiens, mit einer der höchsten Korruptionsraten in der Welt und mindestens ein Drittel der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung ist arbeitslos.

Milliarden von Dollar, die für die Ausbildung der nationalen afghanischen Sicherheitskräfte aufgewendet wurden, sind verpufft. Dass es für die afghanischen Probleme keine militärische Lösung gibt, haben die Amerikanern erst nach Jahrzehnten des unrühmlichen Feldzugs eingestanden. Während dieser Zeit wurden Zehntausende von Zivilisten getötet oder verstümmelt. Viele fielen wahllosen Angriffen der NATO-Truppen zum Opfer, die von der Allianz zynisch als „Kollateralschäden“ – so reden die über Menschen! – bezeichnet werden und Zehntausende weitere waren gezwungen, auf der Suche nach einem friedlichen Leben aus Afghanistan zu fliehen. Bis heute stellen die Afghanen eine der größten Gruppen der Flüchtlingen, die in Europa Asyl suchen.

Bei ihrem Abzug versprachen die Amerikaner und andere NATO-Mitglieder, die afghanischen Streitkräfte weiterhin zu unterstützen. Ob sie Erfolg haben werden, ist die große Frage, da es der Allianz in zwei Jahrzehnten nicht gelungen ist, fähige lokale Sicherheitskräfte aufzubauen, die das Land schützen und die Rechtsstaatlichkeit selbst durchsetzen könnten.

www.antispiegel.com, 24.04.21

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