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Was bedeutet FCAS
und was verbirgt sich hinter der Abkürzung?

FCAS steht für „Future Combat Air System“ (Luftkampfsystem der Zukunft). Die französische Luftfahrtindustrie sucht angesichts des bevorstehenden Auslaufens der Produktion des Kampfflugzeuges „Rafale“ nach einem neuen Projekt besonderen Ausmaßes. Entwickelt und produziert werden soll ein universelles Flugzeug. Allein für die Entwicklung sind 8 Milliarden Euro vorgesehen. Die Einführung in die Truppe soll 2040 erfolgen. Für das Gesamtprojekt sind 300 Milliarden geplant. Deutschland und Spanien sollen sich – so die Hoffnung der Franzosen – an den Kosten beteiligen. Der deutsche Partner ist der Zweig des internationalen Rüstungskonzerns Airbus Defense & Space. Zunächst soll erst einmal nur ein Prototyp gebaut werden, und der bleibt in Frankreich. Der deutsche Betriebsrat von Airbus beklagt sich über diese Diskriminierung. Fachleute witzeln deshalb schon mal über das „French Controlled Air System“. Ungeachtet dessen hat der Bundestag bereits einen ersten Teilbeitrag in Höhe von 77 Millionen Euro durchgewinkt.

Was steht den Plänen Frankreichs entgegen? Fakt ist, dass die meisten NATO-Verbündeten brav im Gefolge der USA bleiben. Im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ halten Deutschland, Belgien, Niederlande und Italien ständig eigene Flugzeuge als Träger (Tornado und F-16) für die auf ihrem Territorium stationierten Atombomben B61 der USA zur Verfügung. Da sowohl die Tornados als auch F-16 das Ende ihrer Einsatzdauer erreichen, sollen sie im Weiteren durch amerikanische F-18 und F-35 ersetzt werden.

Die europäischen Piloten müssten im Einsatzfall die Ziele überfliegen, was angesichts moderner Fla-Raketen eine Selbstmordaktion wäre. Sollte ein Europäer tatsächlich seine US-Atombombe am Ziel abwerfen können und lebend zurückkommen, würde er als Kriegsverbrecher vor dem Internationalen Strafgerichtshof ICC in Den Haag landen. Dem ICC, der 2002 für solche Zwecke eingerichtet wurde, gehören allerdings weder die USA noch Russland an. Sollte es überhaupt zu der Beschaffung von F-18 und F-35 kommen, so wären diese Maschinen zum Zeitpunkt eines fristgemäßen Liefertermins von FCAS im Jahr 2040 im besten Nutzungsalter und noch mindestens 15 Jahre einsetzbar. Wer, außer der Rüstungsindustrie, braucht also ein FCAS?

Zudem ist das Projekt FCAS ein militärtechnischer Anachronismus: Die Ära der bemannten Kampfflugzeuge geht unwiderruflich ihrem Ende entgegen. Trotz aller Versuche, sie durch Stealth- und Electronic-Warfare-Tricks weiter im Einsatz zu behalten, sind sie zunehmend nur noch Zielscheiben für moderne Flugabwehr-Raketen wie die russischen Komplexe S-400 oder S-500. Selbst wenn es gelänge, durch eine Massierung von Kampfflugzeugen in schmalen Streifen und unterschiedlichen Höhen, eine hinreichende Anzahl bis an die Ziele zu bringen, was würde sie beim Rückflug erwarten? Das Luftverteidigungssystem auf dem Territorium der DDR war zum Beispiel so organisiert, dass entstandene Lücken schnell wieder geschlossen werden konnten. Dadurch wäre es für eventuelle Rückkehrer in einer Störumgebung gegen ihre Freund-Feind-Erkennungssysteme sehr unwahrscheinlich geworden, ungeschoren durchzukommen. Man darf davon ausgehen, dass sich diese Erfahrung herumgesprochen hat.

Um trotzdem FCAS einen Anschein von „Future“ zu geben, wird über einen begleitenden Drohnenschwarm diskutiert: Mordroboter, natürlich mit „künstlicher Intelligenz“. Sie sollen der neue Stern am Geschäftshimmel werden.

Wie sich im Herbst 2020 in dem kurzen und verlustreichen Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach gezeigt hat, erregte der breite Einsatz von Kampfdrohnen durch Aserbaidschan weltweit große Aufmerksamkeit. Eingesetzt wurden Drohnen im Höhenbereich von 2000 bis 14.000 m, mit Flugzeiten von wenigen Minuten bis nominell über 30 Stunden, und nominellen Reichweiten bis 2500 km.

Die deutsche Verteidigungsministerin bezeichnete den Konflikt als „ersten echten Drohnenkrieg“. Mit herkömmlichen Mitteln sind Drohnen nur schwer abzuwehren, und wenn doch, dann hat das keine eigenen Toten zur Folge. Für die Rüstungsindustrie ist das nahezu ein Idealfall für die Geschäftsperspektive. 
Allerdings ist es keineswegs so, dass es gegen Drohnen keine Abwehrmöglichkeiten gibt. Russland hat in den letzten Jahren die Entwicklung auf dem Gebiet der funk- und funktechnischen Gegenwirkung energisch und erfolgreich vorangetrieben. Die russischen Streitkräfte verfügen schon geraume Zeit über stationäre und mobile landgestützte sowie luft- und seegestützte Komplexe dieser Bestimmung. Erinnert sei hier nur an Fall, der sich im April 2014 im Schwarzen Meer zugetragen hat. Damals war der US-Kreuzer „Donald Cook“ entgegen dem Dardanellen-Abkommen unangemeldet durch den Bosporus in das Seegebiet vor der Halbinsel Krim vorgedrungen. Daraufhin überflog eine russische Su-24 zwölfmal in einem seitlichen Abstand die „Donald Cook“ mit dem verblüffenden Ergebnis, dass deren Führungs- und Leitsystem Aegis total gestört war. Der Kapitän sah sich gezwungen, umgehend einen rumänischen Hafen anzulaufen. Dort beantragten dann 27 Mann der Besatzung ihre Versetzung. Sie wollten nicht länger auf einem Schiff dienen, das sich nicht wehren konnte. Es dürfte für die Russen kein Problem sein, mit geeigneten Systemen der funktechnischen Gegenwirkung die Wirkung von Drohnen energisch einzuschränken oder gänzlich zu eliminieren, denn für ihren effizienten Einsatz benötigen sie die Kommunikation mit einer Bodenstation.  

Im Fall FCAS hat Frankreich einen guten Grund, Deutschland zwar bezahlen zu lassen, aber die deutsche Airbus und ihre Zulieferer möglichst herauszuhalten. Die deutsche Ausfuhrkontrolle erlaubt nämlich die Lieferung von Rüstungsteilen aus deutscher Fertigung nur an „gute“ Staaten. Frankreich ist da nicht so wählerisch. Um möglichst viele FCAS in die weite Welt der Diktatoren zu verkaufen, empfiehlt es sich, in das Flugzeug möglichst wenige oder am besten gar keine Teile aus deutscher Fertigung einzubauen.

Allerdings kann bei der deutsch-französischen FCAS-Zusammenarbeit auch noch etwas Anderes dazwischenkommen. Wenn Deutschland den aktuellen Kollisionskurs zwischen den USA und Russland überleben will, muss es sich schleunigst aus seiner speziellen NATO-Rolle herausziehen, nämlich Kommandozentrum, Waffenlager und Schlachtfeld zu sein, wie einst im Kalten Krieg. Damals, 1983, in der amerikanisch-sowjetischen Krise um die Stationierung der Raketen Pershing II in Westdeutschland und der Cruise Missiles GLCM u.a. in Belgien, den Niederlanden und Italien, hatte der damalige US-Verteidigungsminister McNamara Klartext gesprochen: „Worüber sich die Westdeutschen klarwerden müssen, das ist, dass ihr Kulturkreis verwüstet werden wird, wenn sie sich weiterhin an die NATO-Strategie halten“. Genau an diesem Punkt stehen wir jetzt wieder!

Aber seit Januar 2021 gibt es eine Notbremse, an die 1983 nicht zu denken war: Der UN-Atomwaffenverbotsvertrag ist sehr zum Ärger der meisten Atomwaffenstaaten in Kraft getreten. Unsere Rettung wäre verblüffend einfach: Ein „Federstrich“, die deutsche Unterschrift unter diesen Vertrag! Damit wären Atomwaffen, deren Trägermittel und Kommandostellen auf deutschem Boden nicht mehr erlaubt, und auch keine Mitarbeit am Projekt FCAS. Möglich wäre ergänzend ein von der deutschen Regierung erklärter Austritt aus der militärischen Integration der NATO, so wie es Frankreich unter Premierminister De Gaulle 1966 getan hat.

Damit würden wir auch Russland aus der bisher unlösbaren Zwickmühle befreien, im Krisenfall entweder zu riskieren, dass aus den europäischen US-Kommandobunkern in Deutschland Atomwaffeneinsätze gegen Russland befehligt werden, oder diese US-Einrichtungen in Deutschland vorbeugend auszuschalten. Der deutsche „Federstrich“ würde für uns und Russland eine „Win-Win“-Situation schaffen, die auch für die USA und den Rest der Welt ein Gewinn wäre. Denn ohne Deutschland als Schlachtfeld kann der Krieg in Europa nicht stattfinden.

Egal, was auch immer sonst noch passieren würde: Diesen Krieg würde in Deutschland niemand überleben.

Da bleibt ein optimistischer Traum:
Am 22. Juni 2021, dem 80. Jahrestag des Überfalls der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion, unterschreibt der deutsche Außenminister bei der UN den Atomwaffenverbotsvertrag und wird damit einer der Helden der Geschichtsbücher.

Ohne Deutschland als Schlachtfeld hat sich die NATO erledigt, und die Zeit für eine gesamteuropäische OSZE-Friedensordnung wäre gekommen, nach drei Jahrzehnten tragischer Irrwege.

Prof. Dr. Joachim Wernicke
Bernd Biedermann

Mai 2021    

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