Jacques Baud: Der Westen will keinen Frieden

Liebe Genossen und Freunde,
möglicherweise haben die kritischen Worte von Oberst a.D. Jacques Baud in seine am 10.4.2022 hier an dieser Stelle eingestellten Interviews
bezüglich fehlender Neutralität der Schweiz in der Ukraine-Krise  gewirkt – die Schweiz grätscht Deutschland in die beabsichtigte Lieferung von
Marder-Schützenpanzern indem sie die Lieferung der dazugehörigen, aus der Schweiz stammenden Munition verbietet.

Auf alle Fälle bleibt Oberst a.D. Jacques Baud dran am Thema Ukraine:
(....)  Und das, glaube ich, zeigt, was für eine unreife Führungsschicht wir generell im Westen haben. Das gilt sicherlich für die USA, aber ich glaube, an diesem Beispiel der Ukrainekrise sieht man, dass die europäische Führungsebene nicht besser ist als das, was wir in den USA haben. Wahrscheinlich eher noch schlimmer, denke ich manchmal. Das ist es, was uns wirklich beunruhigen sollte, dass wir Leute haben, die ohne jede Grundlage Entscheidungen treffen, und das ist extrem gefährlich.

Der Westen will keinen Frieden
Der ehemalige Schweizer Geheimdienstoffizier und NATO-Berater Jacques Baud spricht über die Wurzeln des Ukraine-Krieges und seine wachsenden Gefahren
.

Zum ganzen Interview: https://www.nachdenkseiten.de/?p=83221
Auszüge.
(…)
#Der Plan zur Schwächung Russlands

Nun müssen wir auch wissen, dass die Russen ein ganz anderes Verständnis vom Krieg haben als westliche Länder, besonders die USA. Im Westen neigen wir dazu, wenn wir verhandeln, tun wir das bis zu einem bestimmten Punkt und hören dann auf, und der Krieg beginnt. Und dabei bleibt es dann. Ganz anders bei den Russen. Man fängt zwar Krieg an, aber die Diplomatie läuft immer parallel, zugleich mit dem Kriegsgeschehen. Man benutzt mentalen Druck und versucht, ein Ziel zu erreichen, auch mit Diplomatie. Das erinnert sehr an Carl von Clausewitz, den preußischen General und Militärtheoretiker, von dem der berühmte Satz stammt, Krieg sei die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Genauso sehen die Russen das auch. Deshalb boten sie während der gesamten Offensive, und schon bei deren Beginn, Verhandlungen an. Denn die Russen wollen sicherlich verhandeln, aber sie trauen den westlichen Ländern – ja dem Westen insgesamt – nicht, die Verhandlungen zu erleichtern. Und deshalb kamen sie auch nicht zur [Münchener] Sicherheitskonferenz. Außerdem wissen sie wahrscheinlich, dass dieser Krieg, den wir jetzt sehen, Teil eines größeren Krieges gegen Russland ist, der schon vor Jahren begonnen wurde und ich glaube, in Wirklichkeit ist die Ukraine nur… in Wirklichkeit interessiert sich niemand für die Ukraine, denke ich. Das eigentliche Ziel, der Masterplan ist, Russland zu schwächen, und wenn sie mit Russland fertig sind, dann machen sie dasselbe mit China, wie man heute schon unschwer erkennen kann. Ich meine, wir haben gesehen, dass bis jetzt die Ukrainekrise den Rest überschattet hat, aber etwas ganz Ähnliches könnte zum Beispiel mit Taiwan passieren. Den Chinesen ist diese Möglichkeit voll bewusst. Deshalb werden sie auch nicht ihre, sagen wir, Beziehung zu Russland aufs Spiel setzen.

Nun, wenn der Name des Spiels ist, Russland zu schwächen, und wie Sie wissen, hat die RAND Corporation mehrere Studien durchgeführt, wo es um Ausdehnung oder Überdehnung von Russland ging und so weiter, und wo das ganze Szenario…

Nur zur Erklärung für alle Zuschauer, die es noch nicht wissen: RAND ist eine dem Pentagon nahe Denkfabrik, und sie machten 2019 eine Studie, in der sie nach Wegen suchten, wie die USA Russland imperial überdehnen und aus dem Gleichgewicht bringen könnten, und als Top-Option stellte sich heraus, Waffen in die Ukraine zu schicken und dort einen Konflikt zu entfachen, der Russland mit hineinziehen würde, also genau das Szenario, das jetzt eingetreten ist.

Hundertprozentig. Und ich halte das für einen ausgereiften Plan zur Schwächung von Russland, und genau das geschieht jetzt vor unseren Augen. Wir hätten es voraussehen können, und ich denke, Putin hat es vorausgesehen. Und ich glaube, er verstand in den Tagen vor dem 24. Februar, dass er nicht nichts tun konnte. Er musste irgendetwas tun.

#Putins Entscheidung

Die öffentliche Meinung in Russland würde es nie verstehen, wenn Russland dabei zuschauen würde, wie die Donbass-Republiken von der Ukraine invadiert oder zerstört würden. Niemand würde das verstehen. Also musste er etwas machen. Und dann – Sie erinnern sich, was er am 24. Februar sagte: Egal was er tun würde, das Sanktionspaket für Russland würde das gleiche bleiben. Er wusste also, dass die kleinste Intervention im Donbass ein massives Sanktionspaket nach sich ziehen würde, das war klar. Deshalb entschied er sich gleich für die maximale Option. Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, die Republiken, ohne staatliche Anerkennung, nur an der Kontaktlinie zu verteidigen. Aber er entschied sich für die größere Variante, die Kräfte zu zerstören, die den Donbass bedrohten.

Und dann haben Sie diese beiden [von Putin benannten] Ziele: Entwaffnung, das bezieht sich nicht auf die ganze Ukraine, sondern sollte die militärische Bedrohung für den Donbass entschärfen, das war das Hauptziel. Was er sagte, wurde vielfach missverstanden, und natürlich waren seine Worte nicht sehr klar, aber so ist nun mal die russische Art zu kommunizieren und zu agieren. Man hält sich Optionen offen, aus diesem Grunde sagen sie nur so viel wie unbedingt nötig. Und das ist genau das, was Putin am 21. meinte, als er von der Entschärfung der militärischen Drohung gegen den Donbass sprach. Sein zweites Ziel, Entnazifizierung, läuft nicht darauf hinaus, Selenskij umzubringen oder die Regierung in Kiew abzusetzen. Wie ich schon sagte, Krieg bedeutet für die Russen eine Kombination von Kampfhandlungen mit Diplomatie. Bei dieser Vorgehensweise braucht man eine intakte Führung als Ansprechpartner für die Verhandlungen, und deshalb scheiden alle Varianten aus, in denen die Kiewer Führung umgebracht oder zerstört wird.

Also geht es bei der „Entnazifizierung“ nicht um jene 2,5 Prozent der rechtsextremen Parteien in Kiew. Sondern um die 100 Prozent von Asow-Leuten in Mariupol oder Charkow, und derartige Gruppen. Das wird immer missverstanden. Es geht definitiv um jene Gruppen, die tatsächlich 2014 von den Ukrainern rekrutiert wurden, um, sagen wir, [potentielle Rebellen] zu beschwichtigen und zu kontrollieren. Mir fehlt das passende Wort dafür, aber um im Donbass zu kämpfen. Diese Leute sind Extremisten, Faschisten, und sie sind gefährlich.

(..)
#Europa spielt mit dem Feuer

Das was mich an der ganzen Sache [es geht hier um Bucha und Kramatorsk] stört, ist nicht, dass wir so wenig wissen. Solche Situationen, wo man die Verantwortlichen nicht festnageln kann, sind in Kriegszeiten normal. Was mich stört, ist, dass westliche Führer anfingen, Entscheidungen zu treffen, ohne zu wissen, was los ist, was passiert ist. Und das stört mich ganz gewaltig. Bevor irgendein Ergebnis von irgendeiner Untersuchung vorliegt – und das sollte eine internationale, unparteiische Untersuchung sein. Ohne das zu haben, fangen wir schon an, Sanktionen zu verhängen, Entscheidungen zu treffen – ich denke, das zeigt, wie pervertiert dieser ganze Entscheidungsprozess im Westen ist.

Seit Februar oder noch davor, denn wir hatten etwas Ähnliches nach der Entführung – oder Nicht-Entführung, denn es war keine – dieser Zwischenfall in Belarus mit dem Ryanair-Flug. Das war im letzten Mai, 2021, dass die Leute schon Minuten, nachdem die Presse darüber berichtet hatte, reagierten, obwohl sie nicht einmal wussten, was los war!

Das ist die Art und Weise, wie die politische Führung in Europa reagiert – auf EU-Ebene, aber auch in den einzelnen Ländern. Als Geheimdienstoffizier stört mich das. Wie kann man so schwerwiegende Entscheidungen treffen für die Bevölkerung oder für ganze Länder, die sogar unsere Wirtschaften durcheinanderbringen?

Es schlägt also auf uns selbst zurück. Aber wir entscheiden ja auch, ohne wirklich den Sachstand zu kennen. Und das, glaube ich, zeigt, was für eine unreife Führungsschicht wir generell im Westen haben. Das gilt sicherlich für die USA, aber ich glaube, an diesem Beispiel der Ukrainekrise sieht man, dass die europäische Führungsebene nicht besser ist als das, was wir in den USA haben. Wahrscheinlich eher noch schlimmer, denke ich manchmal. Das ist es, was uns wirklich beunruhigen sollte, dass wir Leute haben, die ohne jede Grundlage Entscheidungen treffen, und das ist extrem gefährlich.

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