16.06.2022


Liebe Genossen und Freunde,
ein sehr lesenswerter Beitrag.

Siegfried Eichner

 

Das große Spiel

Russland in der globalen geostrategischen Abwehr. Die andere Sicht auf den Krieg.
Auch eine Adresse an DIE LINKEN

ANONYMUS

Zunächst und vor allem: Jeder Krieg, ein Befreiungs-, ein Verteidigungs- und auch ein Aggressionskrieg, bedeutet Tod, grausamste Verrohung, Verwüstung, unermessliches Leid für alle Beteiligten. Wer davor seine Augen und sein Herz verschließt – auch dem kann nur Sarastro aus Mozarts „Zauberflöte“ entgegengehalten werden: „Wen solche Lehren nicht erfreu’n, verdienet nicht, ein Mensch zu sein.“

Jedem Krieg stehen die Friedensliebe und die Friedenssehnsucht der allermeisten Menschen gegenüber, und Beides braucht es dringend, wenn die Waffen sprechen und wieder schweigen sollen. Doch Beides reicht nicht. Lenin gab uns auf, das Geheimnis aufzuhellen, in dem der Krieg geboren wird. Nur so werden die Ziele der Krieg führenden Seiten klar und können Verantwortlichkeiten und Verantwortliche benannt werden. Dies wiederum ist dringend nötig, um Wiederholungen der kriegerischen Gewalt so machtvoll wie möglich entgegentreten zu können. Auch wenn die Schrecken übermächtig werden: Gerade in einem Krieg gilt es, kühlen Kopf zu bewahren. Es nützt nichts, man muss in die ganze Tiefe und Komplexität eines jeden Krieges eindringen. Kein Arzt könnte den Kranken helfen und die nächsten vor Krankheit bewahren, ließe er sich von Schmerzen und Leid, das er sieht, überwältigen. Viel zu oft aber werden wir von den zutiefst menschlichen Emotionen, so vollauf verständlich sie sind, zu vorschnellen Bewertungen geführt, werden wir an einer rationalen Beurteilung gehindert. Wer dieses Notwendige dann fordert, sei gefühllos, findet sich rasch in der Ecke des Bellizisten und des „Rechtfertigers“. Nie aber hätte der überragende Militärtheoretiker Carl von Clausewitz seine fundamentalen, weltweit und über alle weltanschaulichen Grenzen hinweg hoch geschätzten, an allen Militärakademien gelehrten und von Friedensforschungsinstituten immer und immer wieder betonten Erkenntnisse über den Krieg als gesellschaftliche Erscheinung gewinnen können, wäre er bei dessen moralischer Verurteilung stehen geblieben. Ja, das alles also, obwohl er beim Krieg „das Bestreben zum Äußersten und die dunkle Reihe von Möglichkeiten, die sich daran knüpft“ als eine seiner wichtigsten Lehren vermitteln musste.

Die Kernthese derjenigen, die völlig einseitig an den Ukraine-Russland-Krieg herangehen, lautet: „Nichts und niemand kann diese Aggression Putins rechtfertigen.“ Das ist so ziemlich Originalton Olaf Scholz, des führenden Politikers eines der maßgebenden NATO-Länder, und damit NATO-Originalton. Die Schärfe der Formulierung stellt all jene sofort in das stigmatisierende Abseits, die das Gesamtumfeld des Konflikts analysieren und auch öffentlich betrachtet sehen wollen. Sicher: Ab und an wird auch auf den einen oder anderen Aspekt im Umfeld des Konflikts hingewiesen, aber für viele geht dies unter. Ihnen erscheint es so, als ob Ursachen und Folgen miteinander vermischt, wenn nicht sogar vertauscht werden. Den Höhepunkt hat diese Herangehensweise erreicht mit der Äußerung von Gregor Gysi, die NATO habe im Ukraine-Russland-Konflikt nichts falsch gemacht und mit dem Applaus des Thüringer LINKEN-Ministerpräsidenten Ramelow bei der Ankündigung des 100-Milliarden- Hochrüstungsprogramms für die Bundeswehr. Obwohl sogar Papst Franziskus dem Militärpakt eine Mitschuld am Krieg von heute anlastet.

Für die Analyse jeden Krieges sind zuallererst die Ziele der kriegführenden Seiten zu untersuchen. Ganz im Sinne von Clausewitz – man muss „den politischen Zweck desselben unsererseits und von Seiten des Feindes bedenken…“ Für den Kalten Krieg ist alles offensichtlich: Die genau zu diesem Zweck 1949 gegründete NATO verfolgte die Niederringung des realen Sozialismus, zumindest in Europa. Wenn möglich auf nichtmilitärischem Wege, wenn nötig und möglich auch mit Krieg. Der Gegner mit der UdSSR an der Spitze wollte genau dies verhindern mit der Perspektive, dass sich alle Länder der Welt aus ihrem Inneren heraus in Richtung der sowjetisch dominierten gesellschaftlichen Alternative entwickeln würden. Die NATO hat einen allumfassenden Sieg auf breiter Front errungen und mit diesem Ergebnis den Kalten Krieg entschieden. Nichts anderes als das wird heute als das eigentliche ursprüngliche Ziel der NATO, das vordem hinter der Legende von der Bedrohung aus dem Osten, der mit einer als „Abschreckung“ camouflierten Hochrüstung begegnet werden müsse, stolz als Jahrhundertverdienst verkündet. Für Manche geriet der Nordatlantikblock nun in eine Sinnkrise. Für die bestimmenden imperialistischen Kreise aber ganz und gar nicht. Für sie ging (und geht) es jetzt darum, niemals wieder eine andere Weltmacht zuzulassen. Und: Sich die Welt gänzlich Untertan zu machen, und zwar und gerade mit all den natürlichen und menschlichen Ressourcen, ohne die der auf Dauer auf Expansion angewiesene und deshalb zwangsläufig räuberische und gewalttätige Kapitalismus niemals auskommt, sondern kollabieren müsste. Ohne in Ansätzen etwas gleichsetzen zu wollen: Der vom deutschen Faschismus ausgelöste Völkermord war AUCH das Ergebnis davon, dass er ohne den unvergleichlichen Raubzug gegen die Opfer seiner Aggressionen wirtschaftlich hätte zusammenbrechen müssen. Über die heutige, sich weiter vertiefende systemische ökonomische Krise kann die kritische Politökonomie detaillierte Auskunft geben.

Der Fahrplan „des Westens“ ist für Jede/n nachlesbar. 1997 erschien von Zbigniew Brzeziński mit „The Grand Chessboard: American Primacy and Its Geostrategic Imperatives” eines seiner wichtigsten Werke. Im selben Jahr auch auf Deutsch als „Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft“. Das Vorwort dazu schrieb der langjährige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Ein solcher Mann gibt seinen Namen nur für etwas her, das globalstrategische Bedeutung für Jahrzehnte besitzt. 2012 führte Brzeziński seine Gedanken mit „Strategic Vision: America and the Crisis of Global Power” weiter. Die Grundlinien beider Bücher bestimmen den strategischen Ansatz und den prinzipiellen Kurs der USA gegenüber Russland.

Im alles überragenden Ziel müssten die USA nach Brzeziński stringent die Linie verfolgen, in aller Perspektive die einzige Weltmacht zu bleiben, und zwar unangefochten. Wie vorzugehen ist, dazu greift Brzeziński die Formel des britischen geopolitischen Theorerikers Halford John Mackinder auf: „Wer über Osteuropa herrscht, beherrscht das Herzland. Wer über das Herzland herrscht, beherrscht die Weltinsel. Wer über die Weltinsel herrscht, beherrscht die Welt“. Der Weg der Weltherrschaft ist damit unmissverständlich klargestellt: Zuerst Osteuropa, dann Europa bis zum Ural, dann ganz Eurasien und dann die ganze Welt. Und für Diejenigen, die die zentrale Rolle der Ukraine dabei nicht begreifen wollen, fügt er auf S. 128 sogar noch eine Karte bei.

Für die neuen NATO-Versteher heißt das aber alles nichts, obwohl schon hunderte Male auf das Buch von Brzeziński warnend hingewiesen wurde. Unter der Überschrift „Schnee von gestern“ nivellieren sie das mit  Bemerkungen wie „Ja, das hat es auch gegeben, schon lange her; Brzeziński ist schon lange tot, und das hat alles heute keine Bedeutung mehr.“

Doch: Brzeziński war von 1977 bis 1980 der Sicherheitsberater von USA-Präsident Carter und damit der faktisch zweite Mann in der Washingtoner Administration. Aber noch viel mehr: Er war über Jahrzehnte der außenpolitische Vordenker der USA mit einem überhaupt nicht zu überschätzenden Einfluss auf die „große Strategie“ der NATO-Vormacht, der bis heute und noch lange nachwirkt.

Wer seine für Washington nach wie vor wegweisenden Thesen kleinredet, begeht denselben tödlichen Fehler wie Teile der sowjetischen Führung vor dem 22. Juni 1941. Oder er sucht krampfhaft danach, seine einmal aufgestellten falschen Behauptungen zum NATO-Ukraine-Russland-Krieg noch irgendwie aufrechtzuerhalten. Obwohl bis heute alles genau nach dem Fahrplan von Brzeziński abläuft – man lese das Buch, das heute wegen seiner Aussagekraft bei ebay für bis zu 300 Euro angeboten wird, und vergleiche! Auch in Moskau kann man lesen. Wie kann man davor so leichtfertig die Augen verschließen!? Die Beschwichtiger ignorieren genauso die streng geheime und bis heute vom NATO-Archiv nur höchst ungern herausgegebene knapp 90-seitige so genannte Ost-West-Studie, die der NATO-Ministerrat im Mai 1978 annahm. Berechnet auf 15 Jahre stellte sie nichts anderes dar als den Schlachtplan zum Sieg über den realsozialistischen Gegner. Schon vor ihrer Verabschiedung lag sie der Verwaltung Aufklärung des MfS vor, und diese insistierte auf das Dringendste darauf, dass die politischen Führungen im „Ostblock“ daraus die notwendigen Schlussfolgerungen ziehen sollten. Das unterblieb in sträflicher Ignoranz; die Folgen sind bekannt.

Die Zielrichtung der NATO nach dem Kalten Krieg war (und ist) also klar: Koste es was es wolle, Russland als Großmacht für immer auszuschalten und umfassenden Zugriff auf dessen Ressourcen zu bekommen.

Und Russland? Präsident Putin entwarf dazu im September 2001 vor dem Bundestag faktisch ein umfassendes Friedensprogramm für ein Gesamt-Sicherheitssystem von Lissabon bis Wladiwostok. Allerdings auch mit dem Zusatz: Die desaströsen Jelzin-Jahre sind vorbei, und Russland beansprucht seinen gerechten Platz in der Weltarena. Stehende Ovationen im Bundestag. Da war die erste Erweiterungsrunde des Nordatlantikblocks in Richtung Osten allerdings bereits gelaufen. Entgegen allen Zusicherungen des Westens, auf solche Osterweiterungen zu verzichten. Ein Bruch von Treu und Glauben sondergleichen, mögen seine Protagonisten diese Zusicherungen bestreiten, solange sie wollen. Vier weitere sollten folgen, und eine fünfte steht mit Finnland und Schweden an: Das Programm Russlands wurde mit Konfrontation und NATO-Hochrüstung, mit der gänzlichen Missachtung russischer Sicherheitsinteressen beantwortet.

Dies ist kein Vorgang unter der Überschrift: „Ja, ja, das hat es auch gegeben, aber das ist doch nicht so wichtig…“ Überragend ist, und darin in Kombination mit dem völkerrechtswidrigen (Eingeständnis selbst eines der Kriegsherrn, Bundeskanzler Schröder) Überfall der NATO auf Jugoslawien 1999 mit seinen bis zu 200000 Toten, besteht die tatsächliche Zeitenwende, von der Kanzler Scholz am 27. Februar 2022 sprach: Es wurde für Russland eine völlig neue, existenzgefährdende Bedrohungssituation geschaffen. Und dies unter Einbeziehung von Regimes, die sich extrem russophob gebärden wie in den baltischen Staaten und in Polen. Dort knüpft man unverhohlen an den Kurs der nicht nur sowjet-, sondern auch russlandfeindlichen, halbfaschistischen (mit einer gewissen Ausnahme bei Estland) Regimes der Zwischenkriegszeit an, was auch auf Finnland zutrifft.

Einschub 1: Ein Militärbündnis kann die Aufnahme von Mitgliedern ablehnen, wenn es im Interesse des Friedens und der Sicherheit in Europa und der Welt geboten ist. Das war es. Doch man wollte, im gänzlichen Widerspruch dazu, das weitere militärische Heranrücken an die Grenzen des gemeinsamen Hauptfeindes, man wollte die weitere Verschiebung des Kräfteverhältnisses, um Russland zu erdrücken, man wollte auch die unverhüllte Provokation.

Einschub 2: Es heißt, die Bevölkerung der Neumitglieder habe die NATO-Aufnahme gewollt. Das stimmt. Doch bei Wahlen in Deutschland stimmen auch 95 Prozent der Menschen für die imperialistischen Kriegsparteien und nur 5 Prozent für DIE LINKE, obwohl das die (noch) beste aller Alternativen ist.

Im Februar 2007 sah sich Putin in München noch einmal nachdrücklich gezwungen, davor zu warnen, auf Kosten Russlands und der meisten anderen Staaten der Erde eine unipolare Weltordnung des Westens unter Führung der USA zu errichten. Man sei „heute an einem Grenzpunkt angelangt, an dem wir ernsthaft über die gesamte Architektur der globalen Sicherheit nachdenken sollten.“ Da war die zweite Runde der absprachewidrigen Osterweiterung des Nordatlantikblocks bereits gelaufen; die dritte stand bevor.

Einschub 3: Heute hört man allenthalben, man habe sich in Putin getäuscht, sei von ihm getäuscht worden, außerdem sei er nicht mehr derselbe wie in den „Nullerjahren“. Das erinnert in augenfälliger Weise an den Umgang mit der „Stalinnote“ vom März 1952 für ein neutrales Gesamtdeutschland nach dem Vorbild der Weimarer Republik bzw. dann Österreichs ab 1955. Um die eigene rigorose Ablehnung des damaligen sowjetischen Vorschlags zu rechtfertigen, weil man lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb und Westdeutschland zudem als einen hochgerüsteten Rammbock gegen den Osten wollte,
statt auf die sowjetische Initiative konstruktiv zu reagieren, statt die Probe aufs Exempel zu machen, erfand man das Konstrukt, Stalin habe es mit seinem Vorstoß gar nicht ernst gemeint. Und heute, um zu verdecken, dass einem die ganze russische Richtung nicht passt(e), statt Putin 2001 und 2007 beim Wort zu nehmen, muss eben die Mär von der Täuschung herhalten. Auf DER LINKEN Seite macht man mit.

Es ist wie im Sport: Wird der Aufschlag falsch gemacht – in der Politik häufig aus fehlender Analysefähigkeit oder/und Opportunismus – gerät man in eine negative Kausalkette, aus der es ohne Bruch kein Entrinnen gibt. Die einmal eingeschlagene „Logik“ führt gewöhnlich immer tiefer in den Sumpf. Und dieser grundfalsche Aufschlag war, die Rückkehr der Krim nach Russland als „Annexion“ zu brandmarken und bis jetzt stur daran festzuhalten.

Seit Katharina II. 1783 und dem Vertrag von Iași 1792 ist die Halbinsel „von nun an und für alle Zeiten“ als russisch deklariert. Auf Initiative von Parteichef Chruschtschow (selbst Ukrainer) pro forma 1954 in die Ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert, spaltete sie sich 2014 von der Ukraine ab, nicht zuletzt auch, um die Krim dem Zugriff der nationalistischen Kiewer Putschisten zu entziehen. Das alles bestätigt mit einem Votum von 96,77 Prozent durch eine Volksabstimmung. Auch wenn – was lange nicht bewiesen ist – dieses Ergebnis geschönt worden sein sollte: An einer überwältigenden Zustimmung zugunsten Russlands kann es nicht den geringsten Zweifel geben. Hinzu kommt: Eine Annexion beruht auf militärischer Gewalt. Eine solche hat es auf der Krim nie gegeben. Die viel zitierten „grünen Männchen“ waren vor allem russische Marinesoldaten, die aufgrund eines zwischenstaatlichen Vertrages mit der Ukraine vom Mai 1997 auf der von den russischen Seestreitkräften genutzten Marinebasis Sewastopol, völkerrechtlich völlig unangreifbar, auf der Krim stationiert waren. Sie haben keine Waffengewalt angewendet. Dies allein schon verbietet es, von einer Annexion zu reden.

Hinzu kommt ein wesentliches Faktum: Alle Staaten, erst recht Großmächte, lassen es unbeschadet von Rechtslagen nicht zu, dass ihre tatsächlichen oder vermeintlichen unmittelbaren Sicherheitsinteressen massiv bedroht werden. Kuba hätte längst die Legitimation, den USA-Stützpunkt Guantánamo wieder in Besitz zu nehmen, weil Pachtverträge in aller Regel nur 99 Jahre gelten (was 2002 der Fall war) und vor allem, weil solche Verträge laut Artikel 60 der Wiener Konvention über das Vertragsrecht bei schwerwiegenden Verstößen gegen seine Bestimmungen nichtig sind, was das spätestens durch das gegen jedes Recht verstoßende
Gefangenenlager gegeben ist. Gibraltar ist britische Kolonie, und Kolonien sind nach internationalem Recht aufzulösen, Gibraltar ist also an Spanien zurückzugeben. Nichts dergleichen geschieht. Ähnlich bei den Falklandinseln (Islas Malvinas). Die versuchte Rückführung nach Argentinien, zu dem die Islas Malvinas völkerrechtlich gehören, mit einer militärischen Invasion beantwortete die Kolonialmacht Großbritannien 1982 mit dem Sieg im Falklandkrieg. Das gravierendste Beispiel jedoch war, dass die Stationierung von Nuklearraketen der UdSSR auf Kuba 1962 den USA das Risiko eines alles vernichtenden Kernwaffenkrieges wert war.
Diese Stationierung war völkerrechtlich nicht zu kritisieren, erst recht nicht, weil damit die Vorrüstung der NATO mit nuklearen Mittelstreckenraketen in Großbritannien, Italien und der Türkei 1957 ausgeglichen werden sollte. Formal völkerrechtswidrig war hingegen die Seeblockade der USA in der Kubakrise.

Sewastopol auf der Krim war immer der wichtigste russische Seekriegshafen am Schwarzen Meer. Er beherbergt die Hauptkräfte einer der fünf operativ-strategischen Gruppierungen der russischen Seekriegsflotte. Sein Verlust stand auf der Tagesordnung, als in Kiew 2013/14 mit dem Maidan-Putsch die extrem nationalistischen Kräfte die Oberhand gewannen und die Verwandlung Sewastopols in einen riesigen Marinestützpunkt der NATO drohte. Dies hätte bedeutet, dass, nachdem Bulgarien und Rumänien mit ihren Seestreitkräften und Marinebasen bereits an den Nordatlantikblock verloren gegangen waren, das Schwarze Meer zum mare nostrum der NATO geworden wäre. Das konnte die Groß- und Seemacht Russland, auch im Sinne des Weltfriedens, unter keinen Umständen zulassen. Sie sah sich in einer ähnlichen existenzbedrohenden Zwangssituation wie die USA 1962.

Nach dem Maidan-Putsch 2013/14, dessen blutigen Ausgang sich die Nationalisten in Kiew (wohl aus verständlichen Gründen) weigern, vollständig aufzuklären, gegen einen auch nach OSZE-Einschätzung demokratisch gewählten Präsidenten spalteten sich die Gebiete Donezk und Lugansk vom ukrainischen Staatsverband ab. Deren russischsprachige Bevölkerung sah sich vor allem in ihren Rechten auf Autonomie und den Gebrauch ihrer Muttersprache massiv behindert. Im Jahre 2014 gründeten sich daraufhin im Donbass zwei so genannte Volksrepubliken. Von Anfang an reagierte die nationalistische Führung in Kiew mit militärischer Gewalt. Es ist mit allem Nachdruck festzuhalten: Damit, und dies hat erstrangige Bedeutung für die Beurteilung der Ereignisse in der Ukraine – und nicht erst mit dem 24. Februar 2022 – begann der Krieg gegen ethnische Russen, der bis heute anhält.

Um den Konflikt zu beenden, wurden 2014/15 ein Protokoll bzw. dann ein völkerrechtlich verbindlicher Vertrag, genannt Minsk I und II, geschlossen. Danach sollten die Gewalt beendet und die Rechte der Menschen im Donbass vor allem in Richtung Autonomie und russische Sprache gewährleistet werden. Ergebnis: Mit Rückendeckung des Westens sabotierten die Nationalisten in Kiew die Vereinbarungen und führten ihren brutalen Krieg weiter. Er kostete bisher etwa 15000 Tote und über 30000 Verletzte.

Wie bei jedem Krieg müssen die Absichten beider Seiten untersucht werden. Ist es tatsächlich die Absicht der russischen Führung, das russische Imperium oder die Sowjetunion wiederherzustellen? Oder ist es das Ziel Moskaus, nicht zuzulassen, dass der aggressive (siehe die Kolonialkriege der NATO-Hauptmächte, Korea, Vietnam, Grenada, Jugoslawien, die Feldzüge in Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen) Nordatlantikblock mit der Ukraine den entscheidenden Staat in sein System einbezieht, mit dem letztlich Russland zerschlagen, mindestens jedoch ein Regimewechsel zugunsten von Marionetten nach dem Vorbild Jelzins erreicht werden kann?

Letzteres ist ganz ohne Zweifel der Fall. Die ukrainischen Nationalisten mit Unterstützung der von ihnen gezüchteten Faschisten wollen den Beitritt zum Nordatlantikblock (und auch zur Europäischen Union), das Ziel wurde von ihnen 2019 sogar in den Verfassungsrang erhoben. Es habe gar nicht auf der Tagesordnung gestanden, behaupten heute einstimmig die NATO und die neuen NATO-Versteher bis hin zu DEN LINKEN.

Eine Schutzbehauptung sondergleichen: Im Nordatlantikblock gibt es eine Regelung, wonach Neumitglieder nicht aufgenommen werden dürfen, die sich in militärischen Konflikten befinden. Die Angst vor der  Selbstvernichtung in einem Nuklearkrieg ist viel zu mächtig. Und die ukrainischen Machthaber führen, auch mit faschistischen Bataillonen, seit 2014 einen barbarischen Krieg im Donbass.

Stattdessen wird der Spieß umgedreht: Russland sei eine imperialistische Macht und betreibe eine aggressiv-militaristische imperialistische Machtpolitik, aktuell in der Ukraine. Abgesehen davon, dass die neuen NATO-Versteher gerade krank waren, als die Leninsche Imperialismustheorie auf dem Lehrplan stand: Ihre Vorwürfe gehen an ein Land, das vor gut einem Dritteljahrhundert ein Weltreich verloren hat. Und das jetzt nur noch bestrebt ist, das Schlimmste, nämlich den Verlust der eigenen selbstbestimmten Existenz, zu verhindern. Und die neuen NATO-Versteher verlieren kein Wort, von wo der eigentliche Imperialismus mit Krieg und Gewalt ausgeht – von der imperialistisch-militaristischen NATO; die ungezählten blutigen Beispiele müssen nicht nochmals aufgezählt werden.

Ja, aber Russland sei doch ein Land des Kapitalismus, und der trage den Krieg in sich wie die Wolken den Regen. Geschenkt, dass die neuen NATO-Versteher diese Richtigkeit nicht auf die Mitglieder des Nordatlantikblocks anwenden: Sie ignorieren die fundamentale Erkenntnis der marxistischen Friedensforschung aus den 80er Jahren, dass auch kapitalistische Staaten legitime Sicherheitsinteressen haben können. Und genau die hat Russland, und genau die werden vom Westen seit über 30 Jahren ebenso skrupellos wie existenzbedrohend verletzt.

Nein, die neuen NATO-Versteher verfahren nach dem Grundsatz: „Russischer Imperialismus – das ist doch klar, das ist einfach so! Außerdem weiß das doch wirklich Jede/r, und es stand ja auch in der Zeitung“.

Genauso gehen die neuen NATO-Versteher an den Charakter des Krieges in der Ukraine heran. Es hagelt nur so von Verbalinjurien wie „Überfall“ und „Angriffskrieg“. Dazu noch versehen mit den Adjektiven wie „brutal“ und „völkerrechtswidrig“.

„Überfall“ und „Angriffskrieg“ sind keine völkerrechtlichen Kategorien, allen- und bestenfalls Beschreibungen, tatsächlich lediglich Propaganda.

Was aber existiert, ist die Definition von „Aggression“. Sie findet sich in der – damals von den sozialistischen Ländern initiierten – UNO-Resolution 3314 vom 14. Dezember 1974. Nichts von ihr trifft auf die militärischen Maßnahmen Russlands und seiner Verbündeten der beiden Volksrepubliken zu. Jedenfalls wenn man der nachfolgenden völlig logischen Argumentation folgt und sich nicht die NATO-Verdrehungen zu eigen macht. Ganz im Unterschied zur NATO-Aggression gegen Jugoslawien 1999.

Warum?

2014 also gründeten sich die beiden „Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk. Separationen sind zwar völkerrechtlich umstritten, bei Diskriminierungen von Volksgruppen wie bei den Russen in den genannten Gebieten aber nicht zu beanstanden. Es darf keine unterschiedlichen Maßstäbe geben, wenn es z.B. um Nordirland, Schottland oder Katalonien einerseits und die „Volksrepubliken“ andererseits geht. Diese Republiken waren also Völkerrechtssubjekte geworden. Und sie konnten mithin anerkannt werden. Genau dies tat Russland am 21. Februar 2022. Völlig im Einklang mit dem Völkerrecht. Das Ergebnis von Seiten des Westens war nicht nur ein Sturm der Entrüstung, sondern eine Verschärfung des schon seit Jahren befeuerten ökonomischen Feldzuges gegen Russland mit einem nun ersten komplexen Sanktionspaket. Fünf weitere sollten folgen. Bundesaußenministerin Baerbock verkündete, Russland und besonders seine Wirtschaft sollen ruiniert werden – wir haben es tatsächlich mit einem bisher nie gekannten, fast totalen WirtschaftsKRIEG zu tun (einem solchen hatten die Westmächte nicht einmal Hitlerdeutschland ausgesetzt).

Die Entrüstung kam genau von jenen, die die Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien begrüßten. Obwohl hier die Sachlage völkerrechtlich ganz anders war: Der Vertrag von Rambouillet vom Februar 1999 sah eine weitgehende Selbstverwaltung des Kosovo, aber bei Verbleib im jugoslawischen Staatsverband vor. Erst später sollte endgültig über den Status des Kosovo entschieden werden. Durch die NATO-Aggression 1999 kam es dazu nicht. Die dann völkerrechtswidrige Abspaltung des Kosovo von Jugoslawien unter Bruch eines international gültigen Vertrages wurde also vom Westen nicht nur akzeptiert – sie wurde von ihm befördert, und der Kosovo wurde ökonomisch und militärisch hochgepäppelt. Mehr noch: Als Basis für die NATO-Beherrschung Südosteuropas hergerichtet. Und das war das eigentliche Ziel des Nordatlantikblocks in dieser Region. Der Zweck heiligte für ihn die Mittel.

Wenn aber Völkerrechtssubjekte wie die „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk existieren, dann besitzen sie auch unbestritten das Recht, Verträge mit anderen Staaten abzuschließen.

Genau das taten sie mit dem Partner Russland mit den bilateralen Verträgen über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigem Beistand vom 21. Februar 2022. Nunmehr konnte Russland auf völkerrechtlich einwandfreier Grundlage nach dem Grundsatz des Rechts auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gemäß Artikel 51 der UNO-Charta die beiden „Volksrepubliken“ bei der Abwehr des seit 2014 von der Ukraine geführten Krieges auch militärisch unterstützen. Das ist die entscheidende Grundlage dafür, dass eine Völkerrechtswidrigkeit des Krieges Russlands und der militärischen Verbände der „Volksrepubliken“ in der
Ukraine nicht behauptet werden kann, so oft es die Propagandamaschinerie des Nordatlantikblocks und seiner neuen Versteher auch wiederholen mag.

Zweifellos deckt dies aber noch nicht alles ab. Im Donbass hatte die ukrainische Führung vor dem Beginn des Krieges am 24. Februar 2022 die Masse ihrer kampfkräftigsten Streitkräfte konzentriert, bis dahin schon modern hochgerüstet durch den Westen. Moskau und die „Volksrepubliken“ befürchteten – nachvollziehbar, vor allem weil Kiew seine Rückeroberungsabsichten immer aufs Neue wiederholt hatte und bestätigt durch die heute lauthals verkündeten Kriegsziele der vollständigen „Befreiung“ der ganzen Ukraine mit Donbass und Krim – einen unmittelbar bevorstehenden massiven Überfall. Die Zukunft wird erweisen, ob tatsächlich die auch von Präsident Putin am 9. Mai 2022 behaupteten Planungen Kiews für einen solchen massiven Militärschlag gegen den Donbass und die Krim Ende Februar/Anfang März 2002 nachweisbar werden. Nachweisbar waren aber schon vor Kriegsbeginn der energische Ausbau der militärischen Infrastruktur in der Ukraine, umfangreiche Lieferungen modernster militärischer Ausrüstung des Westens an Kiew und die Arbeit westlicher Hunderter
Militärberater und Ausbilder im Land. Zudem hatte der ukrainische Präsident Selenski in seiner Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 19. Februar 2022 die Erwägung vorgestellt, sein Land könne sich mit Nuklearwaffen aufrüsten.

Dies aber alles vor Augen und dazu auch noch der über kurz oder lang drohende NATO-Beitritt der Ukraine mit einem riesigen Militäraufmarsch des Nordatlantikblocks vor der russischen Haustür: Für Moskau drohte eine Neuauflage des 22. Juni 1941.

Mit allem Nachdruck sei gesagt: Niemand sollte auch nur in Ansätzen das mit diesem Datum des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion verbundene Trauma unterschätzen. Denn am Ende standen für die UdSSR 27 Millionen Kriegstote, Millionen von Kriegsversehrten und ein kriegszerstörtes Land. Im Gegenteil: Nie mehr zuzulassen, dass sich ein 22. Juni 1941 wiederholt, ist die Nummer 1 der russischen Staatsdoktrin. Die faschistische Wehrmacht wäre nie bis kurz vor Moskau vorgedrungen, dass Land hätte Millionen von Opfern weniger betrauern müssen, hätte die UdSSR nicht noch bis Stunden vor dem Überfall dem Aggressor Getreide und vieles Andere geliefert, sondern hätte die Rote Armee mit ihren grenznahen Artillerie- und Fliegergruppierungen die Aufmarschräume der Wehrmacht massiv angegriffen. So wie sie es im Juli 1943 in der Schlacht im Kursker Bogen getan hat, die dann die Wende im Großen Vaterländischen Krieg vollendete. Allerdings hätten wir uns heute mit der Präventivkriegslüge herumzuschlagen. Etwa so, wie die neue NATO-Versteher teils gedankenlos, teils mit voller Absicht von einer brutalen russischen Aggression in der Ukraine daherkommen. Nicht immer ist der, der (vermeintlich, denn der Krieg in der Ukraine lief seit 2014) den ersten Schuss abgibt, der Aggressor. Diese Erkenntnis der Militärgeschichte ist auch durch die neuen NATO-Versteher erlernbar.

Für die Frage, wie man zum Krieg Russlands in der Ukraine steht, hängt in der Konsequenz von der Reaktion auf folgende Fragen ab, die Jede/r für sich beantworten muss:

1. Hat die Führung in der Ukraine mit tatkräftiger Schützenhilfe der NATO die völkerrechtlich verbindlichen Abkommen (Resolution der UNO 2202 von 2015) Minsk l und Minsk II von 2014 und 2015 nicht       
umgesetzt, sondern bewusst hintertrieben und damit eine entscheidende Quelle für den Konflikt gelegt, ja oder nein?
2. Gab es unmittelbare Kriegsvorbereitungen der Ukraine gegen die Gebiete Lugansk und Donezk mit einer von der NATO hochgerüsteten 200 000-Mann-Armee mit voraussichtlichem Beginn des Überfalls im Februar/März 2022, ja oder nein?
3. Stellte die OSZE-Überwachung ab 12. Februar 2022 eine erhebliche Zunahme der Angriffe des ukrainischen Militärs im Donbass fest, ja oder nein?
4. Erkennt man darauf, dass es die strategische Absicht der NATO und insbesondere der USA gibt, Russland als Großmacht auszuschalten, niederzuringen, zu unterwerfen und sich der Reichtümer dieses großen Landes zu bemächtigen, ja oder nein? Und zwar solange es noch Zeit ist und nicht erst vielleicht in zehn Jahren, wenn das Land möglicherweise wirtschaftlich auf die Füße gekommen ist, ja oder nein?
5. Erkennt man darauf, dass der Ukraine, deren NATO-Beitritt so oder so, kurzfristig oder mittelfristig, auf der Tagesordnung stand, bei all dem eine Schlüsselrolle zukommt, ja oder nein?
6. Erkennt man darauf, dass Moskau offenbar der Auffassung ist, dass mit der NATO-Aufnahme der Ukraine Russland ein neuer 22. Juni 1941 droht, ja oder nein?
7. Erkennt man darauf, dass die Nr. 1 der russischen Staatsdoktrin, einen solchen 22. Juni 1941 niemals mehr zuzulassen, durch den aggressiven Kurs von NATO und EU direkt und massiv bedroht ist, ja oder nein?

Entscheidend für die NATO, die Kiewer Führung den Krieg im eigenen Land so lange wie möglich führen zu lassen, sind aber noch andere Faktoren: Für Russland geht es in diesem Krieg um seine nationale Sicherheit, für die NATO um die maximale Schwächung des Landes. Mit aller Kraft versucht der Nordatlantikblock außerdem, eine weitere Annäherung zwischen Russland und China zu hintertreiben, damit

a) kein sino-russischer Block als überhaupt einzig denkbares Gegengewicht zum Weltmachtanspruch des Westens entsteht;
b) das Projekt Pekings der „neuen Seidenstraße“ durch die machtpolitische Ausschaltung Russlands möglichst ins Leere läuft.

Insoweit erleben wir in der Tat eine „Zeitenwende“: Es ist der letztmögliche Versuch der „alten Welt“ unter Führung der sich ökonomisch und gesellschaftlich im Niedergang befindlichen USA, doch noch den Aufstieg der Dominanz anstrebenden Weltmacht China mit seinem kollektivistischen Gesellschaftsmodell (zunächst) für die eurasische Landmasse zu verhindern. Dazu braucht Peking Russland – ökonomisch, militärisch und politisch (nicht zuletzt als Vetomacht im Sicherheitsrat der UNO). Westeuropa hatte zwischen diesen Polen eine Wahl zu treffen: Mit den USA die „alte Welt“ vielleicht noch zu retten oder sich für einen Ausgleich mit dem chinesisch-russisch geprägten Eurasien zu entscheiden. Die Entscheidung ist für die „alte Welt“ und den Krieg gefallen.

Um diese Entscheidung, für die Niederringung Russlands alles auf eine Karte zu setzen, zu rechtfertigen, werden die Töne immer schriller, auch von Seiten der neuen NATO-Versteher. Diese Kriegshetze erinnert – ohne Übertreibung – in ihren manchmal schon faschistoiden Anklängen an die schlimmsten Zeiten der deutschen Geschichte. „Tote Russen werden die ukrainische Erde düngen.“ „Der russische Bär wird erschlagen werden.“ „In den Gebieten Charkow, Lugansk und Donezk muss das Wort ‚Russen‘ vergessen werden.“ „Russen darf es dort physisch nicht mehr geben.“ Eine sich überschlagende Rhetorik ist aber zumeist lediglich Ausweis des Bewusstseins, im Unrecht zu sein. Es wird außerdem nicht davor zurückgeschreckt, offen Verfassungsbruch zu begehen: Artikel 5 Grundgesetz sichert die Meinungsund Pressefreiheit, und zwar mit dem Zusatz „Eine Zensur findet nicht statt.“ Von einer Nicht-Zensur deutscher Medien steht dort nichts. Insofern ist das Verbot russischer Massenmedien in Deutschland ein Verstoß gegen unsere Verfassung – hingenommen im Übrigen
auch von den neuen NATO-Verstehern. Bei alledem haben wir es (nicht nur) in Deutschland mit einer Gleichschaltung der Medien zu tun, die in den zurückliegenden 77 Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte. Skrupellos wird mit allen probaten Mitteln der Meinungsmanipulation gehandelt: Unterschlagen unbequemer Tatsachen (Terror des ukrainischen Militärs gegen die Zivilbevölkerung und ukrainische Kriegsverbrechen, Faschisten und Nationalisten in der Ukraine, Fördern einer Erinnerungskultur zugunsten von Massenmördern an Juden, Russen und Ukrainern im Zweiten Weltkrieg wie Bandera z.B. mit Hunderten von Denkmälern und Straßen(um)benennungen, bei gleichzeitigem Auslöschen der tatsächlichen Kämpfer gegen die Nazifaschisten wie Marschall Shukow oder die hingerichtete Partisanin Soja Kosmodemjanskaja, deren Denkmäler man schleift, maßlose Kulturbarbarei gegen alle Russische, darunter auch die russische Klassik), Ausgeben von Unbewiesenem als Fakten (Massaker von Butscha, Kramatorsk), Anlegen unterschiedlicher Maßstäbe an Vergleichbares (zivile Opfer eines jeden Krieges, die jedoch entgegen aller Beweismöglichkeiten nur Russland angelastet werden), Personifizierung von Politik mit anschließender Dämonisierung von Politikern („Putins Krieg“), Schüren von Kriegshysterie („Putin will nach der Ukraine noch andere Länder ‚überfallen‘“ und Atomwaffen einsetzen), eine nicht mehr zu steigernde Wortwahl („Putin führt einen Vernichtungskrieg“ [wenn Russland einen solch barbarischen Krieg wie die NATO in Jugoslawien 1999 führen würde, wäre der Krieg sicher schon längst entschieden – L.S.])…

Den NATO-Ukraine-Russland-Krieg wollten seine eigentlichen Verursacher im Westen aber noch in manch anderer Weise nutzen. Er war und ist ihnen beste Gelegenheit, ihre gewaltige Kriegsniederlage in Afghanistan vergessen zu machen. Eine Viertelmillion Tote, nach Millionen zählende Flüchtlinge, 2,3 Billionen Dollar Kriegskosten, Not und Elend und Hungersnot sind die Bilanz dieses jedem Völkerrecht Hohn sprechenden NATO-Krieges. Ein Krieg übrigens unter Bruch des eigenen, nämlich des Nordatlantikvertrages vom 4. April 1949, der in Artikel 6 das Handlungsgebiet der NATO ausdrücklich auf die Territorien der Mitgliedsländer, nach Süden begrenzt durch den Wendekreis des Krebses. Ähnliches könnte für die Kriege gegen den Irak, Syrien, Libyen und den vorbereiteten Krieg gegen den Iran herausgearbeitet werden. Das schmerzt die nordatlantischen Bellizisten aber nicht. Sie wollten vor allem das eigene katastrophale militärische Desaster übertünchen, und da kam ihnen der Ukrainekonflikt gerade recht.

Zupass kam ihnen der Konflikt außerdem, um Finnland und Schweden nun auch formal in den Nordatlantikblock aufzunehmen und deren jahrhunderte- bzw. jahrzehntelange, dem Weltfrieden dienende Neutralitäts- zugunsten einer Konfrontationspolitik gegenüber Russland zu überwinden. Eine maßlose russophobe Propaganda war der erfolgreiche Hebel dafür. Außerdem konnte man den anstehenden NATO-Beitritt der beiden Länder massenwirksam schon als ersten Sieg über Russland verkaufen: Der NATO-Beitritt wäre nicht geschehen, würde es den russischen Krieg in der Ukraine nicht geben. Eine glatte Propagandaente. Denn tatsächlich waren Schweden und Finnland de facto schon bisher in die Strukturen des Nordatlantikpaktes mit klaren Aufgaben für den Kriegsfall eingebunden. Und die NATO-Freunde in Stockholm und Helsinki wussten schon immer: „Wer nicht drin ist, ist draußen“. Mit all den negativen politischen und ökonomischen Konsequenzen; an eine Bedrohung aus dem Osten glauben sie selbst allenfalls infolge einer Selbstsuggestion. Dasselbe trifft zu für all jene Staaten, die seit 1999 der NATO beigetreten sind. Teils getrieben von einem kaum noch zu steigernden Russland-Hass wie bei den baltischen Staaten und Polen, teils eben „um drin“ zu sein im Westen mit all den vermeintlich winkenden politischen und ökonomischen Vorteilen, kann von echter Freiwilligkeit kaum die Rede sein.

Wobei die aggressivsten Kreise des Nordatlantikblocks zugleich ein nicht zu unterschätzendes Risiko eingehen – um des kurzfristigen Vorteils einer massiven Konfrontation gegen Russland: Es besteht die große Gefahr einer Überdehnung, dass man bei dem geltenden Einstimmigkeitsprinzip nicht mehr alle unter einen Hut bekommt, dass also ernstzunehmende zentrifugale Tendenzen im Block ihn selbst auseinanderreißen könnten. Dasselbe trifft für die EU zu, wo dieses Auseinanderdriften bereits existenzbedrohende Erscheinungen zeitigt. Nicht auszudenken, was passiert, wenn tatsächlich ein sino-russischer Block mit höchst erfolgreicher ökonomischer und gesellschaftlicher Vorbildwirkung entstünde.

In ihrem aggressiven Kurs gegenüber Russland gehen die NATO-Verbündeten noch ein anderes, für sie höchst gefährliches Risiko ein: Die explosionsartig hochgetriebenen Militärausgaben verhindern nicht nur die dringendst notwendigen Maßnahmen zur Klimarettung. Vor allem führen sie zu kaum noch beherrschbaren ökonomischen Verwerfungen und verschärfen die schon jetzt tiefe soziale Spaltung ihrer Gesellschaften. Ausgang offen. Anfang der 50er Jahre war man in der NATO bedächtiger: Nachdem der Block eine enorme Überlegenheit bei den Nuklearwaffen errüstet hatte, wollte er nun auch auf konventionellem Gebiet mit der UdSSR und ihren Verbündeten mindestens gleichziehen. Das galt als Voraussetzung für die im Dezember 1950 angenommene Vorwärtsstrategie. Auf seiner Lissabonner Tagung 1952 beschloss der NATO-Ministerrat ein entsprechendes Hochrüstungsprogramm. Zusammen mit anderen Entwicklungen und unter Rückgriff auf vorausgegangene Untersuchungen nahm das NATO-Führungsgremium schon auf seiner Tagung im April 1953 eine Kehrtwende vor: Es war erkannt worden, dass bei Verwirklichung von Lissabon die Wirtschafts- und Sozialsysteme überfordert zu werden drohten mit der Gefahr einer offenen Systemkrise. Heute scheint man von solchen Einsichten weiter entfernt denn je.

Übrigens zögern einige EU-Staaten wie Frankreich nicht nur aus diesem Grund mit einer raschen EU-Mitgliedschaft der Ukraine. Sie stellen sich vielmehr die Frage: Was passiert eigentlich mit einem EU-Mitglied Ukraine? Bei einem schon jetzt erforderlichen Finanzbedarf von 5 bis 7 Milliarden Dollar monatlich wird das ein Fass ohne Boden. Und noch schlimmer bei einem russlandfreundlichen Regimewechsel in Kiew: Nach den geltenden Verträgen kann ein Mitglied aus der EU nicht ausgeschlossen, allenfalls sanktioniert werden.

Dem aggressiven Kurs der NATO unter Führung der USA und ihrer ukrainischen Verbündeten gegenüber Russland verweigern sich Regierungen, die mehr als die Hälfte der Weltbevölkelrung vertreten. 65 Staaten der Welt beteiligen sich am Sanktionsregime gegen Russland, 130 aber nicht, darunter China, Indien, Brasilien, Mexiko und Indonesien. Das übersehen auch gern die neuen NATO-Versteher bzw. beantworten dies mit dem Hinweis: „Alle von Moskau abhängig.“ Die Frage, ob die der NATO folgsamen Regierungen für ihre Zustimmung zur Politik des Blockes nicht umgekehrt aus politischer und ökonomischer Abhängigkeit vom Westen
handeln, werfen die neuen NATO-Versteher lieber erst gar nicht auf. Und die sich links verortenden von ihnen interessiert es erst recht nicht, wie in China, in Kuba, bei ähnlich gesinnten Parteien wie SYRIZA in Griechenland oder beim brasilianischen Präsidentschaftskandidaten Luiz Inácio Lula da Silva gedacht wird. Zudem beantworten sie niemals die Frage, warum sie heute im NATO-Ukraine-Krieg einem Militärblock glauben und ihm möglichst alle glauben sollen, dessen Mitgliedstaaten und er auch als Bündnis die Völker Zeit seiner Existenz mit Krieg und Verderben überzogen hat. Der immer gelogen hat. Zur Rechtfertigung seiner
Gründung 1949 selbst über die Kriege in Korea, Vietnam, die Kolonial- und viele andere Kriege bis hin zu den „Begründungen“ für immer neue Runden der Auf- und Vorrüstung.

https://rotfuchs.net/files/rotfuchs/inhalte/dokumente/Aktuelles/Das%20gro%C3%9Fe%20Spiel.pdf

 

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