02.09.2022

 

Liebe Genossen und Freunde,
hier ein sehr interessanter Beitrag.
Siegfried Eichner

 

 

„Ende der unipolaren Welt“
Die 10. Internationale Moskauer Sicherheitskonferenz und die Nicht-Berichterstattung in Deutschland

 

Ein Artikel von Jürgen Hübschen
29. August 2022 um 11:13

Vom 15. bis 17. August 2022 fand in Moskau die „10. Internationale Moskauer Sicherheitskonferenz“ (MCIS) statt. In Deutschland gab es dazu de facto keine Berichterstattung: Ein einziger Artikel in der Frankfurter Rundschau sowie zwei kurze Agenturmeldungen im NDR und im DLF. Alle anderen Medien ignorierten die Konferenz mit zahlreichen hochrangigen internationalen Teilnehmern und Aufsehen erregenden Aussagen, insbesondere von afrikanischen und asiatischen Verteidigungsministern und Generälen, komplett. Der nachfolgende Artikel gibt zentrale Aussagen auf der MCIS wieder und beschäftigt sich mit den Ursachen für die Nicht-Berichterstattung über ein für die Meinungsbildung der Bundesbürger sehr relevantes Ereignis. Von Jürgen Hübschen.

Vor Beginn der Konferenz hatte der stellvertretende russische Verteidigungsminister, Generaloberst Alexander Fomin, die in Moskau akkreditierten Militärattachés auf die Konferenz hingewiesen und kurz über Inhalt und Ablauf der Konferenz gebrieft:

“Auf der Konferenz sollen die Fragen der strategischen Sicherheitsstabilität im asiatisch-pazifischen Raum, in Afrika, im Nahen Osten, in Lateinamerika und auf dem europäischen Kontinent eingehend erörtert werden.”

Wer nahm an der 10. Internationalen Moskauer Sicherheitskonferenz teil?

Nach offiziellen russischen Angaben nahmen 700 Delegierte aus 70 Ländern teil. Darunter waren 35 Verteidigungsminister, 12 stellvertretende Verteidigungsminister und Repräsentanten von sechs internationalen Organisationen. Die Richtigkeit dieser Aussage konnte nicht überprüft werden. Es wurde keine Teilnehmerliste veröffentlicht, aber aus verschiedenen Quellen konnte man entnehmen, dass mit Sicherheit folgende Länder vertreten waren: Algerien, Äthiopien, Burundi, China, Demokratische Republik Kongo, Guinea, Indien, Irak, Iran, Kambodscha, Kamerun, Mali, Nicaragua, Pakistan, Palästina, Sudan, Südafrika, Syrien, Uganda, Venezuela, Vietnam und Weißrussland.

Es kann angenommen werden, dass auch Vertreter zentralasiatischer Staaten teilgenommen haben, es sei denn, sie fühlten sich durch den Generalsekretär der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO), Zhang Ming, der auf der Konferenz auch eine Rede hielt, repräsentiert. Zur SCO gehören neben Russland: China, Indien, Iran, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan. Beobachterstatus haben: Afghanistan, Mongolei und Weißrussland. Sogenannte Dialogpartner der SCO sind: Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka und die Türkei. Vertreter westlicher europäischer Staaten oder der USA nahmen wohl ebenso wenig teil wie Vertreter der EU, NATO oder UN, sonst hätte Moskau das sicherlich herausgestellt. Es ist auch nicht bekannt, ob weitere Staaten aus Süd- oder Mittelamerika Vertreter geschickt hatten oder noch andere afrikanische Staaten oder Länder der Arabischen Halbinsel an der Konferenz teilgenommen haben.

Warum Moskau von der Veröffentlichung einer Teilnehmerliste Abstand genommen hat, ist nicht bekannt. Ich vermute, dass man darauf verzichtet hat, weil man nicht veröffentlichen wollte, welche Staaten und internationalen Organisationen – im Gegensatz zu den vorherigen Konferenzen – nicht teilgenommen haben.

Ablauf der Konferenz und wesentliche Inhalte einiger Reden und bilateraler Gespräche

Ansprache des russischen Verteidigungsministers

Traditionell wurde die Konferenz vom russischen Verteidigungsminister, Armee-General Sergei Shoigu, eröffnet. Gleich zu Anfang erklärte der Minister, dass der Beginn der „militärischen Spezialoperation“ in der Ukraine das Ende der unipolaren Welt markiere. Realität sei nun eine Multipolarität. Diese Aussage Shoigus kennzeichnete die gesamte Konferenz, auch die nachfolgende Rede des russischen Präsidenten, der per Video zugeschaltet wurde, und ebenfalls der verschiedenen Teilnehmer, entweder in Grußbotschaften oder umfangreicheren Redebeiträgen, auf die im weiteren Verlauf dieses Artikels noch gesondert eingegangen wird. Shoigu bezeichnete die Sicherheitslage in Europa als schlechter als auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Besonders verantwortlich machte er dafür die zusätzlichen Truppenstationierungen der USA und ihrer Verbündeten, die lange vor Beginn der militärischen Spezialoperation in der Ukraine stattgefunden hätten.

Bezogen auf die Ukraine stellte Shoigu grundsätzlich fest, dass es sich letztlich um einen Kreuzzug des Westens gegen Russland handle. Der Minister erklärte diesbezüglich:

“In der Ukraine steht das russische Militär kombinierten westlichen Streitkräften gegenüber, die die (militärische) Führung des Landes in einem hybriden Krieg gegen Russland übernommen haben.”

Russland werde in der Ukraine mit Streitkräften konfrontiert, die vom Westen ausgerüstet, ausgebildet werden und letztlich auch von der NATO geführt würden. Auch die für die ukrainischen Streitkräfte erforderliche Aufklärung werde von der NATO zur Verfügung gestellt. Shoigu dazu:

„Die Operationen der ukrainischen Streitkräfte werden in Washington und London geplant.“

Die Befürchtungen, dass Russland atomare oder chemische Waffen einsetzen könnte, entbehrten nach seiner Aussage jeder Grundlage. In diesem Zusammenhang erinnerte der Minister daran, dass verschiedene zwischen den USA und Russland geschlossene Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle nicht von Russland, sondern von den USA gekündigt worden seien. Konkret benannte er die Zertrümmerung durch die USA des ABM-Vertrages (Vertrag über die Begrenzung von antiballistischen Raketenabwehrsystemen), des INF-Vertrages (Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag) und den OH-Vertrag (Treaty on Open Skies).

Die Begründung der „militärischen Spezialoperation“ für einen NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands hielt Schoigu für vorgeschoben. Im weiteren Verlauf seiner Rede wies er darauf hin, dass die westliche Ablehnung einer multipolaren Ordnung in und für Europa durch die USA jetzt auch in der „Asien-Pazifik-Region“ vorangetrieben würde. Für die zunehmende Instabilität in diesem Raum machte Shoigu den plötzlichen Rückzug der USA aus Afghanistan mitverantwortlich. In Bezug auf Afrika warf der Minister dem Westen „Neo-Kolonialismus“ und den Boykott einer multipolaren Welt vor. Die afrikanischen Länder und ihre Führer wollten „ihre eigene Agenda der Unabhängigkeit, Souveränität, wirtschaftlichen Entwicklung und Verteidigungsfähigkeit”.

Auch im Hinblick auf Südamerika unterstellte Shoigu den USA, ihren Einfluss auszuweiten.

Am Ende seiner Rede bedankte sich Shoigu bei den Gästen dafür, dass sie trotz des Versuchs Washingtons und der NATO, Russland zu isolieren, an der Konferenz teilnehmen:

“Trotz der Versuche der USA und der NATO, Russland erneut zu isolieren, ist Ihre Teilnahme an dem Forum eine sichtbare Bestätigung dafür, dass diese Pläne gescheitert sind. Wir wissen Ihre Unterstützung zu schätzen.”

Ansprache des russischen Präsidenten Wladimir Putin

Im Anschluss an die Rede seines Verteidigungsministers wandte sich der russische Präsident Wladimir Putin per Videoschalte an die Konferenzteilnehmer. Auch Putin begann seine Rede damit, dass die Zeiten einer unipolaren Welt endgültig vorbei seien und meinte damit eine Welt unter der Hegemonie der USA:

“Die Ära der unipolaren Welt gehört der Vergangenheit an.”

Um diese Änderung der Weltordnung zu erreichen, habe Russland seine „militärische Spezialoperation“ in der Ukraine gestartet. Nach seiner Aussage stünde diese Operation nicht im Gegensatz zur Charta der Vereinten Nationen, weil sie der Sicherheit Russlands und seiner Bürger diene und dem Schutz der Einwohner des Donbass vor einem Völkermord. Der russische Präsident erklärte dazu:

“Wir haben die Entscheidung getroffen, eine spezielle militärische Operation in der Ukraine durchzuführen, eine Entscheidung, die in vollem Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen steht. Es wurde klar festgelegt, dass die Ziele dieser Operation darin bestehen, die Sicherheit Russlands und seiner Bürger sicherzustellen und die Bewohner des Donbass vor einem Völkermord zu beschützen.”

Den USA warf Putin vor, überall in Asien, Afrika und Lateinamerika Unruhe zu stiften und die Länder zu destabilisieren. Als jüngstes Beispiel dafür nannte er die Besuche US-amerikanischer Politiker in Taiwan:

“Die Eskapade der USA in Richtung Taiwan ist nicht nur die Reise eines unverantwortlichen Politikers, sondern Teil einer zielgerichteten und bewussten US-Strategie, die darauf abzielt, die Lage zu destabilisieren und Chaos in der Region und der Welt zu stiften.”

Die westlichen „Globalisten“ versuchten, durch ihre außenpolitischen Aktivitäten von ihren innenpolitischen Problemen, wie sinkendem Lebensstandard, Arbeitslosigkeit, Armut und Deindustrialisierung abzulenken und die Schuld dafür auf China und Russland abzuwälzen.

Außerdem versuche der Westen, wie in Europa mit Hilfe der NATO, seine politischen „Block-Vorstellungen“ auf die asiatisch-pazifische Region zu übertragen und „ich wiederhole, die Ära der unipolaren Welt gehört der Vergangenheit an“.

Zum Abschluss seiner Rede folgte eine Feststellung, die vor dem Hintergrund des russischen Krieges in der Ukraine, zumindest aus meiner Sicht, geradezu zynisch klang, als der russische Präsident nämlich betonte, dass der Respekt vor dem Völkerrecht und seinen grundsätzlichen Normen und Prinzipien wiederhergestellt werden müsse:

“Wir müssen die Achtung des internationalen Rechts, seiner grundlegenden Normen und Prinzipien wiederherstellen.“



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