- Aktuelle Seite:
- Start |
- Startseite |
- Aktuelles |
- 75. Jahrestag der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik
02.10.2024
Oberst a.D. Friedemann Munkelt
Wie immer bei Jahrestagen der nicht mehr existenten Republik, lassen die bürgerlichen Massenmedien nichts unversucht, die DDR zu diskreditieren, gemäß des seinerzeitigen Auftrages des damaligen Bundesjustizministers Kinkel, die DDR zu delegitimieren. Die Siegerjustiz sprach auftragsgemäß ihre Urteile, wenn ich zum Beispiel an die Prozesse gegen die Mitglieder des Kollegiums des Verteidigungsministeriums denke, die Grenzer-Prozesse oder auch die gegen Angehörige der Staatssicherheit. Die Gesetze der DDR wurden durch die Beschuldigten eingehalten, aber das spielte keine Rolle. Für den Begriff „Unrechtsstaat“ gibt es keine juristisch anerkannte Definition, trotzdem wird er inflationsartig benutzt. Jetzt könnte man vielerlei juristische und politische Argumente anführen, um diese Hetze zu widerlegen. Darauf möchte ich verzichten und mich auf ein Ereignis der Geschichte des Jahres 1987 konzentrieren, den Besuch Erich Honeckers in der Bundesrepublik!
Einen Höhepunkt dieser Entwicklung stellte der bereits erwähnte Besuch Honeckers, auf Einladung des Bundeskanzlers Helmut Kohl, vom 7.-11. September 1987, dar. Am 7. und 8. fanden die Gespräche des Kanzlers und Staatsratsvorsitzenden statt. Die Ergebnisse der Verhandlungen wurden in einem gemeinsamen Kommunique` veröffentlicht. Das Dokument ist sehr umfangreich, deshalb nur einige bemerkenswerte Feststellungen:
„Generalsekretär Honecker und Bundeskanzler Kohl stimmten darüber überein, dass die Deutsche Demokratische Republik und die Bundesrepublik Deutschland angesichts einer sich aus der gemeinsamen Geschichte ergebender Verantwortung besondere Anstrengungen für das friedliche Zusammenleben in Europa unternehmen müssen. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg, von deutschem Boden muss Frieden ausgehen“.
An anderer Stelle heißt es
„Es bestand Übereinstimmung, das Erreichte unter Beachtung des Grundsatzes zu bewahren und auszubauen, dass beide Staaten die Unabhängigkeit und Selbständigkeit jedes der beiden Staaten in seinen inneren und äußeren Angelegenheiten respektieren. Verständigungswille und Realismus sollen die Richtschnur für eine konstruktive, auf praktische Ergebnisse gerichtete Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten sein.“
Interessant auch im Lichte der angekündigten Stationierung amerikanischer Mittelstreckenraketen und Marschflugkörper in Deutschland die Feststellung:
„Beide Seiten betonen die besondere Bedeutung eines Abkommens über Mittelstreckensysteme und erklärten, dass die weltweite Beseitigung sowjetischer und amerikanischer Mittelstreckenflugkörper mit über 500 km Reichweite die Stabilität und Sicherheit in Europa und Asien wesentlich erhöhen.“
Zur Rolle der Vereinten Nationen wird festgestellt:
„Beide Seiten stimmten darüber überein, weiterhin zur Stärkung der vereinten Nationen als des universalen Forums zur friedlichen Gestaltung der internationalen Beziehungen zur Lösung der vordringlichen weltpolitischen, ökonomischen, sozialen und humanitären Probleme und des Dialogs über Fragen der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung beizutragen.“
Von regelbasierter Ordnung ist im Dokument nichts zu finden. Abschließend wird die Nützlichkeit des Dialoges unterstrichen, der Bundeskanzler nahm eine Einladung zum Besuch der DDR an. Es lohnt sich, diese gemeinsame Erklärung nochmals in Gänze zu lesen.
Im Ergebnis wurden drei Abkommen unterzeichnet, über Strahlenschutz, Umweltschutz und im Bereich Wissenschaft und Technik. Wie bei derartigen Besuchen üblich, gab es gegenseitige Empfänge mit entsprechenden Toast`s. Kurzer Auszug aus dem von Helmut Kohl:
„Die Menschen in unseren beiden Staaten gewinnen daraus neue Hoffnungen. Mit Blick auf unsere europäischen Nachbarn in Ost und West möchte ich hervorheben, dass wir uns der besonderen Verpflichtung der beiden Staaten in Deutschland für die Ausgestaltung der Zukunft des friedlichen Zusammenlebens in Europa jederzeit bewusst sind. Wir haben das schon im März 1985 in Moskau gemeinsam erklärt und heute aus gutem Grund erneut bekräftigt.“
Nach Abschluss der offiziellen Gespräche zwischen Kohl und Honecker folgte eine Reihe von Treffen mit führenden Bundespolitikern. So unter anderem mit dem Präsidenten des Bundestages, Philipp Jenninger, mit den Vertretern der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Dregger und Waigel, mit den SPD-Politikern Vogel, Wehner und Engholm, mit dem FDP-Fraktionsvorsitzenden Mischnik. Ebenfalls gab es ein Treffen mit den Vertretern der Grünen, Petra Kelly und Gert Bastian. Von der Politik der letztgenannten ist die derzeitige Führungsriege meilenweit entfernt und kassiert mit verheerenden Wahlergebnissen gerade die Quittung. Auch ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der DKP, Herbert Mies, gehörte zum Besuchsprogramm.
Auf Einladung des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages, Otto Wolf von Amerongen, fand ein Treffen mit mehr als 300 Vertretern der Großindustrie und der mittelständischen Wirtschaft statt. In seiner Begrüßungsrede hob Wolf von Amerongen u.a. hervor:
„Die ökonomischen Beziehungen-stets-stabiles Element. Dies passt in den generellen Trend, denn der innerdeutsche Handel hat in den vergangenen Jahrzehnten trotz mancher politischer Wechsellagen – und dies gilt sowohl für das große weltpolitische Szenario wie auch die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland – eine ganz beachtliche Kontinuität und Robustheit gezeigt. Für beide Seiten waren die Wirtschaftsbeziehungen allzeit ein wichtiges, stabiles Element. Dazu haben mit Sicherheit das Berliner Abkommen mit seinen Mechanismen und seine Bestätigung im Grundlagenvertrag von 1972 beigetragen. In diesem neugeschaffenen Rahmen konnten weitere Sektoren der der westdeutschen Wirtschaft entweder alte geschäftliche Verbindungen anknüpfen oder neue aufbauen.“
Diese Gespräche mit den Wirtschaftsvertretern, an denen auch Generaldirektoren von DDR-Industriekombinaten teilnahmen, der Stand der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen passen so gar nicht mit der später von der (Un-)Treuhand vorgelegten Bilanz!
Zum Besuchsprogramm gehörte auch der Besuch einer Reihe von Bundesländern. In den Gesprächen mit Johannes Rau (MP Nordrhein-Westfalen), Oskar Lafontaine (MP Saarland), Gerhard Schröder (Vors. der SPD-Fraktion im Landtag Niedersachsen), Bernhard Vogel (MP Rheinland-Pfalz), Franz Josef Strauß (MP Bayern), kam eine hohe Wertschätzung für den Stand der gegenseitigen Beziehungen zum Ausdruck. In seinem Toast betonte der bayrische Ministerpräsident:
"Die Absage an den Krieg als Mittel der Politik ist für uns nach den leidvollen Erfahrungen allein meiner Generation eine Selbstverständlichkeit, die wir nicht ununterbrochen aufs neue beschwören müssen, eine Selbstverständlichkeit, die auch von niemanden in Zweifel gezogen werden sollte.“
Weitere Begegnungen, so z.B. in Wuppertal, dem Geburtsort Friedrich Engels, verliefen im Geiste gegenseitiger Achtung. Presseorgane in Ost und West berichteten ausführlich über diesen Besuch und schätzten ihn als Erfolg ein.
Kleiner, aber aussagekräftiger Nebeneffekt der Beschäftigung mit der Berichterstattung zum Besuch Honeckers in der BRD: in den Ausgaben des ND vom 9.-12/13. September 1987 findet man Nachrichten über internationale Kontakte der DDR, wirtschaftlich und politisch, zu ca. 30 Ländern auf praktisch allen Kontinenten. Angefangen von Argentinien, über China, Dänemark, Indien, Japan, Italien, Ghana, KVDR, bis hin zu Venezuela, Vietnam und die USA. Kleine Auswahl: Armeegeneral Keßler empfing eine österreichische Militärdelegation unter Leitung von General Othmer Tauschitz, Generalinspektor des Österreichischen Bundesheeres; Empfang einer Delegation des Wirtschaftsrates USA-DDR unter Leitung seines Vorsitzenden Lawrence Williams, Aufsichtsratsvorsitzender des Konzerns Caterpillar/Europa, mit dabei John P. Minnemann, Vizepräsident der Chase Manhattan Bank; erster Besuch einer DDR-Parlamentsdelegation in Australien unter Leitung des stellvertretenen Volkskammerpräsidenten Gerald Götting.
Dieser Blick in die Geschichte lohnt sich und passt so gar nicht zum kolportierten „Unrechtsstaat“ DDR!
Für mich, Jahrgang 1945, war die DDR mein Heimatland, mit dem ich tief verbunden war und immer noch bin. Stolz bin ich, dass ich mehr als 26 Jahre einen bescheidenen Beitrag zu ihren militärischen Schutz leisten konnte. Persönliche Biographien und Sichtweisen mögen unterschiedlich sein, ein „Unrechtsstaat“ war unser Land mitnichten!
(Quelle: Ausgaben des ND vom 09.-12./13. September 1987)