Das Stauffenberg-Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944

von Generalmajor a.D. Sebald Daum

Am 20. Juli 2014 jährt sich zum 70. Mal der Tag des Attentats auf Hitler im Führerhauptquartier „Wolfsschanze“ durch Oberst Claus Philipp Maria Graf Schenk von Stauffenberg, der einen Umsturz im Lande herbeiführen sollte. Die Beteiligten an der Vorbereitung des Umsturzversuchs,  deren Interessen und Ziele waren sehr verschieden. Bereits in den Jahren der direkten Kriegsvorbereitung, besonders ab 1938 gab es unter einzelnen höheren Militärs Widerstand gegen Hitler. So z.B. durch Generaloberst Ludwig Beck, Chef des Generalstabes des Heeres, der dann wegen Meinungsverschiedenheiten von Hitler entlassen wurde. Auch die Generäle Erwin von Witzleben, Franz Halder und Oberst Hans Oster (später Generalmajor), Offizier der Abwehr bei Admiral Canaris, dachten schon frühzeitig an einen Anschlag auf Hitler nach.

Erst durch die Niederlagen der Wehrmacht an der Ostfront in Stalingrad und im Kursker Bogen, die Niederlage in Afrika und der Landung der Alliierten auf Sizilien, den Bombenkrieg in Deutschland, aber auch durch den antifaschistischen Widerstand im Reich, wie durch die Harry-Schulzen-Boysen-Gruppe,  der Gruppe Anton Saefkow- Franz Jakob- Berhard Bästlein, der Gruppe „Weiße Rose“ der Geschwister Scholl, kam es zu Zweifeln und einem Umdenken ab 1943 auch in Kreisen der Wehrmacht. In der Beseitigung Hitlers sah man den Ausweg aus der entstandenen Lage und man begann Umsturzpläne zu schmieden.

Angesicht der herannahenden Kriegsniederlage suchte die herrschende Klasse Nazideutschlands nach Wegen, den Krieg zu beenden, ohne die politischen und ökonomischen Grundlagen der Macht des deutschen Imperialismus im Dritten Reich zu gefährden. Mit Hilfe eines Staatsstreiches wollten eine Gruppe oppositioneller bürgerlicher Vertreter und  konservativer höherer Beamter und Militärs um den ehemaligen Oberbürgermeister Karl Goerdeler, die Regierung stürzen und eine Militärdiktatur, die die Interessen des Monopolkapitals weiter absicherte, errichten. Diese sollte dann mit dem Westen einen Separatfrieden abschließen und im Osten den Krieg siegreich beenden. Zu ihnen zählten Vertreter des Monopolkapitals, wie von Siemens, Vögler, Bosch,  die Großgrundbesitzer von Hardenberg, von Putkammer, und  die Militärs wie die Feldmarschalle  von Witzleben, Kluge und Rommel, die Generale Ludwig Beck, von Stülpnagel, Admiral Canaris und weitere.

Im Gegensatz dazu suchte eine Gruppe national und patriotisch gesinnter jüngerer Offiziere und Generäle der Wehrmacht um Oberst Claus Graf Schenk von  Stauffenberg, verbunden mit Vertretern des Bürgertums, einen anderen Ausweg zur Rettung des deutschen Volkes vor der Katastrophe. Zu dieser Gruppe zählten neben Stauffenberg, u.a. die Generäle Friedrich Olbricht, Fritz Lindemann, Hennig  von Treskow, Helmuth Stieff, Oberst Albrecht Ritter Merz von Quirnheim und Oberleutnant Werner von Haeften. Sie lehnten die Pläne der Goerdelergruppe in wesentlichen Punkten ab. In einigen Punkten näherten sie sich den Vorschlägen des Nationalkomitees Freies Deutschland (NKFD) und des „Bundes der Offiziere“ im NKFD, mit denen sie über General Lindemann Verbindung suchten.

Ihr Ziel war es,  die  faschistische Diktatur zu beseitigen, mit einer neuen Regierung den Krieg an allen Fronten zu beenden und durch Verhandlungen mit allen Alliierten Mächten die deutschen Truppen bis an die Staatsgrenze Deutschland zurück zu ziehen. Dabei sollte das Reich bestehen bleiben und nicht besetzt werden. Insbesondere durch den Einfluss der Sozialdemokraten Julius Leber und Prof. Reichwein einigten sie sich auf eine demokratische Staatsform mit einer „ Volksbewegung mit sozial-l revolutionärem Charakter, wo alle Stände, Schichten und Gaue vereinigt sind“ und wo dem Volk mehr Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Eine neue „Weimarer Republik“ der „Parteienherrschaft“ lehnten sie ab. Dies war eindeutig ein antifaschistisches Programm. Eine weitere Gruppe der Verschwörer war der sogenannte „Kreisauer Kreis“,  geführt von dem Kriegsverwaltungsrat Graf Helmuth von Moltke. Sie lehnten das  Hitlerregime strikt ab und waren für eine „ethisch fundierte Volksgemeinschaft“. Zu dieser Gruppe gehörten u.a. Fritz Dietlof Graf von der Schulenburg, Mitarbeiter im Reichsamt für Agrarpolitik, zuletzt Offizier im Ersatzheer, Peter York von Wartenburg, Reichskommisar für Preisfragen, die sozialdemokratischen Funktionäre Julius Leber und Leuschner, die in den Jahren 1933 bis 1937 im KZ eingesperrt waren, und Professor Dr. Adolf Reichwein, der Kontakt zum kommunistischen Widerstand mit der Gruppe Anton Saefkow – Jacob  Bästlein  hatte. Sie unterstützten mehr die Ansichten der Stauffenberg Gruppe und verstärkten in ihr das demokratische Element, vor allem durch die Verbindung mit dem kommunistischen Widerstand.
Dabei muss man bedenken, dass ein Teil dieser Widerstandskräfte und Verschwörer mal selbst aktive „alte Kämpfer“ der NSDAP waren, wie z.B. Heinrich Graf von Helldorf, der Polizeipräsident von Berlin, Fritz-Dietloff von der Schulenburg, der Oberstleutnant d. R. Caesar von Hofacker. Auch die Offiziere des engeren Kreises des Staatsstreiches, wie Stauffenberg selbst, sein Bruder Berthold, die Generäle Friedrich Olbricht, Henning von Treskow,  Fritz Lindemann, Oberst Mertz von Quirnheim, Oberleutnant Werner von Haeften waren Mitglieder der NSDAP.

Der engere Kreis derer, die an der Organisation des Staatsstreiches beteiligt, die die Ziele, die Planung, die Methoden der Durchführung kannten, umfasste mehr als 160 Personen, davon waren mehr als die Hälfte Offiziere und Generäle der Wehrmacht.

Kopf der Verschwörer war Oberst i. G.  Klaus Graf Schenk von Stauffenberg.

Geboren am 15.11.1907 in Jettingen in Bayern, wurde er in dieser alten Adelsfamilie,  der Vater ein Oberhofmarschall, die Mutter eine Gräfin Üxhill, elitär und streng katholisch erzogen. Er fühlte sich auch schon frühzeitig als „Angehöriger einer Elite“. So war sein weiterer Weg  vorgezeichnet. Im Jahre 1926 trat er in die Reichswehr ein und wurde zum Offizier ausgebildet. Nach dem Studium an der Kriegsakademie in Berlin von 1936 bis 1938 erfolgte sein Einsatz als 2. General-stabsoffizier bei Generalleutnant Hoepner, Kommandeur der 1. Division, später umbenannt in 6.PD, mit  der er an der Besetzung des Sudetenlandes,  der Tschechoslowakei und danach am Krieg gegen Polen und Frankreich teilnahm. Nach dem Feldzug gegen Frankreich wurde er 1940 als Hauptmann in die Organisationsabteilung des Generalstabes des Heeres versetzt. Im Januar 1943 zum Oberstleutnant i. G. befördert, wurde er im März 1943 zur 10. PD als 1. Generalstabsoffizier (Ia) nach Afrika/ Tunesien zum Afrikakorps unter Generalfeldmarschall Rommel versetzt. Bei einem Tieffliegerangriff britischer Flugzeuge am 07.04.1943 wurde er schwer verwundet, verlor sein linkes Auge, die rechte Hand und zwei Finger der linken Hand. Nach seiner Genesung verlangte er den Wiedereinsatz in der Wehrmacht. Dem Wunsch wurde stattgegeben und er wurde als Oberstleutnant Chef des Stabes des Allgemeinen Heeresamtes (AHA) beim Befehlshaber (BH) General der Infanterie Friedrich Olbricht. Das AHA war Teil des Ersatzheeres unter dem BH Generaloberst Friedrich Fromm.

Die Lage an der Ostfront und auch im Reich verlangte schnelles Handeln, sollte der Umsturz noch Erfolg haben. Stauffenberg in seiner neuen Funktion konnte nun die Planung  des Umsturzes  schneller voranbringen. Sie erfolgte in enger Zusammenarbeit mit General Olbricht  sowie dem wichtigsten Mitorganisator des Staatsstreiches Oberst i.G., Henning von Treskow, später Generalmajor und Chef des Stabes der 2. Armee in der Heeresgruppe Mitte.  Treskow war neben Stauffenberg und Fritz Dietloff Graf von der Schulenburg, die treibende Kraft bei der Ausarbeitung der Pläne zum Umsturz. Dazu muss man noch den Oberst i. G., später Generalmajor Helmuth Stieff von der Operationabteilung im OKH,  und auch die  Adjutanten Stauffenbergs  Hauptmann Friedrich Klausing und Oberleutnant Werner von Haeften rechnen. Die gesamte Arbeit erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Gruppe um Goerdeler und dem „Kreisauer Kreis“. Dazu waren Verbindungen zum OKW, zum OKH und zu verschiedenen staatlichen Stellen geschaffen. Der Gesamtcharakter der Verschwörung wurde durch den Kreis um Goerdeler stark geprägt, auch wenn das Heft des Handelns bei Stauffenberg lag und er letztlich bestimmte. Die wichtigsten Aufgaben waren die Ausarbeitung des Planes zur Beseitigung Hitlers, des Planes zur Durchführung des Umsturzes mit dem präzisierten Plan „Walküre“ (siehe Anlage 1), allen dazu notwendigen Befehlen, den Zielen und Aufgaben nach dem Umsturz, insbesondere die mögliche Zusammensetzung der Regierung, (siehe Anlage 2), dem Aufruf an das deutsche Volk und dem  „Tagesbefehl“ an die Wehrmacht,(siehe Anlage 3). Durch seine Versetzung im Juni 1944 als Chef des Stabes des Ersatzheeres, unter dem Kommando von Generaloberst Fromm, waren für die Arbeit zum Umsturz noch bessere Bedingungen gegeben. Jetzt erhielt er auch Möglichkeit, direkt an Hitler heran zu kommen. Bis zum Jahre 1943 waren einige Anschläge auf Hitler versucht worden, die aber alle erfolglos blieben.

Da die Lage an den Fronten sich immer mehr verschlechterte, insbesondere an der Ostfront, wo die Heeresgruppe Mitte faktisch aufhörte zu existieren und die Truppen der Roten Armee fast bis an die ehemalige Reichsgrenze vorgedrungen waren, aber  auch durch die Landung der Alliierten in der Normandie sowie durch Verhaftungen von einem Teil der Mitverschwörer,  wie Prof. Dr. Adolf Reichwein  und von Julius Leber  am 04.und 05. Juli 1944,  der kommunistischen Widerstandskämpfer Franz Jakob und Anton Saefkow, mit denen die beiden genannten Kontakt hatten, war Eile geboten, wollten die Verschwörer ihre Ziel erreichen.

So entschließt sich Stauffenberg, das Attentat selbst durch zu führen, da alle anderen Vorstellungen dazu nicht realisiert werden konnten. Das war,  wie sich dann auch zeigte, ein Risiko, wenn nicht gar eine Fehlentscheidung. Die Gelegenheit zur Tat bot sich Stauffenberg bei Vorträgen bei Hitler sowohl am 11. Juli auf dem Berghof, als auch dann in der „Wolfsschanze“  am 15. Juli 19944, die aber nicht realisiert werden konnten. Bei dem Versuch am 15. Juli war aber noch vor der Ausführung des Attentats die Maßnahme „Walküre“ ausgelöst worden. Sie wurde dann als „Überprüfung“ ausgelegt, womit man so die wahren Absichten verschleiern konnte. Am 20. Juli 1944 wurde Stauffenberg wieder zu einer Lagebesprechung in die „Wolfsschanze“ befohlen. Diesen Tag nutzte er, um  den Anschlag auszuführen. Auf Grund von Zeitnot und durch seine Körperbehinderung konnte er nur eine Zeitzünderbombe vorbereiten, die auch explodierte. Hitler wurde nur leicht verletzt,  der Anschlag schlug fehl. (siehe Anlage 4) Während Stauffenberg und Werner von Haeften mit einem Flugzeug nach Berlin zurück flogen, nutzten die in Berlin wartenden Verschwörer die entstandene Verwirrung nicht konsequent aus. Erst nach Rückkehr Stauffenbergs lösten sie den Plan „Walküre“ aus, der aber nicht mehr verwirklicht werden konnte. Nur in Paris, unter dem Befehl von General Stülpnagel, waren Teile des Planes durchgesetzt worden und mehr als 1.200 SS- und Gestapo- Angehörige verhaftet. In Berlin konnten die geplanten Maßnahmen zur Verhaftung der Partei- und staatlichen Spitzenfunktionäre nicht realisiert werden. Das OKW hatte mit Gegenbefehlen schneller reagiert, sodass der Umsturz nach wenigen Stunden zusammen brach.

Das  Scheitern des Umsturzes hatte mehrere Gründe:

  • Der wichtigste war sicher das Fehlen der aktiven Einbindung aller antifaschistischen Widerstandskräfte, sowohl in Deutschland als auch der Widerstandskräfte im Ausland, besonders auch des NKFD und deren Teilnahme und Einfluss an dem Umsturz. Die vorgesehene Konzeption, besonders der Goerdelergruppe, erreichte diese Interessengruppen nicht.
  • Der größere Teil des Offizierskorps, besonders die höheren militärischen Führer, waren abwartend, missbilligten das Attentat und beeilten sich nach dem Fehlschlag schnell, Hitler und seinem faschistischem Regime ihre Ergebenheit und Treue zu bekunden.
  • Die Machtübernahme nach dem Attentat war unzureichend vorbereitet, vor allem gelang es nicht, die Nachrichtenzentralen und den Rundfunk mit eigenen Leuten zu besetzen und schnell und konsequent den Plan „Walküre“ umzusetzen.
  • Auch die Ausführung des Attentats durch Stauffenberg selbst war unzweckmäßig, da er damit im wichtigsten Moment am entscheidenden Ort fehlte.
  • Vernachlässigt wurde auch die notwendige strenge Konspiration und Geheimhaltung, womit die Gestapo leichteres Spiel hatte.

Der gescheiterte Putschversuch war aber auch das Signal der Hitlerclique mit den Verschwörern, besonders aber mit den antifaschistischen Widerstandsgruppen, vor allem mit dem  kommunistischen Widerstand, grausam abzurechnen. Mehr als 200 Mitverschwörer, Angehörige der Wehrmacht, wurden umgebracht. Neben der Verhaftung und Ermordung der Verschwörer, wurden mehr als 1000 Widerstandskämpfer und Mitglieder  der operativen Leitungen der KPD in ganz Deutschland verhaftet und Hunderte umgebracht. Unter ihnen waren Anton Saefkow, Bernhard Bästlein, Franz Jakob, Theodor Neubauer, Magnus Poser, Georg Schumann , auch Ernst Thälmann gehörte dazu. (siehe Anlage 5)

In Deutschland wurde nach dem Krieg diese Tat sehr unterschiedlich bewertet. Wurde am Anfang in den Westzonen und später in der BRD diese Tat teilweise als „Dolchstoß“ und  Schande beurteilt, so änderte das sich allmählich. Man begann sie unter dem Gesichtspunkt der Rettung vor der kommunistischen roten Gefahr, der Rettung vor den Russen und dem Schutz  vor der vorgesehenen Zerstücklung Deutschlands nach dem Krieg, zu betrachten und zu verherrlichen. So wurden dann auch vereinzelt Ehrennamen erteilt. In der DDR wurde die Tat zu Beginn nicht sehr popularisiert. Erst in den 70er Jahren gab es dazu eine klare Einschätzung: als mutige antifaschistische Tat der Gruppe um Stauffenberg und des Kreisauer Kreises.

Heute wird in der BRD das Attentat Stauffenbergs mehr dazu genutzt, um es als Gegengewicht zu dem antifaschistischen Kampf, besonders des kommunistischen Widerstandes und der Arbeit des NKFD an der Front darzustellen um deren Kampf gegen den Faschismus und gegen Hitlerdeutschland in den Hintergrund zu drängen und zu diskreditieren. Trotz allen Problemen war es eine mutige, antifaschistische Tat national und patriotisch gesinnter Offiziere der Wehrmacht, derer man gedenken sollte.

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