„Mauerfall“
(K)ein Bericht zur Deutschen Einheit,

nur Gedanken eines Betroffenen 30 Jahre danach
(von Oberst a.D. Frithjof Banisch)

Für mich als einen der vielen Grenzer, die damals mitten in den turbulenten Ereignissen steckten, ist mit dem Abstand der Jahre das Bild vom „Danach“ in meinem Land, dem Land des Vaters und der Sprache der Mutter, leider zutiefst zerrissen. Das materielle Leben der übergroßen Masse der Bürger in meiner Heimat ist auf einem bemerkenswert hohen Niveau im Vergleich zu anderen Ländern dieser Welt. Dabei reden wir nicht von Gerechtigkeit! Wer bei all den dennoch sichtbaren Problemen im Beitrittsgebiet auf dieser Ebene den gegenwärtig durchschnittlichen Standard negiert, der ist nicht wirklich ernst zu nehmen. Zutiefst zerrissen ist mein Bild dennoch von der gegenwärtigen BRD aus vielen Gründen, was bei einem Mann meines Alters wohl kaum von öffentlichem Interesse sein dürfte. Doch auch bei mir sind Kinder da, und Enkel auch.

Jedem Bundesbürger wird seit Jahrzehnten von den politischen Eliten des Landes erklärt, dass Grenzregime im Widerspruch zur Freiheit des Bürgers stehen. Und „Regime“ sind bekanntlich immer schlecht, meint man. Als der Beweis mussten und müssen bis auf den heutigen Tag die Beispiele des Grenzregimes an der Staatsgrenze der DDR zur BRD und der Grenze zu Berlin (WEST) herhalten, ohne die wahren Verursacher der einstigen Grenzziehungen zu benennen. Erst als sich dieses vom Westen stets mit den Schlagworten „Mauerschützen“, „Todesstreifen“, und dem erfundenen „Schießbefehl“ usw. verteufelte Grenzregime im November 1989 aufzulösen begann, war bald die grenzenlose Freiheit für alle Deutschen in Einheit möglich. So jedenfalls das Paradigma der Meinungsbildner. Geschickt knüpften die an den ewig bestehenden und natürlichen menschlichen Wunsch an, die eigenen Grenzen überwinden zu können. Die Menschen haben diesem natürlichen Entdecker- drang, dieser ursprünglichen Neugier schließlich ihre eigene Entwicklung zu verdanken. Der 9. November 1989 wurde nun „Tag des Mauerfalls“ und zum Symbol für die Herstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit. Die politischen und ökonomischen Eliten und deren mediale Gefolgschaft betreiben an den Tagen rund um dieses Datum in jedem Jahr einen beträchtlichen Aufwand. Anlässlich der dreißigsten Wiederkehr der Öffnung der Grenzübergangsstellen der DDR zu Berlin ( WEST) und der BRD, um den Vorgang „Mauerfall“ wenigstens einmal korrekt zu bezeichnen, ist dieser Aufwand schon seit Jahresbeginn beeindruckend. Im Informations- und Dokumentationskanal von ARD und ZDF laufen beinahe rund um die Uhr entsprechende Sendungen. Aber nicht nur dort laufen Beiträge mit Inhalten und der Darstellungen von Protagonisten rund um das Thema, die dem seriösen Anspruch dieser Senders wohl kaum gerecht werden dürften. Doch es standen Wahlen für drei Landtage im Beitrittsgebiet und für die Organe in der Europäischen Union (EU) ins Haus. Da kann man kaum etwas falsch machen, wenn man sich diesem Jubiläum mit besonderer Hingabe widmet. Denn wie man hört, lassen bei den Leuten im Osten 30 Jahre nach dem „Mauerfall“ deren Erinnerungskultur und ihr Demokratieverständnis noch immer sehr zu wünschen übrig.

Hinzu kommt, dass den Deutschen die ungesicherten EU-Außengrenzen derweil in besonderer Weise und hoffentlich nachhaltig eigene Erkenntnisse zum Thema „Freiheit ohne Grenzen“ bescheren.

Durch Verdrängungen dieser und weiterer Realitäten haben die christlichen wie auch sozialen Volksparteien, die Partei DIE LINKE und auch die der Bündnis-90 Grünen beim Wahlvolke schon geraume Zeit nicht mehr den besten Ruf. Die Wahlergebnisse sprechen eine unmissverständliche Sprache und es bleibt zu hoffen, dass man langsam begreift. Hinzu kommt in den fünf neuen Bundesländern der Unmut der Leute über vieles, was die in den fast 30 Jahren der Einheit erlebt haben, auch wenn mache es nicht sehen wollen. Viele von ihnen hat das was sie bilanzieren können schon einmal auf die Straße getrieben, vom Lohnempfänger und dem Schüler über den Mieter bis zum Rentner. Die Gesellschaft des Landes ist sichtbar in Bewegung geraten, zunächst meist in geistiger und verbaler Aktivität. In solchen Situationen ist dann Handlungsbedarf für die Eliten angezeigt!

Man muss den Leuten mit Nachdruck die einstige schreckliche „zweite Diktatur in Deutschland“ erklären. Dabei müssen Vergleiche zum deutschen Faschismus her, und zu Stalinismus, weil der fast etwas in Vergessenheit geraten ist. Ein Spielfilm ausgerechnet über das Leiden von Kommunisten unter Stalin und dann in der DDR des gleichen Geistes muss es richten, nicht etwa die Geschichte alter und neuer Nazis in den Amtsstuben seit Gründung der Bundesrepublik. An die einstigen freiheitsliebenden Aktivisten der Einheit zu erinnern ist auch Pflicht! Obwohl einige von denen inzwischen wegen ihrer ausschweifenden Fantasieprodukte über den Alltag in der DDR nur noch mit Nachsicht, Mitleid oder gar mit Personenschutz zu ertragen sind. Die Mitdreißiger des parlamentarischen Nachwuchses erklärt dem Lande in besonders engagierter Weise, sozusagen aus erster Hand, die denkwürdigen Ereignisse des Herbstes 1989. Und sie schildern auch die Folgen sehr lebensnah.

So erklären solche Leute uns zum Beispiel:

  • wie der Sieg der Demokratie über die SED - Diktatur ablief;
  • wie demokratisch es um die ersten freien Wahlen im Osten ablief;
  • wie die Einheit Deutschlands eigentlich nur die Ostdeutschen errangen;
  • was das für die Einleitung der Morgendämmerung in Osteuropas bedeutete;
  • wie das friedliche Zusammenleben der Völker Europas nach Fall der Mauer im von Gorbatschow proklamierten „Gemeinsamen Haus Europa“ erstrebt wurde, doch dann durch Putins Annektion der Krim im Jahre 2014 zerstört wurde;
  • wie man die Freizügigkeit des Reisens, den freien Zugangs zu Märkten, Wahren und Dienstleistungen schätzen muss, und wie wertvoll die freie Wahl des Wohn- und Arbeitsortes in Europa(?) für Arbeitnehmer ist, und alles geschah nur zu unserem Vorteil.

Zu jeder sich bietenden Gelegenheit, ob in Krimis, Spielfilmen, Talkshows oder Nachrichten, bei Trauer- oder Festreden, werden zu diesen Themen Geschichten gekonnt in Bilder verpackte. So wird Geschichte „aufgearbeitet“, oder richtiger gesagt, sie wird umgearbeitet.

Dabei kommt die Authentizität immer mehr unter die Räder.

Die Empörung der Menschen wird in gewünschte Richtungen gelenkt, Ängste und auch Hoffnungen werden gezielt geweckt. Nachrichtenmacher beleben allabendlich die Fantasie ihrer Konsumenten durch subtile, ideologisch verblendete Darstellungen aktueller Ereignisse. So kann der Kalter Krieg weiterleben, scheint es, nur stehen sich jetzt auf gleicher sozialökonomischer Basis existierende Konkurrenten gegenüber.

Die Macher vergessen anscheinend auch, dass nicht die, wie mir scheint, sprunghaft anwachsende Anzahl der Aktivisten der friedlichen Revolution oder gar die alten und neuen „Opfer der Diktatur“ zu förderst die Leute wirklich bewegen. Es sind die eigenen Probleme vom heutigen Tag, und dann sind es die Sorgen im Zusammenhang mit der Zukunft dieser Erde. Selbst die Auffälligkeit, dass neuerdings besonders die Verdienste der Ostdeutschen am „Mauerfall“ Würdigung finden, erreicht immer weniger Leute im Osten, weil selbst diese These bei den wenigen Leuten mit solcher Prägung inzwischen zu spät kommt. Viele Menschen der Kriegs- und der Nachkriegsgeneration erkennen aus dem eigenen Erleben, dass der „Mauerfall“ am 9. November 1989 mit seinen Folgen in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen muss mit ihren Problemen von heute und dem, was sie Dank der von den Eliten sträflich unterschätzten Umweltprobleme erwartet.

Der „Mauerfall“ war Voraussetzung und Auslöser zugleich für die hemmungslose Restauration des puren Kapitalismus in ganz Europa. Da liegen die Wurzeln der Probleme. Die bis dahin bestehenden und durchaus wirkenden Korrektive, die das gesellschaftliche System in Mittel- und Osteuropa nach dem letzten großen Krieg auf die Entwicklungen der südlichen und westlichen Hemisphäre abstrahlte, waren entfallen.

Dann haben die Menschen den Bombenkrieg gegen Jugoslawien, den Bruch der UN-Charta durch NATO - Staaten und das Ende der längsten Friedensperiode auf dem Kontinent erleben müssen. Die Preisgabe des Teuersten, was diese Generationen wertschätzte und wofür sie in Zeiten des Kalten Krieges eintraten, der Frieden in Europa, wurde zugunsten einer fragwürdigen Freundschaft mit den Angloamerikanern geopfert und deutsche Soldaten führen seitdem wieder in fremden Ländern Kriege. Die Mehrzahl der Ostdeutschen musste erfahren, wie Arbeitslosigkeit zum normalen Leben gehört und wie das bei einem Teil von ihnen, besonders bei Frauen, in ihren Renten schmerzlich zu Buche schlägt. Im Anschlussgebiet geschaffene Industriebrachen, die Entvölkerung auf dem Lande, die Verteufelung der „Platte“, die Privatisierung kommunalen Wohneigentums, die Kinderarmut, Bettler, Obdachlose, Menschen als Ware in der Hand von Ganoven und krimineller Großfamilien einerseits, und die permanente Diffamierung der eigenen Biographie und die Entwertung der zu Zeiten der DDR erbrachten persönlichen Lebensleistungen nach dem Beitritt zur BRD sind besonders schmerzliche Erfahrungen. Kein Wunder also, wenn im Verlaufe von 30 Jahren bei so manchem Bürger im Osten die Erkenntnis wächst, dass mit dem „Mauerfall“ das Einfallstor geöffnet wurde für die schnellstmögliche Demontage des DDR – Grenzregimes, ohne schon damals der Idee von Schengen in aller Konsequenz nachzugehen.

Den veränderten inneren Bedingungen an den Binnengrenzen der Schengenstaaten wurde nicht durch ein angemessenes Grenzregime entsprochen, wie deren Architekten es einst voraussetzten.

Damit wurde den absehbaren Gefahren der unkontrollierten Migration an den Schengener Außengrenzen nicht entgegengewirkt. Das Überstülpen aller ökonomischen, politischen, juristischen und kulturellen Verhältnisse und damit auch diverser Fehlentwicklungen des Kapitalismus der Bonner Republik auf das Anschlussgebiet wurde gemacht, ohne Prüfung und Übertragung von Erhaltenswertem von dort auf das nun vereinte Restdeutschland. Sehr schnell kam es zur Rückgabe einstiger Pfründe und Privilegien an Adel, „Alteigentümer“.

Das erfolgte ungeachtet des im Anschlussgebiet auf Gesetzesgrundlage entstanden Eigentums der Bürger und der längst erfolgter Entschädigungszahlungen im Westen und das löste teils böse Gedanken aus und erinnerte an die Bereicherung der Begünstigten einst, und an die teils erhebliche Mitschlud an den deutschen Dramen in der Geschichte.

Die Begünstigung und aktive Hilfe bei der größten Privatisierung / Reprivatisierung und straflosen Plünderung von Volksvermögen in Mittel- und Osteuropa und in Teilen Asiens und der aktive Einfluss auf so manchen Oligarchen dort und der Export von Politikern zur Wahrung von Interessensphären des Westens vor Ort zählt auch zu diesen in 30 Jahren gesammelten Erfahrungen.

Die Missachtung der legitimen Interessen der Russischen Föderation durch die NATO-Osterweiterung, die Untergrabung der Souveränität von deren Nachbarstaaten und die Inszenierung von Revolten und Umstürzen dort bewegt viele Leute besonders im Beitrittsgebiet. Dazu kommt nun noch: Für kurze Zeit war man nach dem „Mauerfall“ und seinen hier beschriebenen Folgen wenigstens dem Kalten Krieg ohne größeren Schaden für Leib und Leben entgangen. Doch man war dafür in einer monopolaren Welt des Neoliberalismus angekommen. „Der Markt wird es richten“, und die US – Präsidenten auch, war zu hören. Die einzig übriggebliebene Weltmacht USA blähte sich auf bis zu ihrer gegenwärtigen Überdehnung. Ihre politischen Eliten, Medienmacher, Finanzoligarchen und viele Militärs verfielen offensichtlich der Maßlosigkeit und dem Größenwahn, bestärkt durch ergebene Westeuropäer und einen Säufer im Kreml. Kostspielige und militärisch erfolglose Interventionen und 1000 zu unterhaltende Stützpunkte in aller Welt und ein ausrüstungs- und waffentechnisch gewaltiger, aber schleichend verschleißender und bürokratisch aufgeblähter Militärapparat bringt den Staat USA an dessen Leistungsgrenzen. Die Verschuldung ist gigantisch wie nie zuvor. Nun tobt der Konflikt in den eigenen Reihen und unter den britischen Brüdern im Geist um die Frage: „Wie Weiter?“. Innere angloamerikanische Krisenbewältigung ist angesagt. Der „BREXIT“ ist nicht vom Himmel gefallen!

Die Einst von westeuropäischen Freunden blauäugig beschworenen gemeinsamen Werte der Selbstbestimmung, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte werden nun offen wie selten zuvor mit Füßen getreten.

Wir erleben nicht zum ersten mal, wie die im Verlaufe von kritischen Zeiten entstandenen Konflikte in den heilig beschworenen Freundschaften auf Kosten der Schwächeren gelöst werden. Und das nicht nur im Kapitalismus!

Es geht am Ende immer um Eigeninteressen der auf den Plan getretenen Hauptkonkurrenten in einer sich neue formierenden multipolaren Weltordnung.

Versuche der Neuaufteilung der Lebensgrundlagen der Menschheit bergen dabei wieder einmal ein gewaltiges Gefahrenpotential für den Weltfrieden in sich. Da ist Venezuela nur ein aktuelles Beispiel, das demnächst Iran oder anders heißen kann.

Vorrangig geht der Blick auf die Russische Föderation und auf deren weltweit größten natürlichen Ressourcen. Das Eigeninteresse der Russen hingegen richtete sich nie nach Außen, wie die Geschichte beweist. Die haben mit ihrer Größe zutun.

Die Mehrheit der Bürger erkennen die Entwicklungen genau, warum sonst diese Unruhe unter ihnen? Sicher auch, weil die inzwischen geostrategisch ihre Leistungsgrenze überschreitende USA mit der zunehmenden militärischen Konfrontation Russlands durch die NATO es riskieren, akute Gefahren für die physische Existenz Europas heraufzubeschwören. Das zu verhindern setzt jedoch die tätige Emanzipation besonders der politischen Eliten in der EU gegenüber den USA voraus. Trotz wiederholt negierter historischer Verantwortung Deutschlands und mehrfach vertaner Möglichkeiten spielen zukünftig die Beziehungen zu Russland und damit auch zum anderen Teil Europas eine existenzielle Rolle. Man muss raus aus der eigenen Propagandawelt der Lügen und Halbwahrheiten einer vergangenen Zeit und weg von dem ideologisch bedingt zur Gewohnheit gewordenen Messen mit zweierlei Maß, wie zu Zeiten des Kalten Krieges. Noch kommen Vorschläge von Moskau zur Rüstungskontrolle in Europa!

Wir bewegen uns im dreißigsten Jahr nach dem „Mauerfall“ in Deutschland auf einem schwierigen innen- und außenpolitischen Gelände. Die Spannungen sind erheblich. Und ausgerechnet da erscheint uns diese Schuhe schwänzende kleine Heilbringerin aus Schweden. Die hinter dieser schamlosen Inszenierung stehenden Kreise der internationalen Hochfinanz sind sich selbst des Verbrechens des Kindesmissbrauchs nicht zu schade, um noch einmal aber richtig Kasse zu machen Dank der Psychose um die Umwelt und der Tränen von Greta. Ganze Industrien sollen augenblicklich weichen und Umwelttechnologien von morgen heute Platz machen, um Hedgefonds Maximalprofit aus ihrem billigen Geld zu generieren vor dem nächsten großen Finanzflop – Karl Marx lässt grüßen!

Es war wider Zeit für die alljährliche Bilanz zur Einheit, sprich für das Ärgernis im Osten. Die Vielzahl der von mir nur angerissenen Problemen hat der 23. Bericht zur Deutschen Einheit, also die Bilanz über den Stand der Entwicklung im Jahre 29 des Beitritts der ostdeutschen Länder zum Bundesgebiet, nicht annähernd benannt. Immerhin empfiehlt der „Ostbeauftragte“ den Politikern richtungsweisend das Gespräch mit dem Bürger zu suchen, mehr zuzuhören und auch die reden zu lassen, die man bisher nicht reden ließ! Und die Gründergeneration im Osten müsse man unterstützen. Die meisten von denen sind inzwischen vermutlich so alt wie ich und können den eigenen Betrieb nicht weitergeben, weil kein Nachwuchs vorhanden ist. Wozu also das Amt?