01.12.2022

50. Jahrestag der Bildung des 
Kommandos der Landstreitkräfte
der Nationalen Volksarmee der DDR

 

Heute vor 50 Jahren, am 01. Dezember 1972 wurde das „Kommando der Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee der DDR“ gebildet.

Die beigefügten Dokumente verdeutlichen das „Warum“ und „Wie“ der Bildung des Kommandos.

In einem späteren, vertiefenden Beitrag des Kompass`s werden wir nochmals auf dieses Ereignis eingehen.

Eure Genossen und Genossinnen der Regionalgruppe Potsdam „Gerhard von Scharnhorst“


 

                                                                                                      Geheime Verschlußsache!
                                                                                                      VS-Nr . : A 224 774
                                                                                                  . . . Ausfertigung = . . . Blatt

 

A u s f ü h r u n g e n
des Ministers für Nationale Verteidigung vor
dem Nationalen Verteidigungsrat der DDR zur
Vervollkommnung der Führungsstruktur der NVA
und des Ministeriums für Nationale Verteidigung


Genosse Vorsitzender!
Genossen Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates!
In der Ihnen zur Entscheidung unterbreiteten Vorlage über die "Vervollkommnung der Führungsstruktur der NVA und des MfNV" werden, ausgehend von den Beschlüssen des VIII. Parteitages der SED und den auf dem Gebiet der Führungstätigkeit in der NVA gesammelten Erfahrungen, unsere Vorstellungen über Veränderungen der Führungsstruktur der Nationalen Volksarmee dargelegt.

Die in den vergangenen Jahren gesammelten Erfahrungen sowie die bei der Sowjetarmee durchgeführten Konsultationen machten uns, hinsichtlich der gegenwärtigen Führungsstruktur der NVA, auf eine Reihe von Nachteilen aufmerksam, die vor allem in folgendem bestehe

1. Die Führung der Teile der NVA nach einem einheitlichen Prinzip durch den Minister für Nationale Verteidigung konnte durch die in den Landstreitkräften bestehenden zwei Führungsbereiche in Form der Militärbezirke nicht voll gewährleistet werden.

2. Eine exakte Verantwortungsabgrenzung zwischen den ministeriellen Grundsatzaufgaben und den Aufgaben zur Führung der Landstreitkräfte war nur schwer möglich.

3. Das Ministerium für Nationale Verteidigung wurde mit einer Vielzahl von Problemen der Ausbildung, Versorgung und anderen Fragen der Sicherstellung der Landstreitkräfte belastet und befaßte sich vorrangig mit Problemen der Landstreitkräfte.

Es wird deshalb vorgeschlagen, die Führung der Landstreitkräfte durch den Minister für Nationale Verteidigung dem Prinzip der Führung der anderen Teile der NVA anzugleichen und ein Kommando der Landstreitkräfte der NVA zu bilden sowie die Führung der Landstreitkräfte einem Chef der Landstreitkräfte zu übertragen.

Mit den beabsichtigten Veränderungen im Führungssystem der NVA soll erreicht werden, daß

1. das Ministerium für Nationale Verteidigung sich

– zukünftig stärker und qualitativ noch besser mit Grundsatzfragen
   der Entwicklung und des Einsatzes der NVA sowie der Landesverteidigung
   der DDR insgesamt befaßt
– noch tiefgründiger und zielstrebiger auf die kontinuierliche 
   und ausgewogene Entwicklung sowie die komplexe Führung 
   und Vorbereitung aller Teile der NVA konzentriert

2. die Führungstätigkeit bei den Landstreitkräften in Friedenszeiten so vervollkommnet wird,
   damit

– die Entwicklung der Landstreitkräfte und ihre allseitige Vorbereitung
   auf den Gefechtseinsatz, insbesondere die Gefechtsausbildung
   noch sachkundiger und intensiver geführt
– die Erziehung und Ausbildung der Stäbe und Truppen der
   Landstreitkräfte noch zielstrebiger geleitet und demzufolge
   noch bessere Bedingungen für die schnelle Bereitstellung
   und Übergabe der Verbände und Truppenteile in den Bestand
   der Vereinten Streitkräfte geschaffen werden.

Auf dem Schema Nr. 1 wurden die vorgesehenen Hauptaufgaben des Kommandos Landstreitkräfte

– für den Frieden und
– für den Verteidigungszustand

dargestellt.

Dem Kommando der Landstreitkräfte obliegen demzufolge im Frieden folgende Hauptaufgaben:

1. die Gewährleistung der Gefechts- und Mobilmachungsbereitschaft der Landstreitkräfte

2. die Führung der Politorgane, der Partei- und Massenorganisationen
    sowie der politischen Erziehungsarbeit in den Landstreitkräften

3. die Leitung der Ausbildung der Kommandeure, Stäbe und Truppen
    sowie der Heran- und Weiterbildung der Offiziere und
    Unteroffiziere der Landstreitkräfte

4. die Vorbereitung und Durchführung von operativen Ausbildungs–
    und Überprüfungsmaßnahmen der Landstreitkräfte

5. die Durchsetzung (Anleitung und Kontrolle) der durch das
    Ministerium für Nationale Verteidigung für die
    Landstreitkräfte geplanten Aufgaben und Maßnahmen auf den
    Gebieten

– der Entwicklung und des Einsatzes
– der Mobilmachung
– der Auffüllung und Ergänzung
– der materiell-technischen Sicherstellung
   der Landstreitkräfte.


Der Chef der Landstreitkräfte verwirklicht die Führung der Landstreitkräfte streng nach dem Prinzip der militärischen Einzelleitung.

Ihm werden in Friedenszeiten direkt unterstellt:

– die Chefs der Militärbezirke III und V

– der Kommandeur der Offiziershochschule der Landstreitkräfte "Ernst Thälmann"

– der Kommandeur der Technischen Unteroffiziersschule "Erich Habersaath"

Im Verteidigungszustand wird das Kommando der Landstreitkräfte nach Rücksprache mit den Genossen G r e t s c h k o und J a k u b o w s k i keine Aufgabe zur Führung der im Bestand der Vereinten Streitkräfte handelnden Verbände der Landstreitkräfte erfüllen.

Deshalb wird es sich im Verteidigungszustand auf folgende Hauptaufgaben konzentrieren:

1. die Vorbereitung und Führung der Ausbildungs– und Ersatztruppenteile
    der Landstreitkräfte
2. die Führung der beiden territorialen Militärbezirke
3. die Bereitstellung von vorbereiteten Kadern für die aufzustellende
    3. Armee und die Mob.–Verbände der Landstreitkräfte

Ausgehend von den zu erfüllenden Hauptaufgaben erscheint es zweckmäßig, das Kommando der Landstreitkräfte, wie auf dem Schema Nr. 2 dargestellt, zu gliedern.

Die Bildung des Kommandos der Landstreitkräfte erfordert zugleich eine Präzisierung der Struktur des Ministeriums für Nationale Verteidigung. So ist zum Beispiel im Ministerium kein Stellvertreter des Ministers für Ausbildung mehr erforderlich.
Die Aufgaben des Dienstbereiches des Stellvertreters des Ministers für Ausbildung werden künftig weitestgehend vom Kommando der Landstreitkräfte erfüllt.
Es wird jedoch für zweckmäßig erachtet, im Ministerium zukünftig die Funktion eines Hauptinspekteurs vorzusehen, dem die Verwaltung Inspektion, die Verwaltung Schulen und die Abteilung Vorschriften unterstellt werden sollen.

Mit der Schaffung des Hauptinspekteurs ist beabsichtigt, die Wirksamkeit der Inspektionstätigkeit des Ministeriums zu erhöhen und die Durchsetzung der Grundsatzdokumente des Ministers für Nationale Verteidigung in allen Teilen der NVA und in den Grenztruppen wirksamer zu kontrollieren.

Wir schlagen vor, als Hauptinspekteur den derzeitigen Stellvertreter des Ministers für Ausbildung, Genossen Generalleutnant W e i ß , einzusetzen.
Im Falle Ihrer Zustimmung würden wir die erforderliche Kadervorlage zusätzlich einreichen.
Die Prinzipstruktur des Ministeriums für Nationale Verteidigung soll deshalb wie auf dem Schema Nr. 3 ersichtlich, gestaltet werden.

Genosse Vorsitzender!
Genossen Mitglieder des Nationalen Verteidigungsrates!

Allen Strukturüberlegungen und den unterbreiteten Vorschlägen wurde der Ausgangspunkt zugrunde gelegt, daß die personellen, materiellen und finanziellen Aufwendungen im Rahmen der für die Nationale Volksarmee festgelegten Fonds sichergestellt werden müssen.

Die Bereitstellung der Kader für das Kommando der Landstreitkräfte soll deshalb nach folgenden Prinzipien erfolgen:

1. Der größte Teil der Kader wird aus den Dienstbereichen des
    Ministeriums für Nationale Verteidigung durch entsprechende
    Reduzierungen gestellt.

2. Aus den beiden Militärbezirken dürfen nur minimale Kräfte abgezogen
    werden.
    Das ist erforderlich, da beide Militärbezirke im Kriege die 
    Feldführungen zu stellen haben und es in dieser Beziehung
    keine Abstriche geben darf.

3. Offiziere aus den Verbänden und Truppenteilen der ständigen
    Gefechtsbereitschaft abzuziehen und sie im Kommando der
    Landstreitkräfte bzw. in den Militärbezirken einzusetzen, ist
    grundsätzlich nicht vorgesehen.

Als Standort ist ein vorbereitetes Reserveobjekt des Ministeriums für Nationale Verteidigung in POTSDAM-GELTOW vorgesehen. 
Dieses Objekt ist baulich und nachrichtentechnisch bereits weitestgehend vorbereitet. Noch erforderliche Baumaßnahmen werden von Baupioniereinheiten der NVA durchgeführt.

Es ist vorgesehen, daß das Kommando der Landstreitkräfte mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres, das heißt, bis zum 01.12.1972 seine Führungs- und Arbeitsbereitschaft herstellt.
Zum gleichen Zeitpunkt sollte Genosse Generalleutnant W e i ß die Funktion des Hauptinspekteurs übernehmen.

Genosse Vorsitzender!

Ausführungen beendet.
Ich bin bereit, Fragen zur eingereichten Beschlußvorlage zu beantworten.

 

Der Nationale Verteidigungsrat fasste zu den Tagesordnungspunkten folgende Beschlüsse:

Zum Tagesordnungspunkt 5
Vervollkommnung der Führungsstruktur der NVA und des Ministeriums für Nationale Verteidigung

1. Der Bildung eines Kommandos der Landstreitkräfte der NVA und den
    Veränderungen in der Führungsstruktur des Ministeriums für Nationale
    Verteidigung wird unter Berücksichtigung der während der Sitzung
    gegebenen Hinweise bzw. unterbreiteten Vorschläge zugestimmt.

2. (1) Die vorgesehenen Maßnahmen zur Vervollkommnung der
    Führungsorganisation der NVA sind im Rahmen der in den Plänen für den
    Zeitraum 1971 – 1975 festgelegten personellen, materiellen und finanziellen
    Fonds zu realisieren.

   (2) Der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission und die Leiter der
    zuständigen Staatsorgane werden beauftragt, in Zusammenarbeit mit dem
    Minister für Nationale Verteidigung die Möglichkeiten für erforderlich
    werdende Bilanzentscheidungen und Planänderungen zu prüfen und die
    notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

3. Die Führungs- und Arbeitsbereitschaft des Kommandos der Landstreitkräfte ist
    bis zum 01. 12. 1972 herzustellen.

4. Als Standort des Kommandos der Landstreitkräfte wird POTSDAM–
    GELTOW bestätigt.

5. Der Chef der Landstreitkräfte, der Chef der Luftstreitkräfte/Luftverteidigung,
    der Chef der Volksmarine und der Chef der Grenztruppen sind zu
    Stellvertretern des Ministers für Nationale Verteidigung der DDR zu ernennen.

6. In die Kadernomenklatur des Nationalen Verteidigungsrates der DDR werden
    aufgenommen:

a) der Stellvertreter des Ministers für Nationale Verteidigung und Chef
    der Landstreitkräfte der NVA
b) der Stellvertreter des Chefs der Landstreitkräfte und Chef des Stabes
c) der Stellvertreter des Chefs der Landstreitkräfte und Leiter der
    Politischen Verwaltung
d) der Stellvertreter des Chefs der Landstreitkräfte und Chef Ausbildung
e) der Stellvertreter des Chefs der Landstreitkräfte und Chef der
    Rückwärtigen Dienste

7. Der Minister für Nationale Verteidigung hat die Gesamtproblematik der
    Bildung eines Kommandos der Landstreitkräfte der Nationalen Volksarmee
    und die sich daraus für das Ministerium für Nationale Verteidigung
    ergebenden Konsequenzen auf der nächsten Sitzung des Politbüros des
    ZK der SED am 18. 07. 1972 vorzutragen.

8. Der Minister für Nationale Verteidigung wird beauftragt, dem Minister für
    Verteidigung der UdSSR, Genossen Marschall der Sowjetunion Gretschko,
    dem Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte der Teilnehmerstaaten
    des Warschauer Vertrages, Genossen Marschall der Sowjetunion
    Jakubowski, sowie dem 1. Stellvertreter des Ministers für Verteidigung und
    Chef des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR, Genossen Armeegeneral
    Kulikow, den Dank des Nationalen Verteidigungsrates der DDR für die
    erwiesene Hilfe und Unterstützung zu übermitteln.

 

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