13.09.2022

 

36. Grenzertreffen in Bestensee

 

Liebe Genossen und Freunde,

nach coronabedingten Pause konnten sich am 9. September dieses Jahres unsere Grenzer in Bestensee treffen. Neben der Möglichkeit, sich mit alten Freunden und Genossen wieder einmal zu treffen und zu diskutieren, boten die Redner sehr aufschlussreiche Informationen und halfen uns, in unseren Positionen zu bestehen. 
Der Verteidigungsattaché der Russischen Botschaft und unser Freund Oleg Eremenko überbrachten Grüße.
Liane Kilinc berichtete über ihre Soli-Arbeit im Donbass.
Toll war die Rede von Arnold Schölzel, die ich hier anfügen werde.

Siegfried Eichner

36. Grenzertreffen in Bestensee 36. Grenzertreffen in Bestensee  36. Grenzertreffen in Bestensee 
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Liebe Genossinnen und Genossen, 

Herzlichen Dank für die Einladung. Ich überbringe euch die herzlichen Grüße des geschäftsführenden Vorstandes des Rotfuchs-Fördervereins, verbunden mit dem Dank für eure Tätigkeit in der DDR zum Schutz von Sozialismus und Frieden.

Ja, wir haben” das Pack zum Teufel gejagt”, wie es im Lied der Partisanen vom Amur heißt, und dass wir das 40 Jahre lang geschafft haben, daran habt Ihr einen großen Anteil. 

32 Jahr nach dem Ende der DDR ist die Welt wie im Fieber und aus den Fugen. In unserem Land droht die Verarmung weiterer Millionen Menschen, gleichzeitig steigt die Gefahr eines Weltkrieges.

Klassenmäßig geht es um den Kampf zwischen den Reichen und den Armen auf der Welt und in diesem Land, einem der reichsten auf der Welt.

Das bedeutet: Die zwei reichsten Familien besitzen so viel Vermögen wie die Hälfte der Bevölkerung. Hungern und Frieren ist für viele in diesem Winter angesagt, aber Energie- und Lebensmittelkonzerne fahren Rekordgewinne ein, das Vermögen der Reichsten hat sich in den vergangenen Krisenjahren um Dutzende Milliarden Euro vermehrt. Die Konzerne sind außer Rand und Band, sie gehören unter öffentliche Kontrolle. Vielen kleinen Firmen droht die Insolvenz. Allein mit dem mutwilligen Stopp der Öllieferungen aus Russland für Schwedt wird eine ganze Region zum zweiten Mal in einer Generation ruiniert, der gesamten deutschen Wirtschaft drohen durch den Wirtschaftskrieg gegen Russland schwere Schäden. Vielleicht haben einige von euch die RBB-Live-Sendung aus Schwedt am vergangenen Dienstag gesehen: Zwischen den Politikern, die dort auftraten, und der Bevölkerung gibt es im Grund keinen Bezugspunkt mehr. Den Grünen ist wichtiger, den Krieg in der Ukraine zu verlängern, “egal, was meine Wähler davon halten”, so Annalena Baerbock.

Rentnerinnen und Rentner, Studierende werden nicht mehr über die Runden kommen, aber von 300 Euro Energiegeld bleiben sie bis heute ausgeschlossen.

Der Bund hat allein über die Mehrwertsteuer wegen der Inflation in diesem Jahr 30 Milliarden Euro mehr eingenommen. Da sind die sogenannten Entlastungspakete lediglich Päckchen, sie sind Augenwischerei –

daran wird auch das nichts ändern, das heute wahrscheinlich vom Koalitionsausschuss beschlossen wird. 

Eine Ursache der Explosion von Energie- und Lebensmittelpreisen sind die Sanktionen gegen Russland, mit denen Frau Baerbock ja Russland “ruinieren” will. Nach einem halben Jahr wird solche Großmäuligkeit seltener, dennoch bezweifle ich, dass Leute die so etwas von sich geben, wissen, mit wem sie sich da anlegen. Sie kennen weder die Größe des Landes noch dessen Potential. Zwar werden die Urheber der Vertragsbrüche gegenüber Russland bescheidener und behaupten nur noch: “Die Sanktionen wirken” – wie am Dienstag in Schwedt. Richtig, lässt sich anfügen, die Sanktionen wirken hier in der Bundesrepublik und auf deren Bevölkerung.

Hier droht eine wirtschaftliche Talfahrt, eine Rezession, und gleichzeitig Verstärkung von Armut und Wohnungslosigkeit.  

Auf die Propaganda, „der Russe“ sei an allem schuld, fiel ein großer Teil der Bevölkerung anfangs herein. Das hat sich geändert. Viele erkennen: Mittlerweile handelt es sich um einen Krieg der NATO gegen Russland. 
Diese Aggression muss gestoppt werden. 

Verarmung und Einschüchterung sind Voraussetzungen und Vorboten imperialistischer Kriege. Imperialismus heute bedeutet: Die Gefahr eines Atomkrieges ist so akut wie lange nicht. Sie wurde herbeigeführt durch eine politische und militärische Geisterfahrt des Westens, die gestoppt werden muss. Die in Kiew Regierenden, die politisch und militärisch zusammen mit den USA die Westeuropäer erpressen, ließen sogar das AKW Saporoschje beschießen, um einen Unfall Russland in die Schuhe schieben zu können. Hierzulande wollen uns die Staats- und Konzernmedien weismachen, die russischen Streitkräfte hätten sich dort selbst beschossen. Allerdings hat das in den beiden Sitzungen des UN-Sicherheitsrats, der auf Antrag Russlands am 11. und am 23. August tagte, kein westlicher Diplomat zu sagen gewagt. Das Gelächter aus Asien, Afrika oder Lateinamerika, wo man sich dem westlichen Unfug über diesen Krieg trotz allen Drucks nicht anschließt, hätte sie weggefegt. 

Es ist es ist angesichts der Lage in unserem Land dringend nötig, dass sozialer Protest und Friedensbewegung zusammenfinden. Denn der Krieg wird genutzt, um einen gigantischen Prozess der Umverteilung von unten nach oben in Gang zu setzen, vor dem selbst die Hartz-Gesetze verblassen. Entweder gelingt es, wie Reiner Braun vom Internationalen Friedensbüro vor einer Woche auf dem UZ-Pressefest formulierte, eine neue Dimension des Protestes zu schaffen oder die Herrschenden werden unter dem Vorwand von Krieg und Krise die BRD so verändern, “dass sie nicht wieder zu erkennen sein wird.”

Ich denke, wir alle sollten dafür sorgen, dass die geplanten Aktionen am 1. Oktober zu einem Ereignis werden, das den Herrschenden in die Knochen fährt. Die Montagsdemo in Leipzig übermorgen, zu der Sören Pellmann von der Linkspartei aufgerufen hat, ist ein guter Anfang. Die auch in der Linkspartei erhobenen Vorwürfe, Rechte missbrauchten die Demonstrationen, ist ein durchsichtiger Versuch, den Protest zu spalten und zu verunsichern. Wer wie Bodo Ramelow Sahra Wagenknecht, Klaus Ernst und Björn Höcke in einem Atemzug nennt und gleich noch Hitler und Stalin anfügt, ist ein übler Demagoge der herrschenden Klasse, ein Hetzer. Leute wie er verkennen aber die Lage: Die Stimmung, der Unmut brodelt. Ein Funke genügt.  

Die entscheidende politische Tatsache, mit der wir es zu tun haben, sind der Krieg des krisengeschüttelten Imperialismus gegen Russland und die Vorbereitung auf eine militärische Auseinandersetzung mit der VR China. Dazu gehört der westliche, überhaupt nicht heimliche Aufmarsch gegen Russland und der Versuch, das riesige Land bereits im Frühjahr vergangenen Jahres durch die Ukraine in einen Krieg hineinzuziehen. Der deutsche Imperialismus ordnet sich, so formulierte es vergangene Woche der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele auf dem UZ-Pressefest, in die NATO-Aggression und in das Gesamtinteressen des Weltimperialismus unter Führung der USA ein. 
Diese Aggression zielt weiter nach Osten, nach China. Russland soll zum “Rohstoffe liefernden Vasallenstaat” gemacht werden, China in seinen Entfaltungsmöglichkeiten beschränkt und begrenzt werden. Der deutsche Imperialismus übernimmt dabei eine besondere, eine Führungsrolle in Europa, er “schwimmt sich frei”, das ist mit “Zeitenwende” gemeint, darin besteht sie. Das bedeutet aber auch: Die aggressivsten Kreise des deutschen Monopolkapitals haben sich durchgesetzt. Nein, wir leben nicht in einer faschistischen Diktatur, aber die entschiedenste Kriegspartei sind heute Die Grünen, die SPD ordnet sich ihnen faktisch unter. FDP und CDU/CSU haben ihre Bedingungen bei der Verabschiedung des „Sondervermögens Bundeswehr“ in Höhe von 100 Milliarden Euro diktiert.  

Was bedeutet diese Konstellation? Zunächst: Die Bundesregierung ist keine Marionettenregierung. Sie verfolgt langfristig eigene Pläne der Expansion und der Dominanz, die zum Teil im Gegensatz zu den Interessen anderer imperialistischer Staaten stehen. Allerdings: Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich habe den Eindruck, dass es beim alten Leiden deutscher Imperialisten geblieben ist: Sie haben im Vergleich zu anderen Imperialisten ein besonders irreales Weltbild, verkennen die Kräfteverhältnisse in der Welt und leiten daraus eine irrationale Strategie ab. Sie bekommen dies und jenes gut hin – der Kaiser hatte seinen Ludendorff, den heimlichen Diktator, und Hitler hatte seinen Heusinger, der ihm erst den “Fall Barbarossa” entwarf und später die Bundeswehr ganz demokratisch führte, wie wir von Frau von der Leyen wissen. Verlieren aber die Weltkriege, die sie mutwillig anzetteln. Auch im Innern hapert es: Lenin würde heute die Deutsche Post nicht mehr für Kontrolle und Rechnungsführung, für eine gute Organisation auch noch im Sozialismus vorschlagen. Die Deutsche Bahn darf als ruiniert bezeichnet werden, die Infrastruktur insgesamt bröckelt und die Pandemie zeigt, dass ein auf Profit getrimmtes Gesundheitswesen nicht dazu da ist, Menschen zu retten. USA, 330 Millionen Einwohner, 1 Million offiziell gezählter Corona-Toter. VR China, 1,4 Milliarden Einwohner, 5.000 Tote. Es gehört sich für ein Land wie die BRD mit einem Bildungswesen, das Jahr für Jahr 15 Prozent aller Jugendlichen ohne ausreichende Lesefähigkeit und Mathematikkenntnisse entlässt, dass antiwissenschaftlicher Unfug beachtliche Resonanz findet und der fehlgelenkte Protest effizient von Krieg und Hochrüstung ablenkt.

Vor diesem Hintergrund wirkt das, was führende deutsche Politiker zu diesem Thema sagen, wie eine Mischung aus gefährlichem Größenwahn und lächerlichem Mittelmaß. Auch das hatten wir zweimal in der deutschen Geschichte und wir wissen, wie es endete. Von armseligen Figuren wie Frau Baerbock, die als Sprechpuppe von wem auch immer fungiert, ganz abgesehen. Am 21. Juni hat z. B. der SPD-Kovorsitzende Lars Klingbeil eine solche Grundsatzrede in Berlin gehalten

Er erklärte dabei, die politische Ordnung auf der Erde werde “künftig nicht mehr in unterschiedlichen Polen”, sondern durch Machtzentren, gewissermaßen verschiedene Magnetfelder, organisiert. Das seien die EU an der Seite von USA, Japan und Australien gegen Russland und China. Beide Staaten hätten andere Länder bereits an sich gebunden und “alternativen zum westlichen Entwicklungsmodell” geschaffen. Deutlich werde das “aktuell, wenn viele Staaten unseren Weg der Sanktionen gegen Russland ablehnen”. So hätten die Abstimmungen in der UN-Vollversammlung zur Verurteilung Russland gezeigt, “dass die Hälfte der Weltbevölkerung nicht hinter unserer Politik steht.” Was macht ein Imperialist in solcher Lage? Die Antwort Klingbeils: “Deutschland muss den Anspruch einer Führungsmacht haben.” Die Begründung kann nur ein Westdeutscher finden, der auf einem Bundeswehr Truppenübungsplatz aufgewachsen ist: “Nach knapp 80 Jahren der Zurückhaltung hat Deutschland heute eine neue Rolle im internationalen Koordinatensystem.” Friedenspolitik bedeute, “auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zu sehen.”

Wer so redet, hat kein Format, keine realistische Strategie, nur den Krieg in Planung und der will erneut wie im Kalten Krieg eine Politik am Rande des Abgrunds führen.

Am Montag hat Olaf Scholz in einer Grundsatzrede in Prag klar umrissen: Die Bundeswehr soll stärkste konventionelle Armee in der EU werden. Die BRD übernimmt 2025 die Führung des geplanten militärischen EU-Hauptquartiers, sie baut zusammen mit Nachbarstaaten ein neuartiges Luftverteidigungssystem auf, schafft für die sogenannte nukleare Teilhabe F-35-Tarnkappenbomber aus den USA an und strebt gemeinsam mit Frankreich die “globale Luftherrschaft” an. Die Bundesregierung will mit einer “Koalition der Entschlossenen” von Krieg zu Krieg ziehen. Den neuen deutschen Größenwahn unterstreicht das FCAS-System aus Kampfbomber und Drohnenschwärmen, das in 20 Jahren einsatzbereit sein soll, Entwicklung und Anschaffung werden auf 500 bis 600 Milliarden Euro geschätzt. In den kommenden Jahren soll außerdem in der BRD eine US-Hyperschallwaffe “Dark Eagle” stationiert werden, die US-Einheit, die sie in 30 Minuten für einen Enthauptungsschlag nach Moskau steuern soll, hat in Wiesbaden bereits Quartier bezogen. Das wird Russland zu Präventivmaßnahmen zwingen, die auf die Bundesrepublik zielen. Ich glaube nicht, dass Wladimir Putin am Donnerstag nur zur Feier des 1. September – in Russland der “Tag des Wissens” zu Schulbeginn – war. Wir sind dann erneut in einer Situation wie vor 60 Jahren während der Kuba-Krise und wie vor 40 Jahren bei der Stationierung von Pershing und Cruise Missile in Westeuropa einschließlich der BRD.

Die untergehende Weltordnung soll erneut mit Gewalt zementiert werden, daher nehmen gegenwärtig erstmals deutsche Kampfflugzeuge an einer Militärübung Australiens unmittelbar an der Grenze Chinas teil.

Das alles birgt die Gefahr eines Weltkrieges in sich, die Westmächte verschärfen diese Gefahr fast täglich. Sie sind entschlossen, eine Politik am Rande des Abgrunds zu verfolgen, Russland auf Dauer zu schwächen und – wie gesagt –nach Möglichkeit zu einem Rohstoffe liefernden Vasallenstaat zu machen. USA, NATO und EU waren und sind die Hauptaggressoren und stellen dies ständig neu unter Beweis.

Als Russland am 24. Februar mit seiner „militärischen Spezialoperation“ begann, in den seit acht Jahren tobenden Krieg in der Ostukraine eingriff, kam das vermutlich für alle von uns überraschend. Über einige Aspekte dieses Krieges gibt es auch in unseren Reihen unterschiedliche Meinungen, aber die Gemeinsamkeiten überwiegen und nach einem halben Jahr zeichnet sich zudem ein Wandel im Charakter des Krieges ab: Er wurde zu einem Verteidigungskrieg Russlands gegen die NATO-Aggression.

Aus meiner Sicht ist die Frage nach dem Charakter des Krieges nach Carl von Clausewitz und Wladimir Iljitsch Lenin die erste, die zu stellen ist, um eine Diskussion auf sachlicher und wissenschaftlicher Ebene führen zu können. Lenin sprach 1914 sogar davon, es sei die “primitivste” Art über einen Krieg zu sprechen, wenn man zunächst fragt, wer angefangen habe. Selbstverständlich immer der andere.

Welche Politik wird also in der Ukraine mit anderen, mit gewaltsamen Mittel fortgeführt? Nimmt man die Vorgeschichte, scheint mir klar zu sein: Die Hauptmächte des Imperialismus, die USA, die NATO und die EU sind auch die Hauptaggressoren – unabhängig davon, ob am 24. Februar selbst zuerst russische Streitkräfte schossen.

Die Verteidigung der beiden Donbassrepubliken war außerdem völkerrechtlich legitim. Sie waren nach achtjährigem Krieg, der vor der westlichen Öffentlichkeit sorgfältig verborgen wurde, obwohl er mehr als 14.000 Tote gefordert hatte, seit dem 15. Februar massiv erhöhten Artilleriebeschuss von Wohnvierteln, von Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern ausgesetzt. In Bezug auf die übrige Ukraine mag es formal ein Angriff gewesen sein, es war aber vor allem eine Notwehr. Verweise auf die Kiewer Rus oder die Behauptung, Lenin und die Bolschewiki hätten die Ukraine künstlich geschaffen, wie sie Wladimir Putin aufstellte, sind allerdings kein Ersatz für eine Kriegsbegründung aus den Notwendigkeiten heraus.

Wir wissen noch nicht, ob Russland in Abwehr eines unmittelbar bevorstehenden Angriffs handelte, klar ist aber: Der Westen und die Ukraine bereiteten sich auf den Angriff vor. Die Prahlerei Selenskis auf der Münchener Sicherheitskonferenz am 19. Februar mit Atomwaffen, die sich in der Ukraine nach Ansicht von Fachleuten, relativ rasch herstellen ließen, war ernst zu nehmen. Die oberste politische und militärische Maxime Russlands lautet: Einen 22. Juni 1941 werden wir nicht noch einmal zulassen. Bruno Mahlow hat das vor einer Woche auf dem UZ-Pressefest noch einmal bekräftigt.

Ich schließe mich jedenfalls, was diesen Krieg und seine Verursacher angeht, erstens völlig der Meinung des Papstes an, der meinte, die NATO habe wohl zu sehr „vor der Tür Moskaus gebellt“. Franziskus weiß selbstverständlich, dass das, was die NATO tat, mehr war als Bellen. Aus seinem Mund kommt keine Verurteilung Russlands. Er hat selbst inzwischen mitgeteilt, dass ein Staats- oder Regierungschef, den er im Herbst 2021 traf, ihm den Krieg angekündigt hat.

Anschließen sollten wir uns zweitens auch der Meinung vieler Staaten des globalen Südens. Die 35 Länder, die sich am 2. März in der UN-Vollversammlung bei der Resolution, mit der Russland wegen des Angriffs verurteilt wurde, der Stimme enthielten, sehen das ähnlich wie Franziskus. Sie repräsentieren ungefähr zwei Drittel der Menschheit, darunter die BRICS-Staaten - und nicht nur die Hälfte der Weltbevölkerung, wie Lars Klingbeil meint. Insbesondere die 17 afrikanischen Staaten, die sich der Stimme enthielten und die acht Länder des Kontinents, die erst gar nicht an der Abstimmung in den Vereinten Nationen teilnahmen, betrachten diesen Krieg als eine Fortsetzung imperialistischer Kolonialpolitik. Und das sehen sie richtig: Der Westen betrachtet die Völker außerhalb seines Bereichs als Kolonialobjekte, als Staaten, die seit er seit Jahrhunderten gewohnheitsmäßig ausplündert. Dabei soll es bleiben. Aber das ändert sich, zum ersten Mal seit 500 Jahren. Als der Präsident Senegals und diesjähriger Vorsitzender der Afrikanischen Union Macky Sall im Juni Waldimir Putin in Sotschi besuchte, forderte er vor allem, den „Konflikt“, er spricht nicht von einem “Krieg”, wie auch schon gegenüber Olaf Scholz zwei Wochen zuvor gesagt hatte, zu beenden und vor allem die westlichen Sanktionen, damit der Getreideexport aus Russland und der Ukraine wieder in Gang kommt. Das ist inzwischen durch sogenannte Getreidabkommen gewährleistet.

US-Außenminister Antony Blinken holte sich in Südafrika eine Ohrfeige ab. Seine Amtskollegin Naledi Pandor nannte das vom US-Kongress am 27. April verabschiedete Gesetz H. R. 7311 zur »Bekämpfung des bösartigen Einflusses und der Aktivitäten der Russischen Föderation und ihrer Stellvertreter in Afrika« eine »beispiellose Aktion« und exemplarisch »für ein erstaunliches ›Was kommt jetzt?‹«. Mit der Aktion, so Pandor, sollten »Länder in Afrika bestraft werden, die sich im Krieg zwischen Russland und der Ukraine nicht an die Linie gehalten haben.« Pandor nannte Beispiele dafür, was dem passiert, der sich auf den Westen verlässt, etwa das Verweigern von Impfstoffen in der Coronapandemie. Die EU breche ihre Handelsregeln sofort, wenn es z. B. um Zitrusfruchtimporte aus Südafrika geht. Hinzu kämen »große Anstrengungen, um die Entwicklungsländer zu spalten«. Und schließlich: »Genauso wie das ukrainische Volk sein Territorium und seine Freiheit verdient, verdient auch das palästinensische Volk sein Territorium und seine Freiheit.« Das Herangehen sei aber anders: Von regelbasiert oder Respekt fürs Völkerrecht kann im Westen keine Rede sein, dort gelten prinzipiell doppelte Standards.

Alles das besagt, dass sich die Kräfteverhältnisse in der Welt zuungunsten des Westens ändern. Hier im Land unternimmt der Klassengegner alles, um diesen Wandel nicht in ins Bewusstsein der Bevölkerungsmehrheit dringen zu lassen. Angeblich steht die “internationale Gemeinschaft” hinter den Sanktionen – ein Witz. Wenn sie “internationale Gemeinschaft” sagen, meinen sie in Wirklichkeit die Reichen dieser Welt. Das politische Personal und ihr medialer Anhang haben eine Art Kriegsvolksgemeinschaft zu präsentieren. Dafür sind die Staats- und Konzernmedien bereit, den Anschein von Journalismus zu wahren. Deutsche Bürgermedien sind Propagandaorgane der aggressivsten Kreise des deutschen Kapitals geworden - sie arbeiten wesentlich gleichförmiger als zu Zeiten des völkerrechtswidrigen NATO-Angriffskrieges auf Jugoslawien 1999 oder des “Krieges gegen Terror”, der 2001 nach den Attacken in den USA ausgerufen wurde.

Das deutsche Monopolkapital hat sich zum dritten Mal seit 1900 auf den Weg gemacht, einen „Platz an der Sonne“ zu erringen. Das ist die Erklärung für den politischen Kotau vor Washington, den die jetzige Bundesregierung vollzogen hat, und dafür, gegen die eigenen Interessen die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland weitgehend zu kappen. Es genügt auf eine ökonomische Kennziffer zu verweisen: Die deutschen Investitionen in Russland, also der Kapitalexport, hatte 2019 eine Höhe von 24,6 Milliarden US-Dollar. Die Ziffer für die USA: 522 Milliarden US-Dollar, also mehr als das 20fache. So sehr man sich scheinbar damit abfindet, dass die US-Monopole gegenwärtig die größten Kriegsgewinner sind, so klar ist das Ziel, die EU noch in ganz anderer Weise als bisher zu einem Machtblock unter deutscher Führung zu machen. Entsprechend blüht der deutsche Größenwahn.

Liebe Genossinnen und Genossen!

Zum Krieg nach außen gehört der verschärfte Klassenkampf im Innern. Die angeblich so kurzzeitige Inflation dauert nun seit fast zwei Jahren, weitere Teuerungsschübe sind angekündigt. Im ersten Halbjahr 2022 gab es erhebliche Reallohnverluste, die Furcht davor, für die Ukraine im Winter frieren zu müssen oder nicht genug zu essen zu haben, greift um sich. In den vergangenen Monaten verzeichnete der deutsche Einzelhandel Umsatzrückgänge im Rekordbereich, noch mehr verlor der Lebensmitteleinzelhandel. Die Menschen haben zu wenig oder kein Geld mehr.

Klassenkampf nach innen heißt aber auch, die Schraube gegen Linke und ihre Organisationen fester zu drehen. Erinnert sei an den Versuch des Bundeswahlleiters, die DKP von der Bundestagswahl 2021 auszuschließen und bei dieser Gelegenheit auf kaltem Wege zu verbieten. Ähnliches geschieht im Rechtsstreit von „junge Welt“ und Bundesinnenministerium wegen der Erwähnung der Zeitung in den Jahresberichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz: Marxismus wird hier als unvereinbar mit dem Grundgesetz bezeichnet, denn wer von Klassen spreche, verletze die Menschenwürde. Auf derart dümmliche Behauptungen ließ sich nicht einmal das Bundesverfassungsgericht ein, als es 1956 die KPD verbot.

Und da ist zudem die Totschlagfraktion des Kapitals, die Faschisten. Russenhass und die Behauptung, “wir” müssten uns vor russischen Angriffsabsichten schützen, dient der Einschüchterung und damit der Stabilisierung der Heimatfront. Vor allem aber: Keine Woche vergeht, in der nicht ein „Einzelfall“ von Waffen- und Munitionshortung herauskommt. Längst existiert ein Netzwerk gewaltbereiter bewaffneter Nazis. Der Schwund der AfD bei den jüngsten Wahlen ist kein Trost. Diese Partei der Sicherheitsorgane und der Armee (3.000 von knapp 30.000 Mitgliedern gehören den Sicherheitsorganen und deer Bundeswehr an) zerreibt sich gerade innerlich zwischen NATO- und Russland-Unterstützern. Entscheidender ist, dass das, was sie repräsentiert – blinder Hass auf Migranten und insbesondere Muslime, deutschnationaler Größenwahn und völkischer Blut-und-Boden-Wahn – in den Behörden dieses Landes um sich greift und durch CDU und CSU salonfähig gemacht wird.

Eine Katalysator-Rolle kommt dabei der Ukraine, genauer dem Ukraine-Krieg und der in der Ukraine herrschenden Ideologie zu: Wer wie alle großen Medien seit 2014 notorisch leugnet, dass in der Kiewer Regierung Faschisten und extreme Nationalisten das Sagen haben, der lässt einen Botschafter wie Herrn Melnyk und dessen faschistische Gesinnung fast täglich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Rundfunk zu Wort kommen. So gewöhnt man eine ganze Bevölkerung daran, dass es normal ist, wie er zu behaupten, „alle Russen sind Feinde“. Oder wie eine Politikwissenschaftlerin bei Lanz im April: „Ich glaube, wir dürfen nicht vergessen, dass auch wenn Russen europäisch aussehen, dass es keine Europäer sind – im kulturellen Sinne." Das ist heute wieder gängig, das ist von „Untermenschen“ und „jeder Schuss ein Russ“ nicht entfernt, es ist dasselbe: Der Russe als Weltfeind, der nach Annalena Baerbock „ruiniert“ werden soll. Wenn der Kanzler jetzt mit “Slawa Ukraini!” Reden beendet, dann greift er den Gruß auf, den der Zweite große Kongress der Bandera-Organisation OUN im April 1941 in Krakau, also im von den Besatzern so genannten “Generalgouvernement” als faschistischen Gruß annahm. Beschlossen wurde sogar, in welchem Winkel der Arm vom Körper zu spreizen und wie hoch, nämlich über den Scheitel, er zu heben war. Nach den Verbrechen der OUN war der Gruß den Bandera-Faschisten ab 1945 so unangenehm, dass sie diesen Beschluss in einer Dokumentensammlung, die 1955 in München erschien, wegließen. Seit 2018 ist er offizieller Gruß des ukrainischen Militärs, nun benutzt ihn der deutsche Bundeskanzler.

Friedenskampf und Antifaschismus sind 2022 insofern untrennbar wie auch die Sozialproteste. Wir im “Rotfuchs”, der im Februar 2023 25 Jahr alt wird, ziehen daraus die Schlussfolgerung: Wir wirken auf lokaler Ebene mit allen ehrlichen linken Kräften enger zusammen. Wir unterstützen alles, was soziale und Friedensbewegung zusammenbringt. Lasst uns daran mitwirken, den Herrschenden einen heißen Herbst gegen soziale Kälte zu bescheren.

Unsere Forderungen sind:

Verhandeln statt Waffenlieferungen!

Stoppt den Wirtschaftskrieg!

Beschlagnahmt die Krisengewinne!

100 Milliarden für Soziales und das Gesundheitswesen statt für Hochrüstung und Krieg!