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- Zum Grenzregime an der Demarkationslinie
Die nun mit Macht aufbrechenden ökonomischen Disproportionen in der UdSSR und zunehmende politische Widersprüche in der KPdSU und in ihrem Umgang mit Verbündeten hatten tiefgreifende Konsequenzen im RGW und WV und führten zur Krise in der Koalition.
Die zunehmende Überforderung der Grenztruppen durch den erhöhten Druck auf die Staatsgrenze einerseits, Aufrechterhaltung der Ständigen Gefechtsbereitschaft und die Einsätze in der Volkswirtschaft und bei gesellschaftlichen Höhepunkten andererseits führten zur Überforderung des Personalbestandes, dem außerdem die zunehmenden sozialökonomischen Widersprüche und das Demokratie-Defizit im Land nicht verborgen blieben. In der SED wurde administrativ geführt und der Apparat allmächtig. Forderungen nach Innerparteilicher Demokratie wurden diffamiert. Fragen der Truppe an die politische und militärische Führung des Landes blieben nach 1986 zunehmend unbeantwortet. Der Lage durch die Erprobung veränderter Methoden im Kräfteeinsatz an der Staatsgrenze zu entsprechen war wenig wirksam, da die Aufgaben der Grenztruppen im Verteidigungsfall trotz neuer Militärdoktrin 1987 im Wesentlichen unverändert blieben und die Truppe dazu weiter bereitgehalten werden musste.
In diesen Jahren wurde die Entwicklung bestimmt durch:
Die wegen veränderter Bedingungen fällige, nach langer Verzögerung 1988/89 in Angriff genommene Reorganisation der Truppe, die erfolgte Unterstellung der Grenzbrigade Küste und der Passkontrollkräfte des MfS an das Kommando der Grenztruppen wie auch die im Januar 1990 begonnene Bildung des Grenzschutzes der DDR mit polizeilicher Aufgabenstellung wurde von den innen- und außen-politischen Ereignissen überholt. Mit der Grenzöffnung am 9. November 1989 löste sich der Widerspruch zwischen politischem Anspruch und gesellschaftlicher Fehlentwicklung unter Bedingungen des permanenten Kalten Krieges und der längst erfolgten Aufgabe der DDR durch die UdSSR auf reaktionärer Weise.
Das nun noch wirkende Grenzregime zur BRD und Westberlin verband mehr als es trennte, wurde aber auf Wunsch Bonns noch bis 1. Juli 1990 erhalten, während es an der Grenze zu Polen und der CSR deutlich trennender wirkte.
Das Gewaltmonopol des Staates wurde am 10./11. November 1989 endgültig aufgegeben, um Bürgerkrieg vorzubeugen.
Vom 9. November 1989 bis zum 1. Juli 1990 dominierte nunmehr das Verbindende an dieser noch existierenden Staatsgrenze zwangsläufig und in chaotischer und praktisch gesetzloser Form. Die grenzüberschreitende Kriminalität nahm europaweit wirkende Ausmaße an.
Die Ausplünderung einer ganzen Volkswirtschaft begann nun ungehindert.
Mit der Währungsunion am 01. Juli 1990, seit Januar 1990 in Bonn vorbereitet, gaben die seit den Wahlen vom 18. März 1990 Verantwortlichen, von bürgerlicher Demokratie, Freiheits- und Einheitswillen getragen, den Rest an Souveränität der DDR als Verhandlungsmasse auf und so mancher Deutsche verlor seine Würde und manch Anderer den Rest von Anstand und wieder Andere ihr sicher gewähnten Arbeitsplatz und die Wohnung oder gar das Heim.
Darin liegen auch die persönliche Verantwortungslosigkeit und Schuld und zugleich die Tragik - Komik damals maßgeblich Agierender begründet.
Das in den Nachtstunden vom 09. zum 10. November 1989 kein Schuss fiel, verdient eine bleibende Würdigung der damals im Dienst befindlichen Angehörigen der Grenztruppen der DDR auf allen Ebenen, insbesondere in Berlin, der Angehörigen der Passkontrolle des MfS und von Angehörigen der Volkspolizei. Es beweist deren Verantwortungsbewusstsein in schwierigsten Stunden und ihre tatsächliche Haltung zu ihren Mitmenschen. Vom „Wunder“, wie in diesem Zusammenhang so oft kommentiert, kann keine Rede sein. Das ist billiger Populismus wie auch das Märchen vom „Schießbefehl“.
Die Grenzer der SBZ und DDR leisteten 1946 bis 1990 gemeinsam mit der NVA, der GSSD und den anderen Sicherheitsorganen Dienst am Frieden.
Das ist ihr historisches Verdienst.
Trotzdem wurde vielen Grenzern der politisch motivierte Prozess gemacht.
Die Führung der Grenztruppen unter ihrem langjährigen Chef, Generaloberst Klaus Dieter Baumgarten, übernahm öffentlich die Verantwortung für ihre Unterstellten. Sie und viele Grenzer erhielten hohe Haftstrafen.
Die an der Staatsgrenze zur BRD und zu Berlin (West) in der Zeit der deutschen Teilung zu Tode Gekommenen sind ein bitteres Stück unserer gesamtdeutschen Geschichte, die auch gesamtdeutsch verantwortet werden sollte.
Die tatsächlichen Verursacher jedoch verfuhren nach dem Prinzip „ Haltet den Dieb!“ und schlimmer - Mörder von Grenzern laufen frei herum, Menschenhändler, Schlepper, Schieber und Spione werden zu Buch- und Filmhelden, während bis heute Grenzer nach der Haft noch Gerichtskosten zu tragen haben.
Das von der „Interessengemeinschaft Grenzer - Nachlässe und Archiv“ ( IGRA ) erarbeitete Material unter dem Titel
„Entwicklungsetappen der Grenzsicherungsorgane in der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland und in der Deutschen Demokratischen Republik von 1946 bis 1990“
benennt in besonderer Weise geschichtliche Fakten, die für jede Bewertung des Grenzregimes in der SBZ und der DDR von Bedeutung sind.
Auch für den Autor der hier vorgelegten Geschichtsbetrachtung stellte dieses Material neben den persönlichen Erkenntnissen als Zeitzeuge die wesentlichste Quelle dar.
Darüber hinaus sind im Anhang der IGRA – Veröffentlichung fachlich exakte Begriffe benannt, um Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen, wenn man nur will.
Um zukünftig Meinungsäußerungen in der Öffentlichkeit zu diesem umkämpften Thema fundiert abgeben zu können und mit persönlichen Erinnerungen einen wichtigen Beitrag zur Geschichtsbetrachtung zu leisten, ist eine konkret - historische Herangehensweise auch und besonders für uns Zeitzeugen unerlässlich um authentisch zu sein, da wir stets dem Vorwurf der Voreingenommenheit ausgesetzt sind.
Schuldig machen sich, aus welchen Motiven heraus auch immer, Leute des vermeintlich vorauseilenden politischen Gehorsams und des intellektuellen Opportunismus, wenn sie sich über Geschichtsprozesse öffentlich äußern um ihrem Ego zu dienen.