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- Der Große Vaterländische Krieg (GVK) im Jahre 1944 – Teil II
Das entscheidende Jahr im GVK bei der Zerschlagung der faschistischen Wehrmacht
Die Sommeroffensiven der Roten Armee 1944
zusammengestellt aus Pressematerial zum 2. Weltkrieg und des Großen Vaterländischen Krieges (GVK) und aus
den Memoiren der Marschälle der Sowjetunion K.G. Schukow und A. M. Wassilewski. *
von Generalmajor a. D. Sebald Daum
Nach der Befreiung der Krim 1944 begannen, nach einer kurzen Pause, die Sommer- und Herbst- Offensiven der Roten Armee. Auch nach der Eröffnung der zweiten Front durch die Alliierten, blieb die Ostfront die Hauptfront des Zweiten Weltkrieges. Das zeigt sich auch in der Konzentration der Kräfte des faschistischen Deutschland an diesen Fronten. (siehe Anlage 1).
Im Juni 1944 standen von den 302 Divisionen des Feldheeres und der Waffen-SS 179 deutsche Divisionen und 60 Divisionen der faschistischen Verbündeten an der Ostfront im Einsatz. In Westeuropa waren es 59, in Italien 26 und in den restlichen okkupierten Gebieten, wie Jugoslawien, Griechenland und Albanien insgesamt 19 Divisionen.
Bereits am 1.Mai 1944 begannen, entsprechend dem Befehl Stalins, die Planungen für die weiteren Operationen. Deren Ziel bestand darin, „... das gesamte Sowjetland von den faschistischen Eindringlingen zu säubern und die Staatsgrenzen in ihrem ganzen Verlauf von der Barentssee bis zum Schwarzen Meer wiederherzustellen und die Völker Europas von der faschistischen Sklaverei zu befreien“. Ende Mai waren durch den Generalstab der Roten Armee die Planungen der Sommer und Herbst- Offensiven für das Jahr 1944 abgeschlossen und die Reihenfolge der Durchführung der sieben weiteren großen Strategischen Schlägen mit 36 Einzeloperationen der Fronten und Armeen, von Karelien bis zu den Karpaten, festgelegt. (siehe Anlage 2).
Die Kampfhandlungen begannen mit der Wyborger – Petrosawodsker Operation der Leningrader- und Karelischen Front in der Zeit vom 10. Juni bis 09. August. Weiter folgten dann die Operationen in Weißrussland mit dem Hauptschlag „Bagration“ vom 23. Juni bis 29. August durch die 1. Baltische-, die 3. 2. und 1. Belorussische Front mit der 1. Polnischen Armee.
Mit der Lwow – Sandomirsker strategischen Angriffsoperation vom 13. Juli bis 29. August durch die 1.
Ukrainische Front und der ab 05. August gebildeten 4. Ukrainischen Front, wurde die Westukraine befreit und bis zur polnischen Grenze im Süden vorgestoßen.
Die Befreiung Moldaviens, Rumäniens, Bulgarien erfolgte durch die Iasi – Kischinjowsker strategischen Angriffsoperation in der Zeit vom 20. August bis zum 03. Oktober durch die 2. und 3. Ukrainische Front und die Schwarzmeerflotte. (siehe Anlage 3).
Ab 14. September bis zum 24. November erfolgte die Befreiung der Baltischen Länder durch die Strategische Angriffsoperation der Leningrader Front, der 3., 2., und 1. Baltischen Front sowie der 39. Armee der 3. Belorussischen Front.
In der Angriffsoperation vom 27. bis 29. Oktober wurden durch die Karelische Front im Zusammenwirken mit der Sowjetischen Nordflotte auf dem Nebenkriegsschauplatz die deutschen Truppen im Norden Finnlands und Norwegens zerschlagen.
Ab 08. September bis 13. Februar 1945 wurden durch die 2., 3. und 4. Ukrainische Front die abschließenden Operationen zur Befreiung Jugoslawiens und von Teilen der Tschechoslowakei und Ungarns durchgeführt.
Im Weiteren soll hier eine der größten und entscheidenden strategischen Operationen des Jahres 1944 durch die Roten Armee, die Operation „Bagration“, näher betrachtet werden. (siehe Anlage 4).
Belorussland spielte für beide Seiten eine große Rolle. Für die Rote Armee verlief durch Belorussland der kürzeste Weg zur polnischen Grenze. Hier stand die noch stärkste deutsche Gruppierung der Wehrmacht mit der Heeresgruppe Mitte und der Heeresgruppe Nordukraine. Das gut ausgebaute Netz von vielen Flugplätzen schuf eine ständige Bedrohung Moskaus durch feindliche Luftangriffe. So entschloss man sich im Generalstab der Roten Armee nach einigen Erwägungen mit zwei fast gleichzeitigen strategischen Operationen mit 11 aufeinander folgenden oder parallelen Einzeloperationen, diese Heeresgruppen zu zerschlagen und den Hauptschlag in Belorussland mit der Operation „Bagration“ zu führen.
Der Plan „Bagration“ wurde am 30. Mai 1944 von Stalin bestätigt und bereits am 31. Mai die entsprechen-den Direktiven den Fronten übermittelt. Durch Desinformationen und Scheinhandlungen gelang es, die gegnerische Seite zu täuschen, so dass Hitler und die Wehrmachtsführung den Hauptschlag im Bereich der HGr. Nordukraine erwartete. Folglich wurde auch hier die stärkste Panzergruppierung konzentriert.
Die Idee der Operation „Bagration“ bestand darin, mit Stößen von 4 Fronten die tief gestaffelte gegnerische Verteidigung der HGr. Mitte an 6 Abschnitten aufzuspalten, die Hauptkräfte der HGr. Mitte zu zerschlagen, Belorussland zu befreien und die vor Smolensk, 80 km vor Moskau, noch stehende Armee des Gegners zurück zu drängen, um die Gefahr von Luftschlägen auf Moskau zu beseitigen.
Im Weiteren, durch einen Vorstoß zur Ostsee und zu den Grenzen Ostpreußens die Verbindung der HGr. Nord und Mitte zu durchtrennen und damit wichtige Voraussetzungen für die weiteren Operationen zu schaffen. Im Folgendem durch Einführung neuer Kräfte die Angriffe bis an die Grenzen Polens und Ostpreußens zu entwickeln.
Dazu wurden auf einer Frontbreite von 1.100 km die 1. Baltische Front unter dem Oberbefehlshaber (OBH) Generaloberst Bagramjan, die 3. Belorussische Front, unter dem OBH Generaloberst Tschernjachowski, (der jüngste OBH der Roten Armee), die 2. Belorussische Front, unter dem OBH Generaloberst Sacharow und die 1. Belorussische Front, unter dem OBH Armeegeneral Rokossowski mit der 2. Panzerarmee und der 1. Polnischen Armee, BH Generalleutnant Berling, eingesetzt. (siehe Anlage 5).
Zur Koordinierung der Handlungen der Fronten durch das Oberkommando, wurden für die 1. Baltische- und 3. Belorussische Front der Marschall der Sowjetunion Wassilewski und für die 2. und 1. Belorus-sische Front der Marschall der Sowjetunion Schukow von Stalin beauftragt.
Durch Umgruppierungen und Heranführen von weiteren Kräften und Mitteln wurde das entscheidende Übergewicht im Kräfteverhältnis, besonders in den Hauptrichtungen geschaffen .
Auch die Handlungen der Partisanen im Hinterland des Gegners wurden durch den Generalstab genau abgestimmt und deren Operationen geplant.
In Vorbereitung der Operation wurde ein sehr umfangreiche politische und militärische Ausbildung organisiert In den Stäben wurden Teile der geplanten Handlungen als Kommandostabsspiele und Trainings durchgespielt, wobei besonderes Augenmerk auf das Zusammenwirken mit der Artillerie und den Fliegerkräften gelegt wurde. Durch Ausbildungsmaßnahmen wurden die Truppen auf die bevor-stehenden Kampfhandlungen vorbereitet. Besonders das Zusammenwirken der Waffengattungen wurde geübt.
Eine gewaltige Arbeit musste zur materiell - technischen Sicherstellung der Operation geleistet werden.
Neben der Zuführung von neuen Kräften, wie 5 allgemeine Armeen, 2 Panzerarmeen, der Polnischen Armee, einer Luftarmee und weiteren Korps, Selbständigen Brigaden und Regimentern aller Waffengattungen, mussten innerhalb kürzester Zeit mehr als 400.000 Tonnen Munition, 300.000 Tonnen Treib- und Schmierstoffe und 500.000 Tonnen Verpflegung und Futter den Fronten bereitgestellt werden. Dies war unter Berücksichtigung der zerstörten Transportwege der Bahn und der Straßen, eine gewaltige Leistung. All diese Aufgaben mussten unter größter Geheimhaltung und durch entsprechende Tarn - und Täuschungsmaßnahmen durchgeführt werden, was auch zum größten Teil als gelungen anzusehen ist.
In der Nacht vom 19. zum 20. Juni begannen die Partisanen mit tausenden von Sprengungen die Eisenbahnlinien der Wehrmacht zu unterbrechen, womit der Nachschub erheblich gefährdet wurde.
Am 22. Juni wurden an wichtigen Frontabschnitten durch gewaltsame Gefechtsaufklärung eine Präzisierung der bisherigen Aufklärungsergebnisse über das Feuersystem und die Lage des Gegners in der Hauptkampflinie erreicht. Am Morgen des 23. Juni 1944 begann, unerwartet für den Gegner, mit einer gewaltigen Artillerievorbereitung und Schlägen der Fern - und Frontfliegerkräfte, die Offensive durch die Hauptkräfte der 1. Baltischen, sowie der 3. und 2. Belorussischen Front und ein Tag später durch die 1. Belorussische Front. Trotz erbitterter Gegenwehr, brach nach zwei Tagen die gegnerische Verteidigung zusammen. Bis zum 27. Juni waren durch die 1. Baltische und die 3. Belorussische Front große Teile der 3. Panzerarmee (5 Divisionen) bei Witebsk und der 9. Armee (6 Divisionen) der HGr. Mitte bei Orscha und Bobruisk eingeschlossen und vernichtet. Durch die entstandenen Breschen konnten so Stoßgruppierungen der 2. und 3. Belorussischen Front zügig in Richtung Minsk vorstoßen.
Auch die Ablösung des OBH der Heeresgruppe Mitte, Feldmarschall Busch, durch Feldmarschall Model, die Heranführung von Panzerverbänden von der HGr. Nordukraine zur Verstärkung, konnten die Katastrophe nicht mehr verhindern. Am 03. Juli drangen erste Verbände der 3. Belorussischen Front in Minsk ein und konnten bis zum Abend die Hauptstadt Belorusslands von den faschistischen Truppen befreien.
Die 4. Armee der HGr. Mitte musste sich zurückziehen und wurde östlich Minsk mit ihren Hauptkräften eingekesselt. Auch der Versuch, mit den versprengten Truppen unter Führung von Generalleutnant Vincenz Müller, auszubrechen, misslang. Den Befehl General Müllers zum Einstellen der Kampfhandlungen befolgten nicht alle Truppenteile. Der Kessel mit mehr als 100.000 Soldaten war am 07. Juli liquidiert. Die Front der HGr. Mitte war somit Anfang Juli völlig zusammen gebrochen. Diese HGr. hatte von ihren vier Armeen drei verloren. Mehr als 28 Divisionen waren zerschlagen. Mehr als 350.000 Soldaten waren gefallen, verwundet oder in Gefangenschaft geraten, unter ihnen über 30 Generäle.
Die Stoßgruppierungen der sowjetischen Armeen stießen nun im raschen Tempo in die Tiefe vor. Durch die Vorstöße der Truppen der 1. Baltischen Front wurden die HGr. Nord von der HGr. Mitte getrennt. Mit Teilen erreichte sie die Rigaer Bucht und schnitten so die HGr. Nord von ihren rückwärtigen Verbindungen ab. Die 3. Belorussische Front stieß ebenso entschlossen in Richtung Vilnus vor, kesselte die Garnison Vilnus mit über 15.000 Mann ein und befreite am 13. Juli diese Stadt. Danach forcierten die Truppen den Neman und nahmen am 01. August die Stadt Kaunas ein.. An den Kämpfen am Neman nahm auch das französische Fliegerregiment „Normandie“ teil, wofür es den Ehrennamen „Njemen“ erhielt.
Die 1. Belorussische Front konnte nach schweren Kämpfen am 28. Juli die Stadt Brest einnehmen. Stoßgruppierungen der Front durchbrachen die gegnerische Verteidigung westlich Kowel und erreichten am 20. Juli den westlichen Bug, und damit polnischen Boden. Am 25. Juli erreichten Einheiten der 2. Panzerarmee und zwei Tage später die 1. polnische Armee und die 8. Gardearmee die Weichsel im Raum Magnuszew und durch die 69. Armee im Raum Deplin, wo es ihnen gelang, noch zwei Brückenköpfe zu bilden. Die 2. Panzerarmee stieß dann weiter in Richtung Warschau vor und erreichte am 28. Juli die Warschauer Vorstadt Praha, wo sie auf massiven Widerstand der faschistischen Truppen stieß (siehe auch Anlage 4).
Mit dem Vordringen der sowjetischen Truppen zur Weichsel versuchte die bürgerliche polnische Exilregie- rung in England die Situation aus zu nutzen und löste am 01. August 1944, ohne Absprachen mit der sowjetischen Seite, durch den Befehlshaber der polnischen „Armija Krajowa“, General Kormarowski, den Warschauer Aufstand aus. Die Rote Armee, insbesondere die 1. Belorussische Front war nicht in der Lage, die Befestigungsanlagen aus der Bewegung heraus einzunehmen. Dazu waren die Truppen zu sehr geschwächt. Versuche, Kontakte mit den Aufständischen auf zu nehmen, wurden abgelehnt.Trotz- dem wurde durch Abwürfe von Waffen, Munition und Versorgungsgütern aus Flugzeugen versucht, zu helfen. Zu spät ersuchte dann die polnische Seite aus London bei der sowjetischen Seite um Hilfe. Die Versuche der 2. und der 1. Polnischen Armee in die Stadt einzudringen, wurden mit großen Verlusten bezahlt und gelangen nicht. Der Warschauer Aufstand wurde durch die faschistische Wehrmacht mit großen Verlusten für die Polen brutal niedergeschlagen. Dieser Aufstand war ein unüberlegtes Abenteuer, das zu vermeiden gewesen wäre, hätte man sich vorher mit der sowjetischen Seite abge-sprochen.
Damit endete die Operation „Bagration“. Die Ziele waren erreicht, 36 Mal wurde zu Ehren der Siege der vier Fronten in Moskau Salut geschossen.
Im Ergebnis der Operation „Bagration“ waren in zwei Monaten erbitterter Kämpfe die sowjetischen Truppen auf einer Frontbreite von 1.100 km 550 bis 600 km tief nach Westen vorgedrungen und schufen so günstige Bedingungen für die weiteren Operationen zur Vernichtung der faschistischen Unterdrücker.
Aber der Sieg war schwer erkämpft worden. Die Verluste auf sowjetischer Seite waren groß. Mit mehr als 178.000 Gefallenen und über 580.000 Verwundeten wurde ein hoher Blutzoll für die Befreiung Beloruss-lands bezahlt.
Die Wehrmacht erlebte eine weitere Katastrophe, die größer war als die in Stalingrad. Die Heeresgruppe Mitte der Wehrmacht war zerschlagen. Mehr als 400.000 Mann verloren, 28 Divisionen und 3 Brigaden vernichtet und die anderen Divisionen, mit weniger als 50 - 60% Kampfbestand, kaum noch kampffähig. Um die Lage an der Ostfront zu stabilisieren mussten von anderen Frontabschnitten 46 Divisionen und 4 Brigaden der Wehrmacht, darunter 18 Divisionen und 4 Brigaden von der Westfront, herangeführt werden, was auch den Alliierten zum Vorteil gereichte. Diese Niederlage hatte auch ihren Einfluss auf die Handlungen der Gegner Hitlers in der Wehrmacht und zwang sie zum Handeln, wie das Attentat Stauffenbergs am 20. Juli zeigte. Vor allem aber unterstützte sie den Widerstand gegen das faschistische deutsche Regime in einer Reihe von europäischen Ländern und in Deutschland.
70 Jahre nach dieser blutigen Schlacht mit großen Opfern und hohen Blutzoll beider Seiten, sollte man nicht schon wieder von einer „größeren Verantwortung Deutschlands, auch mit Einsatz von militärischen Mitteln“ reden und schon wieder den Krieg als Lösung der Probleme ansehen.
* Literaturhinweise: „Der II. Weltkrieg“ Militärverlag der DDR, Berlin 1972; „Erinnerungen und Gedanken“ Marschall der SU Georgi K. Schukow (Deutscher Militärverlag 1969); „Sache des ganzen Lebens“ Marschall der Sowjetunion Alexander M. Wassilewski (Militärverlag der DDR 1977); „Zur Geschichte der UdSSR und der KPdSU“ (Eigenverlag Klaus Hesse Leipzig 2012);