15.12.2022

Die 2. Etappe der Stalingrader Schlacht
vom 19. November 1942 bis 02. Februar 1943,
der Beginn der Strategischen Wende
im Großen Vaterländischen Krieg.



Zusammengestellt aus Materialien des Pressedienstes des Ministeriums für Verteidigung der
Russischen Föderation, des „Militärhistorischen Abriss „Der Zweite Weltkrieg“ des
Militärverlages der DDR 1972 und der Memorieren der Marschälle der Sowjetunion
G.K.Schukow und W.I. Tschuikow

von Generalmajor a.D. Sebald Daum


Die Schlacht um Stalingrad begann am 17. Juli 1942 und endete mit der Zerschlagung der 6. Armee und weiterer Truppen der Wehrmacht am 02. Februar 1943. 200 Tage und Nächte kämpften an den Ufern des Dons, der Wolga und in der Stadt Stalingrad mehr als zwei Millionen Soldaten auf beiden Seiten in einer der opferreichsten Schlachten im GVK.
Die Schlacht selbst kann man in zwei Perioden einteilen.


Die erste Periode, als Verteidigungsperiode der Sowjetischen Truppen, begann an den Zugängen zu Stalingrad am 17. Juli 1942 mit der Abwehr der Angriffe der 6. Armee der Wehrmacht, Befehlshaber (BH) Generaloberst F.Paulus.

Die 6. Armee, die zur Heeresgruppe „B“ gehörte, war mit 17 Divisionen, davon 3 Panzer-und Mech.-Divisionen, unterstützt durch die gesamte 4. Luftflotte zur Einnahme der Stadt Stalingrad eingesetzt. Das waren fast 300.000 Mann, mehr als 3.000 Geschütze, 500 Panzer und 1.200 Flugzeuge. In erbitterten Kämpfen, mit hohen Verlusten auf beiden Seiten, gelang es der 6. Armee zwar in die Stadt an der Wolga einzudringen, musste aber auf Grund des hartnäckigen Widerstandes der Roten Armee auf der gesamten Front dann zur Verteidigung übergehen. Damit war das gestellte Ziel für die Wehrmacht 1942 nicht erreicht
Die unmittelbare Verteidigung der Stadt Stalingrad wurde durch die 62. Armee unter dem Befehl von Generalleutnant Tschuikow (ab 10. September) und der 64. Armee, unter dem Befehl von Generaloberst Schumilow (ab 04. August) durchgeführt. Sie hatten zu Beginn der Abwehrhandlungen zusammen 166.000 Mann, 2.200 Geschütze und Granatwerfer, 400 Panzer und ca. 600 Flugzeuge zur Verfügung.
Mit dem 19. November endete die erste Periode dieser mörderischen Schlacht und es begann die
zweite Periode der Stalingrader Schlacht, die Angriffsperiode, mit dem Gegenangriff der Sowjetischen Truppen zur Einkreisung der 6. Armee und Teilen der Heeresgruppe „B“ der Wehrmacht und deren spätere vollständige Zerschlagung und Gefangennahme.

  Bereits während der Verteidigungshandlungen, entstanden bei den Befehlshabern, wie Jeremenko, aber vor allem bei Schukow, dem Stellvertreter Stalins und Wassilewski, dem Chef des Generalstabes der Roten Armee, als oberste Vertreter des STAWKA bei der Stalingrader Schlacht, der Gedanke größerer Angriffshandlungen, um die Strategische Initiative zurück zu gewinnen. Wie Marschall Schukow in seinem „Erinnerungen und Gedanken“ darlegt, hatte er gemeinsam mit Marschall Wassilewski bereits Mitte September 1942 bei Stalin solch eine Idee und einen Vorschlag vorgetragen. Stalin bestätigte diesen Plan, verlangte aber diesen streng geheim unter dem Codenamen „URANUS“ durch einen kleinen Kreis konkret zu planen und dafür die notwendigen Reserven bereitzustellen. 

Die Idee bestand darin, mit zwei Gruppierungen nördlich Stalingrad, aus dem Brückenkopf am Don im Raum Serofimowitsch, mit 4 Armeen der Süd-Westfront und der Donfront und südlich Stalingrad, mit der Stalingrader Front mit 4 Armeen aus dem Raum Iwanowka, die Verteidigungsstellungen an den Flanken der faschistischen Wehrmacht, der 3. und 4. Rumänischen Armeen zu durchbrechen, die 6. Armee in Raum Stalingrad , ein zu schließen und zu vernichten, sowie mit Teilen der Angriffsgruppierung den Kessel nach außen zu sichern In verhältnismäßig kürzester Zeit, von 1. bis 18. November, gelang es die Angriffsgruppierungen zu schaffen. Dazu wurden aus den Reserven des Oberkommandos den Fronten neue , frische Kräfte zu geführt. Das waren 4 Panzer-, 2 Mechanisierte- 2 Kavalleriekorps, 17 selbstständige Panzerbrigaden und Regimenter, 6 Infanterie Brigaden und 10 Infanterie Divisionen sowie 230 Artillerie- und Geschoßwerferregimenter. Insgesamt waren das ca. 1,135 Millionen Mann, 15.000 Artilleriegeschütze, Geschoß- und Granatwerfer, 1.500 Panzer und Selbstfahrende gepanzerte Artillerie und 1.900 Flugzeuge.

Ihnen standen die 6.Armee, die 4. Panzerarmee der Wehrmacht, die 3. und 4. rumänische Armee der Armeegruppe „B“ mit ca. 1.01 Millionen Mann, ca. 10.300 Geschützen, 675 Panzer, und bis 1.200 Flugzeuge gegenüber.

Am 19. November begann die Süd-Westfront und die Don Front nach 80 Minuten Artillerievorbereitung den Angriff, durchbrachen mit ihren Hauptkräften die Stellungen der 3. rumänischen Armee und drangen bereits am ersten Tag bis 30 km in die Verteidigung der rumänischen Armee ein. Die 65. Armee an der linken Flanke handelnd, stieß bei ihrem Angriff auf starken Widerstand und konnte nur etwa 3-5 km tief in die Verteidigung eindringen.
Am 20. November begann die Stalingrader Front, ebenfalls nach einer gewaltigen Artillerievorbereitung, ihren Angriff, durchbrach die Stellungen der 4. rumänischen Armee und konnte sich bereits am 23. November im Raum Kalatsch und Sowjetski mit den Truppen der Süd-West Front vereinigen. Damit waren die 6. Armee von Paulus und Teile der anderen angegriffenen Armeen in einem Kessel eingeschlossen. Bereits am 30. November war die Operation zur Einkreisung und Blockierung der faschistischen Kräfte abgeschlossen, sowie ein äußerer Ring der Einkreisung auf einer Länge von 450 km, mit einem Abstand von 40 bis 100 km vom inneren Ring der Einkreisung der 6. Armee, geschaffen. Damit waren die Bedingungen für die Zerschlagung der Stalingrader Gruppierung der Wehrmacht gegeben. Die geplante schnelle Zerschlagung der 6. Armee Paulus und der anderen eingeschlossenen Kräfte aus der Bewegung, gelang jedoch nicht.
Die Wehrmacht versuchte ab 12. Dezember, mit der neu geschaffenen Heeresgruppe Don unter Feldmarschall von Manstein und der Armeegruppe Hoth, mit der Operation „Wintergewitter“, den Einkreisungsring aufzubrechen. Dazu wurden auch aus Frankreich neue Kräfte zu geführt, darunter auch erstmals eine Panzergruppe mit dem neuen schweren Panzer „Tiger“. Trotz anfänglicher Erfolge der Armeegruppe Hoth (auch 4. Panzer Armee genannt) die fast 40 Km an Stalingrad herankam, gelang das Aufbrechen des Kessels nicht. Die Rote Armee zwang die Heeresgruppe Hoth den Rückzug anzutreten.

Im Gegenzug begannen die sowjetischen Truppen am 16. Dezember durch die Süd-Westfront ihre Angriffshandlungen, auf die Stellungen der 8. italienischen Armee. Durch das schnelle Vordringen gelangten sie in den Rücken der Heeresgruppe Don, sodass die Armeegruppe unter General der Infanterie Hollidt, die eigentlich für den Durchbruch zur 6. Armee bereit gestellt war, jetzt diesen Abgriff abwehren musste. Gleichzeitig wurde der Ring um die 6. Armee von Paulus immer enger gezogen und die Armee vollständig zu Lande und aus der Luft blockiert. Eine Versorgung aus der Luft war nun fast ausgeschlossen. Trotz der katastrophalen Lage wollte die Führung der 6. Armee nicht kapitulieren.

 
Die endgültige Zerschlagung der faschistischen 6. Armee in Stalingrad

Das Oberkommandoder sowjetischen Armee erarbeitete nun den Plan zur Zerschlagung der 6. Armee in Stalingrad und der dort eingeschlossenen Truppen der Heeresgruppe "B", die immer noch mehr als 250.000 Mann. 4130 Geschütze, 300 Panzer und noch ca. 100 Flugzeuge zur Verfügung hatten. Die Operation mit dem Codenamen „Kolzo“ (Ring) wurde durch die Don-Front unter dem Befehl von Generalleutnant ( ab 15.01.1943 Generaloberst) Rokossowski durchgeführt.

  Vor Beginn der Operation, am 8. Januar 1943, stellte die Führung des Oberkommandos und der Don Front der eingeschlossenen Gruppierung unter Generaloberst Paulus ein Ultimatum, unterschrieben von General Woronow , dem Vertreter des Oberkommandos und General Rokossowski, zur Einstellung der Kampfhandlungen und ehrenhaften Kapitulation. Dies wurde von Paulus abgelehnt. Damit begann am 10. Januar 1943 , gleichzeitig von allen Seiten des Kessels, die Zerschlagung der faschistischen Truppen, die immer noch heftigen Widerstand leisteten.Trotz der weiteren Verschlechterung der Lage, besonders durch den Verlust ihres letzten Flugplatzes in Pitomnik, lehnte die Führung unter Paulus einen erneuten Vorschlag der sowjetischen Seite zur Kapitulation wiederum ab.  

 Am 26 Januar, in den Abendstunden vereinigten sich die Truppen der 21.Armee unter dem Befehl von Generalleutnant Zistjakow, mit Teilen der angreifenden 62. Armee von Generaloberst Tschuikow um die Höhe des „Mamai Kurgan und dem Stadtteil „Roter Oktober“, womit die eingekesselten Truppen in zwei Gruppen auf gespalten wurden. Die südliche Gruppe mit Resten von 9 Divisionen unter dem Befehl von Paulus und die nördliche Gruppe mit Resten von 12 Divisionen unter dem Befehl von General der Infanterie Strecker, einem Durchhalte-General, ebenso wie der Chef des Stabes der 6. Armee, Generalleutnant Schmidt.
Die Lage der 6. Armee im Kessel war hoffnungslos. Trotzdem wagte Paulus nicht, dem Sterben durch eine Kapitulation ein Ende zu bereiten. Es gab, wie Oberst Adam, der 1. Adjutant der 6. Armee unter Paulus in seinem Buch „Der schwere Entschluß“, schreibt, eine Reihe von Generälen, wie General der Artillerie von Seydlitz, die Generalleutnante Schlömer, Edler von Daniels und Deboi, die Generalmajore Roske, Lattmann, von Lenski und Dr. Korfes sowie noch andere Offiziere, die Paulus bedrängten, den Befehl zu Einstellung der Kampfhandlungen zu geben. Paulus lehnte, mit dem Hinweis auf den „Führerbefehl“, immer ab. Dafür wurden immer mehr Oden verteilt, wie Oberst Adam schreibt. Das Sterben ging aber weiter. Erst als ein sowjetischer Panzer vor dem letzten „Hauptquartier“ von Paulus, (im Keller des Kaufhauses) stand, ergab man sich.

Am 31. Januar 1943 ging dann der noch am gleichen Tag früh zum Generalfeldmarschall beförderte Paulus mit dem übrig gebliebenen Resten des Stabes und denn Resten der südlichen Gruppe der 6. Armee in Gefangenschaft. Am 2. Februar kapitulierten auch die restlichen Teile der 6. Armee. Von den ursprünglich eingeschlossenen fast 300.000 Soldaten und Offizieren gingen gerade noch 91.500 in die Gefangenschaft, darunter 2.500 Offiziere und 24 Generäle. 

In der fast sechs Monate dauernden Schlacht erlitt die faschistische Wehrmacht eine vernichtende Niederlage.

 

Ihr Plan, die Sowjetunion in einem Blitzkrieg zu vernichten, war nun endgültig gescheitert. Das Öl im Kaukasus nicht erreichbar. Sie verlor die strategische Initiative an der Ostfront. Die 6. Armee gab es nicht mehr. Die 4. Panzerarmee, die 3.und 4. rumänische Armee, die 8. italienische Armee waren zerschlagen. 32 Divisionen und 3 Brigaden waren vollständig vernichtet. Die Verluste betrugen mehr als 840.000 Mann und eine gewaltige Zahl militärischen Kriegsmaterials.

Aber auch die Rote Armee bezahlte diesen Sieg mit einem hohen Blutzoll von fast einer Million Menschen.
Dieser Sieg gab aber der Armee und dem sowjetischen Volk nach all den bitteren Monaten der Rückschläge, des Rückzuges und der Opfer der Jahre 1941 und 1942 die Gewissheit zurück, den Feind, der tief in ihr Landeingedrungen war, zu besiegen. Dieser Sieg zeigte die gewachsen Stärke der Roten Armee, festigte ihre Kampfkraft und den Willen im Volk den Feind endgültig zu schlagen und war ein Beweis gewachsener Kriegskunst sowjetischer Heerführer sowie die Bestätigung der historischen Wahrheit, dass durch eine verlorene Schlacht nicht der Siegeswille des russischen Volkes gebrochen wird.

Der Sieg hatte auch internationale Auswirkungen auf den Widerstand gegen den Faschismus in Europa und auch auf die Führungen Japans und der Türkei, ihre Zusammenarbeit mit dem faschistischen Deutschland neu zu ordnen.Es beeinflusste auch die Regierungen in England und Amerika, ihre Bündnispflichten neu zu überdenken.

Das Land und die Führung der Sowjetunion ehrten ihre siegreichen Truppen mit hohen Auszeichnungen.
183 Truppenteile und Verbände erhielten den Ehrentitel „Garde“, darunter die 62. Armee, nun als 8. Garde Armee und die 64. jetzt neu als 7. Garde Armee. 44 Verbände und Truppenteile erhielten Ehrennamen. 112 Soldaten und Offiziere erhielten den Ehrentitel „Held der Sowjetunion“ und mehr als 10.000 wurden mit Orden und Medaillen ausgezeichnet.

Am 01. Mai 1945 wurde auf Befehl Stalins, der Stadt Stalingrad der Ehrentitel „Heldenstadt“ verliehen.
Die völlig zerstörte Stadt wurde wieder neu und noch schöner durch ihre Bürger aufgebaut.
In der Heldenstadt Stalingrad, jetzt Wolgograd, gibt es heute mehr als 200 historische Plätze und Einrichtungen, die an diese Schlacht und ihre Helden erinnern, darunter das bedeutsamste Memorial auf dem „Mamai Kurgan“ mit dem Denkmal „Mutter Heimat,“, dem „Pawlowhaus“ und seit 1982 das Panorama Museum „Stalingrader Schlacht“.  
 

Am 13. März 1995 wurde durch die Duma das Gesetz beschlossen, den 2. Februar als Gedenktag zu Ehren der Stalingrader Schlacht in der Russischen Föderation einzuführen. Im ganzen Land werden zu Ehren des 80. Jahrestages des Sieges in der Schlacht um Stalingrad unzählige Maßnahmen der Ehrungen wie wissenschaftliche Konferenzen, Treffen mit Veteranen und den heutigen Helden, thematische Exkursionen zu den Heldenplätzen, Ausstellungen, Buchlesungen und vieles andere mehr mit Schüler und den "Jungarmisten" durchgeführt

Auch in der heutigen russischen Armee tragen die Truppenteile, Verbände und Armeen ihre Ehrennamen, ihre Orden, die sie in dieser Schlacht erhielten und pflegen deren Ruhm in ihrer Traditionsarbeit. Als Beispiel möchte ich die 1993 aufgelöste und im Jahre 2017 wieder neu aufgestellte 8. Garde Armee im Südlichen Militärbezirk der Russischen Föderation nennen, die die Tradition der ruhmreichen 8. Garde Armee (ehemals 62.A), die auch in Nora in der DDR, stationiert war, fortsetzt. Dies gilt auch für die heutige 21. selbsständige Mot.-Schützen Brigade, die die Tradition der 27. Garde Schützen Mot.-Division der 8. Garde Armee, die in Halle stationiert und Partner der 11. MSD der NVA war.

 

 

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