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- 30 Jahre Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung e.V.
02.05.2023
Nach dem Anschluss der DDR an die Bundesrepublik Deutschland am 03.10. 1990 begann die politische Strafverfolgung gegen Bürger der DDR, vorrangig gegen Angehörige der Schutz- und Sicherheitsorgane, gegen Staatsanwälte und Richter, Kundschafter des Friedens und Politiker. Bis 2005 dauerten die Prozesse – vor Amtsgerichten bis zum Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht.
Ein Fall wurde vor dem EU-Menschenrechtsgerichtshof verhandelt.
Mit den Verfolgungen, Prozessen und Verurteilungen wurde gegen internationales Recht und gegen das Grundgesetz der BRD verstoßen. Willkürlich wurde DDR-Recht ignoriert, Rechtskonstrukte wurden zur Kriminalisierung entwickelt und angewandt.
Insgesamt betrafen die Verfolgungen über 100 000 Bürgerinnen und Bürger, ca. 1 000 wurden verurteilt.
Hier ein Auszug aus der Dokumentation der GRH:
"Bilanz der politischen Strafverfolgung in Deutschland nach 1990":
Der politischen Strafverfolgung unterlagen:
105.000 Bürger der DDR,
3.000 Bürger der Alt-BRD und Westberlin.
Die Bundesdeutsche Polizei und Justiz leiteten 85.000 Strafverfahren ein.
Daraus erfolgten die Verurteilungen von 281 Angehörigen der Grenzschutzorgane der DDR, darunter:
249 Angehörige der Grenztruppen der DDR
23 Angehörige der Nationalen Volksarmee,
9 Angehörige weiterer Sicherheitsorgane der DDR im Grenzdienst.
Bei diesen Verurteilungen sprachen die Bundesdeutschen Gerichte:
30 Freiheitsstrafen,
249 Strafen mit Bewährung,
1 Geldstrafe
8 Schuldsprüche ohne Strafe aus.
Alle Verurteilten verbüßten eine Strafe nach der Strafe. Sie befanden sich in einer schwierigen psychischen und sozialen Situation. Durch Strafrenten, wie Wegfall von Pensionen und Renten wurde teilweise die Existenzgrundlage entzogen.
Zusätzlich mussten und müssen sie jahrelang, oft bis an ihr Lebensende hohe Gerichts- und Anwaltskosten begleichen.
Einige wenige Beispiele von Verurteilten:
Keßler, Heinz, Armeegeneral a.D.
Zwei Jahre Untersuchungshaft, Sieben Jahre Haft;
Geier, Bernhard, Generalmajor a.D. der Grenztruppen der DDR
Zwei Jahre und sechs Monate Haft. Wegen Krankheit umgewandelt in drei Jahre Bewährung;
Geschke, Heinz, Oberst a. D. der Grenztruppen der DDR
Drei Jahre Haft;
Leo, Günter, Oberst a.D. der Grenztruppen der DDR. Drei Jahre und vier Monate Haft. 41 Verhandlungstage zu sehr hohen Gerichtskosten, die ihn lange Zeit belasteten.
Werner, Heinz-Helmut, Kundschafter der Militäraufklärung der DDR, Neun Jahre Haft (Oberlandesgericht Düsseldorf), 100 00,- DM Verfallstrafe und 50.000,- DM Gerichts- und Anwaltskosten.
Gawol, Erwin, Stabsfeldwebel der Grenztruppen der DDR.
1993 Verurteilung zu lebenslanger Haft. Der BGH musste 2001 die Strafe in drei Jahre Haft umwandeln. Die Zahlung aller Gerichtskosten blieb.
Heyer, Eleonore, ehemalige Abteilungsleiterin beim Generalstaatsanwalt der DDR. Ab 1990: 60 Ermittlungsverfahren, Verhandlungen vor verschiedenen Gerichten an mehr als 250 Verhandlungstagen. Verurteilung in drei Verfahren zu Freiheitsstrafen mit und ohne Bewährung, hohe Geldstrafen und Tragen aller Kosten der Verfahren, mehr, als 50.000,- Euro.
Jedretzky, Irmgard, ehemalige Richterin. 1997 Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Durch Proteste demokratischer Kräfte weltweit und ärztlicher Gutachten wurde 2000 das Urteil " auf Dauer ausgesetzt".
Als sich nach 1990 abzeichnete, was zu erwarten war, gründeten 61 verantwortungsbewußte Genossinnen und Genossen am 19. Mai 1993 die GRH. Die vorrangige Aufgabe bestand in der Organisation der Verteidigung und in der Unterstützung der Verfolgten. Dabei ging es von Beginn an um Wahrheit und Gerechtigkeit, gegen Geschichtsfälschung und um Solidarität nach dem Motto
"UNSERE STÄRKE IST DIE SOLIDARITÄT"
Wir standen den Verfolgten zur Seite und unterstützen sie juristisch und humanitär, in begrenztem Maße auch finanziell.
Ein Beispiel steht für viele der Verurteilten. Nach dem ersten Urteil gegen Stabsfeldwebel Erwin Gawol, eine lebenslange Haftstrafe, strebten verantwortungsvolle und hilfsbereite Juristen einen weiteren Prozess an, bei dem die Strafe umgewandelt wurde (s.o.), aber hohe Gerichtskosten blieben.
Die GRH hat bis zu seinem Tode finanzielle humanitäre Hilfe geleistet.
Ohne Gerichtsbeistand von Rechtsanwälten, auch aus dem "Westteil", wären die Verfolgungen und die Gerichtsverhandlungen gegen unsere Mitglieder u.a. wesentlich ungünstiger verlaufen.
Einen breiten Raum nahm und nimmt der Kampf für Wahrheit und Gerechtigkeit ein. Viele unserer Genossen haben Sachbücher, Biographien, Zeitzeugenberichte u.a. erarbeitet und umfangreiche Veröffentlichungen in den Medien verschiedener Art getätigt. Monatlich erhalten alle Mitglieder und Sympathisanten seit Gründung die monatlichen Mitteilungen und eine Vielzahl von Dokumentationen zu besonderen Höhepunkten, Jubiläen, Jahrestagen und anderen Anlässen. Die AG Grenze organisierte nach 1991 36 Grenzertreffen mit 8200 Teilnehmern. Regelmäßig fanden Kundschaftertreffen statt.
Verweisen möchte ich auf die enge Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und gesellschaftlichen Organisationen, die im Ostdeutschen Kuratorium von Verbänden (OKV) organisiert sind. Viele weitere Informationen sind auf der Webseite der GRH, der Grenztruppen der DDR und der Kundschafter zu finden.
Das Wichtigste für unsere Mitglieder und Sympathisanten sind die persönlichen Kontakte. Zusammenkünfte aller Art und Begegnungen der Genossen untereinander standen und stehen an erster Stelle unserer Arbeit, denn keiner sollte allein gelassen werden. Das ist die schwierigste aber zugleich die schönste Aufgabe.
Wir können feststellen: Die GRH wurde gebraucht und wird gebraucht. Der Kampf um Frieden, für Solidarität, für Wahrheit und Gerechtigkeit, gegen Geschichtsfälschung, für die Wahrung der Menschenrechte, eingeschlossen die politischen Grundrechte, ist noch nicht beendet.
Ernst Hornig
Oberstltn. der VP a.D.
Vorstandsmitglied der GRH