Ein Höhepunkt in der Arbeit der Pionierkameradschaft Havelberg waren die Feierlichkeiten
zum 70. Jahrestag des Kriegsendes in Europa
Unser intensiv und akribisch geplanter Ablauf für den 8. Mai, dem Tag der Befreiung, begann bereits am 7. Mai mit der herzlichen Begrüßung des Delegationsmitgliedes des Veteranenverbandes der GSSD/WGT, Generalleutnant a. D. Miron W. Pawlischin und dessen Ehefrau Sofia. Miron W. Pawlischin war 38 Jahre Angehöriger der sowjetischen/russischen Armee. Von 1991 bis zum 31. August 1994 diente er als Chef der Nachrichtentruppen in Wünsdorf und war nach dem Abzug der WGT aus Deutschland bis zu seiner ehrenvollen Entlassung aus dem aktiven Dienst Stellvertreter des Chefs Nachrichten der russischen Armee. Er und seine Ehefrau waren mit Freude und natürlich mit einer großen Erwartungshaltung unserer Einladung gefolgt. Der vorangegangene fernmündliche und schriftliche Gedanken- und Informationsaustausch hatte diese Erwartungshaltung natürlich auf beiden Seiten geweckt.
Begrüßung unserer Gäste Miron W. Pawlischin (2. von links) und seiner Ehefrau Sofia (3. von rechts) durch die Mitglieder der Pionierkameradschaft Havelberg Dieter Beutling, Erika Beutling,
Michael Ahlendorf, Wulf Richter und Manfred Ramm (nicht im Bild)
Mit einem gemeinsamen Abendessen, vielen interessanten Gesprächen und dem Austausch von Geschenken endete das erste gemeinsame Zusammentreffen. Eines wurde allen Teilnehmern ganz schnell klar: Es gibt zwischen uns keine gesprengten Brücken – wir verstehen uns auch heute noch als Freunde, als Brüder, eben als Waffenbrüder von damals. Die eine oder andere Sprachschwierigkeit konnte dank unseres „Dolmetschers“, Oberst a. D. Michael Ahlendorf sofort überwunden werden.
Nach der morgendlichen Begrüßung am 8. Mai besichtigten wir mit unseren russischen Gästen unsere ehemalige „Kurt-Römling-Kaserne“, die heute von der Bundeswehr genutzt wird, berichteten über den Aufbau und die Entstehungsgeschichte der Kaserne und den NVA-Truppenteilen und Einheiten, die hier stationiert waren sowie über die Lebensgeschichte des Namengebers unserer Kaserne, der in den Reihen der Roten Armee als Aufklärer diente und in der Schlacht um Moskau im November 1941 gefallen ist.
Es folgte ein Besuch des durch uns errichteten Pionier-Ehrenhains, von dessen Entstehungsgeschichte und dem Zweck der Traditionspflege sich Miron W. Pawlischin sehr beeindruckt zeigte.
Dem schloss sich ein Rundgang durch das BUGA-Areal in Havelberg an: Beginnend in der Stadtkirchen St. Laurentius mit einer beeindruckenden Rhododendren-Ausstellung, weiter zu den mit Frühlingsblumen übersäten Terrassenanlagen, den Dom-Gärten, der hervorragend gestalteten Kleingartenanlage und dem Muster-Grabanlagen auf dem ehemaligen Domfriedhof.
Miron W. Pawlischin (links) und Sofia Pawlischina mit den beiden ehemaligen Kommandeuren des PoR-5, Michael Ahlendorf (rechts) und Dieter Beutling in der Havelberger Stadtkirche St. Laurentius
Unterwegs beim Gang durch die Stadt berichtete Manfred Ramm viel Interessantes aus der über tausend-jährigen Geschichte seiner Heimatstadt Havelberg: Miron und Sofia waren immer aufmerksame Zuhörer.
Von der Gestaltung der BUGA-Flächen, der Blüten- und Farbenpracht sowie der Ruhe, Ordnung und Sauberkeit in der Stadt Havelberg waren unsere Gäste sehr begeistert – seinem Fotoapparat gönnte Miron keine ruhige Minute. Und auch das Wetter spielte den ganzen Tag über mit – die Sonne gab ihr Bestes.
Es war 13.00 Uhr geworden – höchste Zeit für eine Pause (die Füße von Sofia verlangten einfach danach) und ein üppiges Mittagessen. Für einen Imbiss oder ein ausgiebiges Mahl gibt es auf dem BUGA-Gelände genügend Gelegenheit. Wir entschlossen uns für das Restaurant am Havelberger Dom mit dem verlockend klingenden Namen „La Dolche Vita“ (nomen est omen!) und wurden nicht enttäuscht.
Nach der wohlverdienten Erholungsphase begann pünktlich um 15.00 das Zeremoniell zur Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal am Platz des Friedens. Kurz zuvor durften wir einen weiteren Gast begrüßen: Auf unsere Einladung hin und im Auftrag des Botschafters der Russischen Föderation in Deutschland war Oberst i. G. Alexander A. Laptev, Stellvertreter des Luftwaffenattachés, nach Havelberg gekommen und nahm am jetzt folgenden Verlauf unserer Gedenkveranstaltung teil.
Die Ehrung der gefallenen Soldaten der Roten Armee begann mit einer Ansprache des Vorsitzenden der Pionierkameradschaft Havelberg Ansprache M. Ramm
Von rechts nach links: Manfred Ramm, Miron W. Pawlischin, Michael Ahlendorf,
Oberst i. G. Alexander A. Laptev
Befreit – Spasibo – Danke!
Auszüge aus der Rede des Vorsitzenden der Pionierkameradschaft Havelberg, Oberstleutnant a. D. Manfred Ramm, anlässlich der Kranzniederlegung am sowjetischen Ehrenmal.
Vor 70 Jahren, am 8. Mai 1945, erlebten die Völker Europas die endgültige militärische Zerschlagung des deutschen Faschismus. Dieses Datum markiert den Sieg der Antihitlerkoalition über ein menschen-verachtendes Regime, dessen Weltherrschaftspläne damit unwiderruflich gestoppt wurden. Bei Anerkennung des Beitrages der westlichen Alliierten, ist und bleibt es eine objektive Tatsache, dass die Sowjetunion und ihre Rote Armee die Hauptlast des Zweiten Weltkrieges zu tragen hatten. Sie haben die größten Opfer gebracht: 27 Millionen Tote, 72.000 zerstörten Städte und Dörfer sowie sechs Millionen in Schutt und Asche gebombte Gebäude fielen den faschistischen Barbaren zum Opfer. Wer das verschweigt oder ignoriert, belügt und verfälscht die Geschichte. Jeder Tag des Krieges war geprägt von Tausenden Opfern, von verbrannter Erde und zerstörten Ortschaften. Erinnert sei an die großen, bedeutenden Kämpfe und Schlachten, in denen die Rote Armee der deutschen faschistischen Wehrmacht ihre Grenzen aufzeigte und den Mythos von ihrer Unbesiegbarkeit zerstörte. Dazu zählen: Die Schlacht zur Verteidigung Moskaus im Winter 1941/42, die legendäre Stalingrader Schlacht im Winter 1942/43 oder die Schlacht im Kursker Bogen im Sommer 1943. Erinnert sei auch an die erbitterten Kämpfe um Charkow und Woronesch, im Kaukasus und in den Karpaten, in Weißrussland und im Baltikum und nicht zuletzt an die finalen Schlachten an Weichsel und Oder. Am 8. Mai 1945 war es dann endlich so weit. In Europa schwiegen die Waffen und auf dem Reichstag in Berlin wehte die rote Fahne des Sieges. Sowjetsoldaten waren es, die den ersehnten Frieden nach Europa getragen hatten und die geschundenen Völker vom deutschen Faschismus befreiten. Über 13 Millionen Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere der Roten Armee erlebten den Tag des Sieges nicht – sie waren an den 1.416 Kriegstages seit dem Überfall auf ihre Heimat gefallen oder starben in deutschen Kriegsgefangenenlagern. In vielen Ländern Europas, in vielen Städten und Dörfern Deutschlands haben sie ihre letzte Ruhestätte gefunden. 186 Soldaten und Offiziere der Roten Armee, die zum Ende des Zweiten Weltkrieges ums Leben kamen, sind hier in Havelberg beigesetzt. Das sowjetische Ehrenmal am Platz des Friedens soll die Erinnerung an sie und den Tag der Befreiung wach halten.
Er endete mit den Worten: „Wir danken den Soldaten der Roten Armee, die für die Befreiung Europas ihr Leben gaben. Und wir verneigen uns vor ihnen, dass sie uns mahnen, dieses vom deutschen Faschismus begangene Unrecht nicht wieder zuzulassen. Ewige Ruhe und Ehre den gefallenen Sowjetsoldaten!“
In ihren Ansprachen erinnerten Oberst i. G. Alexander A. Laptev und Generalleutnant a. D. Miron W. Pawlischin an die unzähligen Opfer, die der Faschismus und der Zweite Weltkrieg von allen beteiligten Völkern gefordert haben. Die vom Faschismus begangenen Verbrechen dürfen sich niemals wiederholen – das ist unser aller Verantwortung, so die Redner. Beide betonten wie wichtig es sei, die Freundschaft zwischen den deutschen und dem russischen Volk, die bis in die Zeit der Befreiungskriege gegen Napoleon zurückgehe, nicht zu verdrängen.
Oberst i. G. Alexander A. Laptev bei seiner Gedenkrede
Über dreißig Mitglieder der Pionierkameradschaft Havelberg und ihre Gäste, darunter Mitglieder des Havelberger Stadtrates der CDU- und SPD-Fraktion sowie Bürger der Stadt Havelberg und zufällig vorbeikommende Besucher der BUGA, nahmen an der Gedenkveranstaltung anlässlich dieses welthistorischen Tages teil.
Kränze der Botschaft der Russischen Föderation und der Pionierkameradschaft Havelberg wurden am Obelisk niedergelegt und die Gräber mit roten Rosen geschmückt.
Die Kranzniederlegung endete mit einer Minute stillen Gedenkens an die 55 Millionen Kriegsopfer in Europa und den mahnenden Worten: „Niemals darf sich das wiederholen! Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“ So wurde der heilige Schwur aus den Maitagen des Jahres 1945 zitiert, der auch in der heutigen Zeit seine Bedeutung nicht verloren hat.
Eine Kaffeetafel auf der Bundeskegelbahn in Havelberg mit einem Toast auf den Frieden und die Freundschaft rundete unsere Gedenkveranstaltung, die in einer von Kameradschaft geprägten Atmosphäre verlief, ab. Bei der Verabschiedung bedankten sich unsere russischen Gäste ganz herzlich für die Gastfreundschaft sowie die angenehmen und interessanten Stunden. Ein Wiedersehen wurde zwischen ihnen und uns verabredet. Von uns ein herzliches Dankeschön für den Besuch in Havelberg.
Gruppenbild - einige Teilnehmer
Manfred Ramm, Vorsitzender der Pionierkameradschaft Havelberg