Pionierkameradschaft Havelberg
erinnert an die Gründung der Nationalen Volksarmee vor 60 Jahren
Am 1. März 1956 wurde mit der feierlichen Vereidigung der ersten Soldaten und der Übergabe von Truppenfahnen die Nationale Volksarmee gegründet. Auch wenn es 60 Jahre her ist und weder sie noch der Staat, den sie schützte, heute noch existieren, ist dieses Datum für die meisten ehemaligen Armeeangehörigen und Zivilbeschäftigten der NVA von großer Bedeutung. Mit einer Festveranstaltung gedachten die Mitglieder der Pionierkameradschaft Havelberg gemeinsam mit zahlreichen Gästen dieses historischen Datums. Nicht als Nostalgiker erinnern wir uns an die Gründung der Nationalen Volksarmee. Wir sind vielmehr Zeitzeugen der jüngsten deutschen Geschichte. Uns liegen Frieden, soziale Gerechtigkeit und die sichere Zukunft unserer Kinder und Enkel sehr am Herzen. Wir haben gedient, um den Krieg zu bekämpfen bevor er ausbricht, um den Frieden zu erhalten für unser Volk, auch für die Bevölkerung der BRD und für alle unsere Nachbarvölker. Es ist nicht zu leugnen, dass in Zeiten des Kalten Krieges das militärische Gleichgewicht zwischen dem Warschauer Vertrag und der NATO die Erhaltung des Friedens sicherte. Und zur Gewährleistung dieses Gleichgewichtes haben die Soldaten und Zivilbeschäftigten der Nationale Volksarmee ihren ganz persönlichen Beitrag geleistet. Heute wird erklärt, dass der Einsatz militärischer Mittel zur Durchsetzung politischer und wirtschaftlicher Interessen durchaus legitim ist. Und das wird auch mit all seinen verheerenden Folgen praktiziert. „Nie wieder Krieg“ – dieser heilige Schwur aus den Maitages des Jahres 1945 wird immer stärker durch die Forderung der politisch Verantwortlichen verdrängt, Deutschland müsse mehr Verantwortung in der Welt übernehmen – auch militärische Verantwortung. Damit wird ein gesellschaftlicher Grundkonsens verlassen, der selbst zu Zeiten schärfster Systemkonfrontation zwischen der BRD und der DDR galt: Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.
Zurückschauend auf die oft harte und entbehrungsvolle eigene Dienstzeit beschäftigten diese Gedanken die meisten der über 50 anwesenden Mitglieder der Pionierkameradschaft und ihre Gäste während der Festveranstaltung im Hotel „Am Hafen“. Besonders herzlich wurden unsere polnischen Freunde aus Wloclawek sowie Vorstandsmitglieder des Verbandes zur Pflege der Traditionen der NVA und der GT der DDR e. V., Generalmajor a. D Sebald Daum und Oberst a. D. Rolf Zander, begrüßt.
Bereits am Vormittag des 1. März wurden unsere polnischen Freunde, Oberst Dr. Ryszard Chodynicki, Oberst Edmund Kopaczewski und Fähnrich Andrzej Dukat, vom Bürgermeister der Stadt Havelberg, Bernd Poloski, und dem Vorsitzenden des Stadtrates, Wolfgang Schürmann, im Rathaus empfangen.
Oberst Dr. Chodynicki überbrachte herzliche Grüße vom Oberbürgermeister seiner Heimatstadt, Dr. Marek Wojtkowski, der großes Interesse am weiteren Ausbau der Kontakte zwischen beiden Städten zeigt. Eine Möglichkeit zur Intensivierung der Beziehungen zwischen der Stadt Havelberg und der Stadt Wloclawek, so die Meinung von Dr. Wojtkowski, kann eine Partnerschaft auf Vereinsebene sein, so wie sie im vergangenen Jahr zwischen den beiden Pionierkameradschaften entstanden ist. Ein solcher Schritt würde die Freundschaft zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk ein weiteres Stück voranbringen, denn schließlich tragen freundschaftliche Beziehungen zum Abbau von Vorurteile und der Verhinderung von Konflikten jeglicher Art bei. Mit einer herzlichen und freundschaftlichen Verabschiedung durch Bernd Poloski und Wolfgang Schürmann endete der Besuch beim Oberhaupt unserer Stadt Havelberg.
Bereits am Tage ihrer Ankunft in Havelberg, Sonntag, 28. Februar, unternahmen wir mit unseren polnischen Freunden eine zweistündige Führung durch unsere Stadt, zu der natürlich auch die Besichtigung des Doms St. Marien gehörte. Vielen Dank an dieser Stelle an Frank Ermer, der viel Interessantes und Wissenswertes über die Geschichte der Stadt Havelberg zu berichten wusste.
Gemeinsam mit unseren polnischen Freunden, mit denen wir am Montag, 29. Februar, eine Reise in die deutsche Hauptstadt unternommen hatten und zu Gast im Reichstagsgebäude beim MdB Katrin Kunert (Die Linke) waren, fuhren wir nach Sandau. Der Besuch des Ehrenmals der 1. Polnischen Armee, deren Kampfweg am 12. und 13. Oktober 1943 bei Lenino (Weißrussland) begann und hier an der Elbe endete, ist natürlich für jeden polnischen Offizier ein Muss.
Blumengebinde wurden niedergelegt, durch die Mitglieder der polnischen und der deutschen Pionierkameradschaft, um die im Krieg für die Befreiung vom Hitlerfaschismus gefallenen Soldaten und Offiziere zu ehren. Leider konnte es kein Vertreter der Stadt Sandau einrichten, an diesem Zeremoniell teilzunehmen – ein Wermutstropfen zweifelsohne.
Der weitere Ablauf an diesem 1. März sah vor, dass sich alle Mitglieder der Pionierkameradschaft Havelberg zusammen mit unseren Gästen auf dem Saldernberger Friedhof am NVA-Pionier-Ehrenhain zu einer Kranzniederlegung und einer Minute stillen Gedenkens einfinden. Damit soll die Erinnerung an unsere bereits verstorbenen oder während des Dienstes tödlich verunglückten Kameraden und Freunde, mit denen wir viele Jahre gemeinsam „durch Dick und Dünn“ gegangen sind, wachgehalten werden.
Begleitet von einem Trompetensolo „Ich hatt‘ einen Kameraden …“ schossen wir in Gedanken dreifach Salut und sagten Danke für Euren Einsatz und Mut.
Im Hotel „Am Hafen“ in Havelberg verliefen der Nachmittag und der Abend in feierlicher und geselliger Runde. Auszeichnungen mit der Ehrenmedaille des Verbandes polnischer Pioniere Wloclawek und Beförderungen zum nächsthöheren Dienstgrad wurden vorgenommen.
Der Vorsitzende der Pionierkameradschaft Havelberg blickte in seiner Festrede auf die historischen Hintergründe des Entstehens von Streitkräften in der BRD und der DDR nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, auf 34 Jahre Nationale Volksarmee und ihre Entwicklung zu einer modernen schlagkräftigen Armee und auf die Geschichte der NVA-Garnison in Havelberg in den Jahren 1968 bis 1990 zurück. Einen besonderen Dank richtete er an alle Familienangehörigen, die für uns Soldaten immer ein zuverlässiges Hinterland waren. Oftmaliges Umziehen von einem Standort zum anderen, damit verbunden die Umschulung der Kinder, die Suche einer neuen Arbeitsstelle für die Ehefrauen, nicht selten längere Abwesenheit der Ehemänner bedingt durch Studium oder Lehrgänge sowie zur Wahrnehmung anderer dienstlicher Pflichten – alles das nahmen unsere Familien auf sich und hielten uns so den Rücken frei. Er schloss mit den Worten: 60 Jahre sind seit Gründung der Nationalen Volksarmee vergangen. Sie ist aufgelöst, aber nicht vergessen. Wir haben allen Grund auf unsere Lebensleistung stolz zu sein, denn wir haben gemeinsam, jeder an seinem Platz, unseren Auftrag zur Sicherung des Friedens in Ehren erfüllt. Darin besteht unsere bedeutendste Tradition.