Vom Schustersohn zum General der NVA

Gut 60 Männer und Frauen waren am 17. März in die Erfurter Gaststätte „Dahlie“ gekommen, um mit einer Vortrags- und Diskussionsveranstaltung an den 60. Gründungstag der Nationalen Volksarmee (NVA) der Deutschen Demokratischen Republik zu erinnern. Getragen wurde diese Veranstaltung gemeinsam von den Erfurter Regionalgruppen des Traditionsverbandes, des RotFuchses und von ISOR.

Daß die NVA tatsächlich eine Armee des Volkes gewesen ist, das zeigt allein schon der persönliche Werdegang des Vortragenden, Generalmajor a.D. Klaus Wiegand: Geboren am 16. August 1941 in Stadtilm als Sohn eines Arbeiters in der dortigen Schuhfabrik, erlernte er zunächst den Beruf eines Drehers. Der junge Arbeiter meldete sich am 8. April 1959 zum freiwilligen Dienst in der NVA, zunächst als Richtschütze im Panzerregiment 4. Doch der intelli-gente Soldat verblieb nicht im Mannschaftsstand, sondern wurde zum Studium an die Offiziersschule delegiert. Es schlossen sich später noch Studien an einer sowjetischen Militärakademie und sogar an der Akademie des sowjetischen Generalstabes an. Am
1. März 1986 wurde er – als Kommandeur der 11. Mot.-Schützen-Divison – zum Generalmajor ernannt. Klaus Wiegands letzte Dienststellung war von 1987 bis zu seiner Entlassung am 2. Dezember 1990 die des Chefs des Militärbezirks III (Leipzig).

Danach ging es ihm wie so vielen anderen DDR-Bürgern mit von den neuen Machthabern unerwünsch-ten Biographien auch. Doch Wiegand gab nicht auf, erwarb einen Abschluß als Betriebswirt und fand eine Anstellung in einem privaten Wachschutzunternehmen in Leipzig.

Mit Aufmerksamkeit verfolgten die Zuhörer den Vortrag in freier Rede, der, wie Klaus Wiegand mitteilte, sein erster öffentlicher Auftritt seit 26 Jahren war.

In der nachfolgenden Diskussion ging er u.a. auf solche Themen wie angebliche Privilegien der Offiziere und Generale ein. Hier merkte er an, daß er während seines ersten Studiums in der Sowjetunion mit Frau und Tochter nur ein einziges Zimmer in einer Gemeinschaftswohnung hatte; Küche, Bad und Toilette mußten mit weiteren Familien geteilt werden.

Angesprochen wurden auch die Jahre 1989/90 in und um Leipzig. Als seinerzeitiger Chef des Mili-tärbezirks hatte er ja genügend Einblicke, so daß er die immer noch kursierenden Behauptungen von bürgerlichen Politikern und Journalisten, es seien damals Panzer aufgefahren gewesen, um Demo-nstrationen niederzuwalzen, als das qualifizierte was sie sind: bloße antikommunistische Propagan-dalügen. Enttäuscht zeigt Wiegand sich aber noch heute, wenn er an das Verhalten der politischen Führung nach dem Rücktritt des ZK der SED denken muß. Sowohl die neuen „Reformer“ - Führungs-kräfte von Partei und Regierung hätten sich sofort von ihren bewaffneten Organen distanziert und wollten auch von eigenen Entscheidungen im Herbst 1989 nichts mehr wissen. Manche würden heute noch an widerständischen Legenden stricken. Wiegand wurde auch in anderer Richtung deutlich, als er einen Artikel des Rechtsanwalts Peter-Michael Diestel erwähnte. Dieser CDU-Politiker habe den Mut zu fordern, daß es an der Zeit wäre, sich endlich bei denjenigen zu bedanken, die 1989/90 Waffen- und Befehlsgewalt, egal ob über NVA, MfS oder VP, gehabt hätten und diese in keiner Weise gegen das eigene Volk einsetzten. Diesen Generalen und Offizieren sei es zu danken, und nicht den „Kerzenträ-gern“, daß es seinerzeit zu keinerlei Gewalt kam und daß die Abschaffung des Sozialismus friedlich verlaufen sei.

Ausdrücklich bedankte sich Klaus Wiegand in diesem Zusammenhang bei den ISOR-Genossen für deren unermüdlichen Einsatz für die rentenrechtlichen Belange der Angehörigen der bewaffneten Organe der DDR.

SRK
Fotos: privat
 

                 

                 

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