"Das Schicksal Hauptmann Fjodor G. Wolodkins"
Grabsuche und Umbettung
VON KONSTANTIN MÜLLER UND BERND ULLRICH
In Vorbereitung des 70. Jahrestages der Befreiung des Außenlagers Ohrdruf (S III) des KZ-Buchenwald und seiner Teillager in der ehemaligen MUNA Crawinkel und in Espenfeld hatten wir uns entschlossen, das Schicksal des ehemaligen Hauptmanns der Roten Armee und KZ-Häftlings, Fjodor G. Wolodkin, zu erforschen und der Öffentlichkeit zugängig zu machen. Die Ergebnisse unserer Arbeit hatten wir im August 2015 in einem Artikel in der Vereinszeitschrift der Geschichts- und Technologiegesellschaft Jonastal e. V. (kurz: "Jonastalverein") Nr. 15 unter der Überschrift "Das Schicksal Fjodor G. Wolodkins" veröffentlicht.
Wie in dem genannten Artikel dargelegt, bestand das Ziel unserer Recherche in der Unterstützung der Aktivitäten der "Gruppe der ehemaligen Angehörigen der 39. Garde-Mot.-Schützendivision" zur Ehrung des Andenkens an Hptm. F. G. Wolodkin in Form der Wiederaufstellung einer Grabplatte am Ehrenmal für die Soldaten der Roten Armee im Kommandanturbereich des heutigen Standortübungsplatz (St.Üb.Pl.) Ohrdruf der Bundeswehr. Die zur 8. Gardearmee (8. GA) gehörende 39. Garde-Mot.-Schützendivision (39. GMSD) war von 1949 bis 1991 zu großen Teilen in Ohrdruf stationiert. Ihre ehemaligen Angehörigen sowie deren Familienangehörigen sind sehr traditionsbewusst. Auch heute erinnern sie sich gern an ihre Dienstzeit bzw. ihren Aufenthalt in Thüringen. Einige von ihnen haben bis in jüngster Vergangenheit sogar ihre ehemaligen Standorte besucht.
Zur Unterstützung der Aktivitäten der "Gruppe der ehemaligen Angehörigen der 39. GMSD" hatten wir in deren Auftrag am 01. Nov. 2014 in Bittstädt im Rahmen einer Präsentation zum "7. Ohrdrufer Gespräch" an den "Jonastalverein" die Bitte gerichtet, uns bei der Wiederaufstellung einer Grabplatte für Hptm. Wolodkin zu unterstützen. Der Vorstand des "Jonastalvereins" nahm sich dieser Bitte an und richtete ein von uns vorbereitetes Schreiben an den damaligen Kommandeur des in Gotha stationierten Aufklärungsbataillons 13 (AufklBtl 13) der Bundeswehr, Oberstltn. Korzetz, seit 01. Jan. 2014 für den St.Üb.Pl. Ohrdruf verantwortlich ist. Die an dem "7. Ohrdrufer Gespräch" ebenfalls teilnehmenden Angehörigen dieses Bataillons Hptm. Dähne und Oltn. Pfleger hatten ebenfalls ihre Unterstützung zugesagt.
Die Bitte des Vorstandes des "Jonastalvereins" wurde vom Kommandeur des AufklBtl 13 positiv entschieden. In der Folge wurden wir am 24. April 2015 zu einem Vororttermin am geplanten Aufstellungsort der Grabplatte neben dem sowjetischen Ehrenmal im Kommandanturbereich des St.Üb.Pl. Ohrdruf durch den Stabsfeldwebel (Stfw.) und Feldwebel für Standortangelegenheiten (Fw StO) Irmisch eingeladen. Mit Oltn. Pfleger und Stfw. Irmisch präzisierten wir den Aufstellungsort der Grabplatte und die Inschrift.
Im Übrigen hatten inzwischen die Kommandeure des AufklBtl's 13 gewechselt. Oberstltn. Gabriel hatte am 12. März 2015 das Kommando über das AufklBtl 13 von Oberstltn. Korzetz übernommen. Offensichtlich trug auch der neue Kommandeur die positive Entscheidung über die Aufstellung der Grabplatte mit. Siehe nachstehendes Bild.
Auf dem Bild ist das sowjetische Ehrenmal im Kommandanturbereich des St.Üb.Pl. in Ohrdruf für die Angehörigen der Roten Armee zu sehen, die im Kampf für die Befreiung der Völker vom Faschismus gefallen sind. Der Ort der geplanten Aufstellung der Grabplatte ist durch das rote Kästchen am linken Rand des Ehrenmals markiert.
Nach dem Vororttreffen am 12. März 2015 nahmen die Dinge ihren Lauf. Das AufklBtl 13 hatte sich im Zusammenhang mit unserer Bitte um Aufstellung einer Grabplatte an den Geschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK), Dipl.-Ing. (FH) Henrik Hug gewandt, bei dem diese Angelegenheit ganz offensichtlich in richtigen Händen war. Herr Hug setzte sich mit dem Leiter des Büros für Kriegsgräberfürsorge und Gedenkarbeit der Botschaft der Russischen Föderation, Vladimir Kukin, in Verbindung und übergab Herrn Kukin unsere ausführliche Recherche.
Herr Kukin seinerseits richtete am 25. Mai 2015 ein Schreiben an den Gräberrechtsbearbeiter des Thüringer Landesverwaltungsamtes (TLVwA), Herr Kromer. Nachfolgend ein Auszug aus diesem Schreiben:
"Das Schicksal von Wolodkin wurde vom Jonastalverein - Geschichts- und Technologiegesellschaft Großraum Jonastal (GTGJ) e.V. erforscht. Uns liegen die Archivunterlagen mit der Erwähnung über seine Primärgrabstätte vor, die zurzeit nicht mehr auffindbar ist.
Der Jonastalverein schlägt vor, den Namen Wolodkins am im Ohrdruf liegenden sowjetischen Ehrenfriedhof zu verewigen. Der Vorschlag ist vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. unterstützt.
Weil es die Hinweise auf den Tod Wolodkins und sein Begräbnis in Ohrdruf gibt, möchte ich Sie bitten, seine Personaldaten in die Gräberliste des sowjetischen Ehrenfriedhofes in Ohrdruf aufzunehmen sowie die weitere Verewigung mit der Anfertigung der Namenstafel durchzuführen."
In Reaktion auf das Schreiben des Herrn Kukin schlug der Gräberrechtsbearbeiter des TLVwA, Herr Kromer, in einem Schreiben vom 23. Sept. 2015 an das AufklBtl 13 und das Bauamt der Stadtverwaltung Ohrdruf (zuständig für die Friedhofsverwaltung) vor, für die Urne Hptm. Wolodkins im Falle ihrer Bergung eine endgültige Grablage auf dem städtischen Friedhof Ohrdruf zur Verfügung zu stellen. Das für die Friedhofsverwaltung zuständige Bauamt der Stadtverwaltung Ohrdruf hatte unkompliziert die Bereitschaft zugesagt, eine Grablage für die sterblichen Überreste Hptm. Wolodkins auf dem städtischen Friedhof zur Verfügung zu stellen, während der Kommandeur des AufklBtl 13 und Standortälteste , Oberstltn. Gabriel, am 24. Sept. 2015 durch den Stfw. Irmisch freundlicherweise schriftlich einer Grabung und Umbettung zugestimmt hatte.
Im Ergebnis der Zustimmung sowohl durch den Standortältesten als auch des Bauamtes der Stadt Ohrdruf richtete der Gräberrechtsbearbeiter des TLVwA, Herr Kromer, am 28. Sept. 2015 an alle Beteiligten folgendes Schreiben:
Sehr geehrte Damen und Herren,
als von der Thüringer Landesregierung nach § 12 I GräbG für die Aufgabenerfüllung nach dem Gesetz über die Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft (Gräbergesetz -GräbG-) bestimmte zuständige Stelle haben wir gemeinsam mit der Stadt Ohrdruf als Trägerin des Begräbnisstätten-Objekts 154 o.a. Vorhaben abgestimmt und wollen so einem zurückliegenden Erfassungsdefizit gräbergesetzlich nun nachträglich noch korrigierend Rechnung tragen.
Mit heutigem Datum hat das Thüringer Landesverwaltungsamt dem für den 02.10.2015/ 10.00 Uhr geplanten Vorhaben die nach § 6 I GräbG dafür notwendige Zustimmung erteilt, die wir Ihnen anhängend zur Beachtung bei der Maßnahmendurchführung bzw. nur zur Information übersenden. Darin sollten alle relevanten Dinge insoweit angesprochen sein, falls nicht, beabsichtigt der Unterzeichner am Freitag der Urnen-Umbettung vor Ort auch beizuwohnen, so dass noch Offenes ggf. dort dann geklärt werden könnte.
Herrn Ullrich bitten wir, den Herrn Konstantin Müller hierüber in Kenntnis zu setzen, damit dieser als ortskundiger Zeitzeuge die Teilnehmer dann an den letzten bekannten Beisetzungsort vom besagten W. heranführen kann.
Dem Standortältesten bzw. der Bundeswehr hier ausdrücklich für die äußerst kurzfristige Gewährung des Betretungsrechts sowie allen anderen Beteiligten auch für deren bisherige Beiträge dankend, verbleiben wir bis Freitag erst einmal
mit freundlichen Grüßen.
Im Auftrag
Stefan Kromer
Entsprechend dieses Schreibens wurde am 02. Okt. 2015 ab 10.00 Uhr in Verantwortung des TLVwA, vertreten durch den Gräberrechtsbearbeiter Herrn Kromer, mit Genehmigung des Standortältesten von Gotha, Herrn Oberstleutnant Gabriel, das Urnen-Umbettungsvorhaben "Fjodor G. Wolodkin" begonnen. Mit der organisatorischen Umsetzung der Urnen-Umbettung sowie deren finanziellen Abwicklung wurde vom TLVwA die Stadtverwaltung Ohrdruf, vertreten durch Frau Uschmann, beauftragt.
Anwesend bei der Urnenbergung waren:
- der Gräberrechtsbearbeiter des TLVwA, Herr Kromer;
- die Sachbearbeiterin Umweltschutz und Friedhof der Stadtverwaltung Ohrdruf, Frau Uschmann;
- der Feldwebel für Standortangelegenheiten, Stabsfeldwebel Irmisch;
- der Feuerwerker des StOÜbPl Gotha "OHRDRUF", Stabsfeldwebel Marschall;
- die Umbetter Herr Kozlowski, J., Herr Kozlowski, N. und Herr Sander St.;
- der in Deutschland lebende ehemalige Angehörige der 39. GMSD und
Freund des Jonastalverein (GTGJ) e. V. Konstantin Müller;
- der ehemalige Angehörige der NVA und Freund des Jonastalvereins (GTGJ) e.V. Bernd Ullrich
Bild_01: Beginn der Urnenbergung
Die Urnenbergung wurde durch den für den Landesverband Brandenburg vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V. (VDK) hauptamtlich tätigen Umbetter, Herrn Joachim Kozlowski nebst dessen Umbettungsgehilfen Herrn Norbert Kozlowski und Herrn Stefan Sander am 02. Okt. 2015 nach 10.00 Uhr begonnen.
Vor Beginn der Grabung wurde durch die Umbetter gemeinsam mit dem Gräberrechtsbearbeiter des TLVwA, Herrn Kromer, dem Feuerwerker des StOÜbPl Stabsfeldwebel Marschall und dem ehemaligen Angehörigen der 39. GMSD, Herrn Konstantin Müller, die vermutliche Grablage neben dem sowjetischen Ehrenmal im Kommandanturbereich des StOÜbPl präzisiert.
Bild_02: Beginn der Urnenbergung
Vor und während des Einsatzes des vom Bauhof der Stadt Ohrdruf angeforderten Baggers wurde die vermutliche Grablage weiträumig mit dem rechts am Zaun abgelegten Metalldetektor abgesucht.
Bild_03: Absuchen der Grabfläche
Am linken Bildrand stehen in der Reihenfolge von links nach rechts Stabsfeldwebel Irmisch, Konstantin Müller und Herr Kromer. Im Vordergrund bedient Herr Joachim Kozlowski den Metalldetektor.
Bild_04: Der erste Grabversuch deutete auf einen Misserfolg hin.
Bild_05: Ein zweiter Grabversuch wird eine Baggerschaufelbreite weiter rechts unternommen.
Bild_06: Die Umbettungsfachkraft J. Kozlowski hat etwas entdeckt.
Bild_07: Unterhalb der Baggerschaufel sind die Überreste des roten Tuches zu erkennen, mit dem die Holzurne Hptm. Wolodkins im Herbst 1984 eingewickelt worden war.
Bild_08: Rechts neben dem Urnentuch liegt ein Teil des Schädelknochens von Hptm. Fjodor G. Wolodkin
Bild_09: Die Umbettungsfachkraft beherrscht ihr Handwerk.
Bild_10: Einige Handwerkzeuge der Umbetter
Bild_11: Bergung der sterblichen Überreste Hauptmann Fjodor G. Wolodkins
Bild_12: Die sterblichen Überreste Hauptmann Fjodor Wolodkins sind gesichert.
Die sterblichen Überreste Hptm. Fjodor Wolodkins wurden in dem abgebildeten kleinen Sarg gepackt und sicher im Bauamt der Stadtverwaltung Ohrdruf bis zur Wiederbeisetzung verwahrt.
Bild_13: Die Reste des Tuches mit dem die Urne Wolodkins umhüllt war, werden vermessen.
Bild_14: Die Bergung der sterblichen Überreste Hauptmann Fjodor Wolodkins ist beendet.
Bild_15: Das die Grabung an der richtigen Stelle erfolgte und dass die gefundenen sterblichen Überreste tatsächlich von Hptm Fjodor G. Wolodkin stammen, beweist das folgende Foto, dass Herr Konstantin Müller am im nichtöffentlichen russischen Forum der Gruppe der Angehörigen der 39. GMSD entdeckt hat.
Nach der Information der Gruppe der Angehörigen der 39. GMSD über die Urnenbergung auf dem StOÜbPl "OHRDRUF" durch Herrn Konstantin in deren nichtöffentlichen, hatte Alexander Wolkow am 21. Okt. 2015 dieses Foto in das Album des ehemals in Ohrdruf stationierten 120. Gardeschützenregimentes der 39. GMSD eingestellt.
Nach Mitteilung durch die Sachbearbeiterin für Umweltschutz und Friedhof der Stadtverwaltung Ohrdruf, Frau Uschmann, erfolgte am 10. Febr. 2016 die Wiederbeisetzung der bis zu diesem Zeitpunkt im Bauamt der Stadtverwaltung Ohrdruf verwahrten sterblichen Überreste Hptm. Wolodkins im sowjetischen Ehrenhain auf dem städtischen Friedhof Ohrdruf.
Anwesend zu der Wiederbeisetzung waren:
- der Geschäftsführer des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge e.V., Dipl.-Ing. Henrik Hug,
- der Stabsfeldwebel und Feldwebel für Standortangelegenheiten, Stabsfeldwebel Irmisch
vom AufklBtl 13,
- die Sachbearbeiterin Umweltschutz und Friedhof der Stadtverwaltung Ohrdruf, Frau Uschmann,
- der in Deutschland lebende ehemalige Angehörige der 39. GMSD und Freund des Jonastalverein
(GTGJ) e. V. Konstantin Müller
- der ehemalige Angehörige der NVA, Bernd Ullrich, sowie
- zwei Angestellte der Friedhofsverwaltung Ohrdruf.
Bild_15: Das Behältnis mit den sterblichen Überresten Hptm. Wolodkins wurde durch die Angestellten der Friedhofsverwaltung Ohrdruf zur Wiederbeisetzung vorbereitet.
Bild 16: Der Beauftragte der "Gruppe der ehemaligen Angehörigen der 39. GMSD" legt einen Kranz mit einer Schleife an der Grabstelle nieder
Bild_17: Inhalt der Kranzschleife: "in ehrenden Gedenken von ehemaligen Militärangehörigen der 39. Garde-MSD
Bild_18: Lage der Grabstelle Hptm. Fjodor G. Wolodkins im sowjetischen Ehrenhain auf dem städtischen Friedhof Ohrdruf
Bild_19: Der Geschäftsführer des VDK, Herr Dipl.-Ing. (FH) Hug hält zum Abschluss der Wiederbeisetzung das Totengebet für Hptm. Fjodor G. Wolodkin
Mit dem von Herrn Hug gesprochenen Totengebet hat Hptm. Fjodor G. Wolodkin hoffentlich seine letzte und würdevolle Ruhestätte erhalten.
Bild_20: Das Grab Hauptmanns Fjodor Gawrilowitsch Wolodkins auf dem Städtischen Friedhof der Stadt Ohrdruf. Jetzt hat dieses Grab einen Namen.
Mit dem von Herrn Hug gesprochenen Totengebet hat Hauptmann Fjodor G. Wolodkin hoffentlich seine letzte und würdevolle Ruhestätte erhalten.
Dieses Engagement aller beteiligten Personen und Institutionen für eine solche Umbettung auf den sowjetischen Ehrenhain des städtischen Friedhofs stellt leider in unserer Zeit eine große Ausnahme dar. Denn andernorts in Deutschland oder in den ehemals sozialistischen Staaten Osteuropas wird das Gedenken an die gefallenen oder ermordeten Soldaten der Sowjetarmee der Vergessenheit anheim gegeben. Ja, es werden sogar Denkmale und Grabstätten geschändet. Insofern gibt Ohrdruf durchaus Anlass zur Hoffnung, dass sich der Humanismus letztlich stärker als der Antisowjetismus des Zeitgeistes erweist