Einige Fakten und Gedanken zur Krim, der „Riviera des Ostens“
Die Krim – umstrittene Halbinsel seit Jahrhunderten, seit 1783 in russischem Besitz und Wächter des Zarenreiches in Richtung Orient, Basis der Schwarzmeerflotte, Oase der Erholung für Millionen und immer wichtiges strategisches Gebiet – ist seit 2014 Dreh- und Angelpunkt erbitterter Fehde zwischen Russland und Ukraine und Kernsegment gefährlicher Konfrontation der Kernwaffenweltmächte USA und Russland. Ein kurzer Blick auf die Chronik der Ereignisse könnte zum besseren Verständnis führen.
Das im Zuge der Auflösung der Goldenen Horde um 1430 entstandene Krim-Khanat (tatarische Bevölkerung!) war bis zu den 1768 beginnenden russisch-türkischen Kriegen ein Vasallengebiet des Osmanischen Reiches. Am 8. Januar1783 erklärte Zarin Katharina II. die Krim endgültig als „russisch", akzeptiert von den Osmanen durch den Vertrag von Jassy im Januar 1792. In der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgte der Ausbau der Küstenstadt Sewastopol als Hauptstützpunkt der russischen Schwarzmeer-Flotte. Dadurch wurde die tatarische Bevölkerung ins Innere der Halbinsel verdrängt und etwa 100.000 sollen das Gebiet verlassen haben, so die Historie.
Im Oktober 1914 beschossen deutsche und türkische Kriegsschiffe Sewastopol, worauf Russland dem Osmanischen Reich den Krieg erklärte.
Am 18. Oktober 1921 wurde aus der Krim eine ASSR, eine Autonome Sozialistische Sowjetrepublik, und zwar im Bestand der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik, der RSFSR. Die Krim war also auch damals schon nicht zugehörig zum erst nach der Oktoberrevolution von 1917 gegründeten ukrainischem Staat, der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Denn im Zarenreich hatte es kein ukrainisches Staatsgebilde gegeben.
Nach der am 22. Juni1941 begonnenen deutschen Aggression gegen die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der UdSSR bzw. kurz Sowjetunion, erfolgte im Juli 1941 die Aussiedlung von 53.000 Krimdeutschen in Richtung Kasachstan. Um keinen anderen Ort außer Stalingrad wurde seinerzeit so erbittert gekämpft wie um das später zur Heldenstadt erklärte Sewastopol. Nach der Befreiung der Krim wurden im Mai 1944 wegen „Kollaboration mit den deutschen Faschisten" 181.000 Tataren nach Zentralasien deportiert, dazu Zehntausende Griechen, Bulgaren und Armenier. Unzählige von ihnen starben dabei. Am 30. Juni 1945 hob die Sowjetführung den Autonomiestatus der Krim auf. Sie wurde zu einem „Gebiet (oblastj) im Bestand der RSFSR. Am 29. Oktober 1948 schließlich wurde Sewastopol aus dem Gebiet Krim ausgegliedert und erhielt eigenen Gebietsstatus.
Im Mai 1954 verfügte Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, Nachfolger Stalins als Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und damit im Besitz nahezu unbegrenzter Vollmachten, die Zugehörigkeit der Krim zur Ukrainischen SSR.
Warum? Als Geschenk an seine ukrainische Heimat anlässlich des 300. Jahrestages des in Perejaslaw erfolgten Treueschwurs der Saporoger Kosaken zum russischen Zaren? Eine Trotzreaktion wegen persönlicher Verletzungen durch die Parteioberen in der Vergangenheit? Die einzige Veröffentlichung dazu erschien im „Historischen Archiv", erst 1992 bekanntgeworden. Die Medien sprechen von einer plötzlichen Idee des allgewaltigen Chefs der Partei während eines Besuchs in der Ukraine, von fehlender Abstimmung im Obersten Sowjet, davon, dass nur lückenhafte Präsidien tagte und das Ganze eigentlich illegale Merkmale aufwiese.
Was 1954 im Bestand der noch fest gefügten UdSSR keine praktische Bedeutung hatte, das wurde nach Auflösung der Sowjetunion, der Austrittserklärung des Staates Ukraine, zum staatsrechtlichen, ja sogar zu einem den Weltfrieden gefährdenden Problem.
Übrigens, noch vor der Auflösung der UdSSR im Dezember 1991 ergab ein am 20. Januar 1991 auf der Krim durchgeführtes Referendum mit unklarer Fragestellung eine 93%ige Zustimmung zur Wiederbegründung einer ASSR Krim und zwar als „Subjekt des Unionsvertrages" (von 1924) - dem jedoch die Krim als Autonome SSR damals nicht angehören konnte. So war die Krim eigentlich Teil der in den letzten Zügen liegenden UdSSR geworden. Der Oberste Sowjet der Ukraine fasste jedoch am 12. Februar 1991 den Beschluss zur Wiedererrichtung der ASSR der Krim als Teil der Ukraine und, nach Bildung des selbständigen Staates Ukraine, zur Bildung der „Autonomen Republik Krim und der regierungsunmittelbaren Stadt Sewastopol".
Ein Konstrukt ASSR Krim als Teil der Ukraine hatte es aber zuvor nicht gegeben! Denn seit 1945 hatte die Krim ja nur noch den Status eines „oblastj" gehabt.
Übrigens, wie allein schon Wikipedia zu entnehmen ist, die letzten Daten stammen allerdings aus dem Jahre 2001, setzt sich die Bevölkerung der Krim aus 58,5 % Russen, 24,4 % Ukrainern und 12,1 % Krim-Tataren und rund 5 % anderen Nationalitäten zusammen. Allerdings bezeichneten 77 % der Krimbevölkerung Russisch als ihre Muttersprache, 11,4 % Krim-Tatarisch und nur 10,1 % Ukrainisch. Für Sewastopol lauten die Daten so: 71,1 % Russen, 22,4 % Ukrainer, 0,5 % Krim-Tataren und rund 4,5 % andere Nationalitäten. 90,6 % der Sewastopoler gaben Russisch als Muttersprache an und sogar nur 6,8 % Ukrainisch. Wohlgemerkt, diese Daten wurden seinerzeit von der Kiewer Regierung erfaßt und nicht von russischen Stellen.
Seit Juli 1993 bezeichnete dann das russische Parlament Sewastopol als „russische Stadt auf fremdem Territorium" und zog den Vergleich mit Gibraltar. Im Mai 1997 erfolgte der Vertragsabschluss zwischen der Russischen Föderation, die aus der RSFSR hervorgegangen war, und der Ukraine zur Aufteilung der bisherigen sowjetischen Schwarzmeerflotte und über die Pacht eines großen Teils Sewastopols für 20 Jahre.
Während des von Georgien im Jahre 2008 inszenierten kriegerischen Konflikts mit Russland stand die Ukraine auf Seiten Georgiens und drohte mit der Aufhebung des Pachtvertrages nach Ablauf der Pachtfrist. Erst 2010 gelang es dem neugewählten ukrainischen Präsidenten Janukowitsch, den Vertrag unter dem Angebot vergünstigter Erdgaslieferungen durch Russland bis 2042 zu verlängern.
Im Verlauf des Maidan-Putsches in Kiew erfolgte bei einer nichtöffentlichen Sitzung des legitimen Krim-Parlaments im von Bewaffneten bevölkerten Parlamentsgebäude der Beschluss zur Trennung von der Ukraine mit Wiederherstellung des Republik Krim.
Bei einem auf Grundlage dieses regionalen Parlamentsbeschlusses am 16. März 2014 durchgeführtem Referendum - bei einer Wahlbeteiligung von 83,1 Prozent - stimmten 96,77 Prozent der Teilnehmer für den Beitritt der Krim an Russland. Ähnliches geschah - mit noch höheren Prozentzahlen - im rechtlich nicht zur Krim gehörenden Sewastopol.
Am 18. März 2014 unterzeichnete Präsident Putin den Vertrag zur Aufnahme der Krim und der Stadt Sewastopol als 84. und 85. Föderationssubjekt in den Staatsverband Russlands. Die Ratifizierung durch den russischen Föderationsrat erfolgte am 31. März 2014.
So weit, so gut?
Eine am 24. März 2014 von 100 der 193 Mitgliedssaaten der UNO verfasste Resolution erklärte das Krim-Referendum für ungültig.
Nur 100, darf man fragen?
Das ist in einem so brennend heißen Fall nicht überzeugend. Der „Westen", sprich NATO und EU, verhängte daraufhin Sanktionen. Wer aber verhängte Sanktionen gegen Georgien für seinen unprovozierten Feldzug des Jahres 2008 gegen Russland? Niemand!
Und wer fragte mal deutlich: Was ergibt sich aus der Historie?
Ein Gebiet, von Russland im Verlauf der Geschichte erworben, Jahrhunderte zu ihm gehörend, das Schwarze Meer beherrschend, eine Stadt, heldenhaft verteidigt im härtesten Krieg der Weltgeschichte, ein wahres Symbol Russlands, Stützpunkt der russischen Flotte in Richtung Mittelmeer und Balkanstaaten, nun in die Hände einer unberechenbaren Putsch-Regierung geben, deren einzige Ziele in der eigenen Bereicherung, der Beseitigung des heutigen Staates Russland und der Ausweitung westlicher Militärmacht bis an Ural und Wolga und schließlich zum Amur besteht?
Ein Narr, der Russland so etwas zumutet.
Martin Kunze, OSL a.D. / SRK