Stellungnahme zum Entwurf "Die Traditionen der Bundeswehr"

Die NVA war gebildet worden zum Schutz einer Idee, die als Staat konstituiert wurde.
Im feindlichen »Brüder- und Schwesternland« sannen nicht nur die dort wieder in Amt und Würden gelangten Altnazis auf Vergeltung. Staaten müssen ihren Schutz organisieren. Das traf in ganz besonderer Weise auf die des realen Sozialismus zu. Die Geschichte der Klassenkämpfe zeigt, dass dies auch eine militärische Komponente hat. Die 1949 gegründete DDR war nicht irgendein Staat. Hier lag erstmals in der deutschen Geschichte die politische und wirtschaftliche Macht in den Händen von Kommunisten und deren Verbündeten. Deshalb wurde dem Schutz des Landes und seines Eigentums von Anfang an große Aufmerksamkeit gewidmet. Im Rahmen des Warschauer Vertragsbündnisses wurde ein umfassendes System der Landesverteidigung der DDR geschaffen; die Nationale Volksarmee war deren wichtigster Teil.
Die Bedrohung seitens der NATO war real. Pläne, Kampfbestand, Einsatzgrundsätze und damit die Möglichkeiten ihrer Streitkräfte zur Aggression waren bekannt. Auch damals führten NATO-Staaten in anderen Teilen der Welt Aggressionskriege. Feindbilder brauchten für die NVA und deren Verbündete nicht kreiert zu werden, dafür sorgte der Gegner selbst. Die in vielen historischen Studien und in den Mainstreammedien präsentierten Urteile über die Armee der DDR orientieren sich zumeist am offiziösen Geschichtsbild der Bundesrepublik. Sie erzeugen ein Zerrbild der DDR-Geschichte – was durchaus beabsichtigt ist. Ganz sicher ist: Diese Armee war kein Staat im Staate, wie das von gewerbsmäßigen »Aufarbeiten« mitunter dargestellt wird. Sie war integrierter Teil der Gesellschaft. Das galt besonders nach Einführung der Wehrpflicht im Jahr 1962. Die Streitkräfte der DDR waren – positiv wie negativ – ein Spiegelbild des Staates und der gesellschaftlichen Strukturen. Mit der ausschließlichen Orientierung auf die Landesverteidigung unterscheidet sich diese klassische Wehrpflichtarmee deutlich von der heutigen, in diverse globale Interventionseinsätze verstrickten Bundeswehr. Was der Bundeswehr zugebilligt wird – nämlich im Rahmen ihres Bündnisses durch Abschreckung einen Beitrag zur Verhinderung eines Krieges geleistet zu haben – möchte man der NVA nach wie vor absprechen. Hier wird aus ideologischen Gründen mit zweierlei Maß gemessen – ein Verfahren, das die damalige Realität ausblendet. Wie unsicher staatliche Institutionen der Bundesrepublik im Umgang mit der anderen deutschen Armee sind, offenbart die Richtlinien zum Traditionsverständnis  und zur Traditionspflege  des Bundesministers der Verteidigung.
 
Heinz Jürgen Sackstedt

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