- Aktuelle Seite:
- Start |
- Warschauer Vertrag |
- 60. Jahrestag der Gründung des Warschauer Vertrages über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand
Von Generaloberst a.D. Fritz Streletz
Am 14. Mai 1955 unterzeichneten im polnischen Staatsratsgebäude in Warschau zum Abschluss der zweiten „Konferenz europäischer Länder zur Gewährleistung des Friedens und der Sicherheit Europas“ die Ministerpräsidenten von Albanien, Bulgarien, der DDR, der VR Polen, der VR Rumänien, der VR Ungarn, der Sowjetunion und der Tschechoslowakei den Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand (kurz Warschauer Vertrag). Der Vertrag trat, nach Hinterlegung der Ratifizierungsurkunden in Warschau, vor 60 Jahren am 4. Juni 1955 in Kraft.
Das gibt uns Anlass für einen Rückblick auf die Organisation des Warschauer Vertrages und auf das, was sie in den 35-Jahren ihrer Existenz bewirkte.
Ich möchte dazu folgende Punkte behandeln
1. Zur Rolle des Warschauer Vertrages in der Periode des Kalten Krieges
2. Zu den Verpflichtungen der DDR und der NVA im Warschauer Vertrag
3. Zur Souveränität der DDR
und einige Schlußfolgerungen ableiten.
1. Zur Rolle des Warschauer Vertrages in der Periode des Kalten Krieges
Der Warschauer Vertrag wurde abgeschlossen, nachdem die westeuropäischen Staaten die Pariser Verträge ratifiziert hatten und die Bundesrepublik Deutschland in die NATO aufgenommen wurde.
Gleichzeitig lehnten die durch die USA geführten westlichen Staaten den Vorschlag der sozialistischen Länder ab, die Militärblöcke zu beseitigen und ein System der kollektiven Sicherheit zu schaffen.
Damit wurde die Sicherheit der friedliebenden Staaten bedroht, und es wuchs die Kriegsgefahr.
Zur Zeit der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages verfügte die Deutsche Demokratische Republik über keine eigenen Streitkräfte. Davon ausgehend wurde auf der 1. Sitzung des Politischen Beratenden Ausschusses der Vorschlag der DDR-Delegation angenommen, die Truppen und Flottenkräfte der DDR nach ihrer Aufstellung in die Vereinten Streitkräfte einzubeziehen.
Diese Einbeziehung wurde offiziell mit Beschluß des Politischen Beratenden Ausschusses vom Mai 1958 vollzogen, nachdem bekanntlich Verbände und Truppenteile der Nationalen Volksarmee in gemeinsamen Truppen- und Flottenübungen mit der GSSD bzw. der Baltischen Rotbannerflotte ihre Gefechtsbereitschaft unter Beweis gestellt hatten.
Die Ziele des Warschauer Vertrages sind in der Präambel des Vertrages exakt formuliert.
Darin heißt es: Die vertragsschließenden Seiten haben beschlossen, den vorliegenden Vertrag zur Gewährleistung ihrer Sicherheit und im Interesse der Aufrechterhaltung des Friedens in Europa abzuschließen.
Diesem Ziel entsprachen auch die von den Vertragspartnern übernommenen konkreten Verpflichtungen und Aufgaben.
Ziele und Aufgaben des Warschauer Vertrages bestimmten seine Struktur.
Charakteristisch für diese Struktur war
Dementsprechend gab es auf jeder Sitzung des Politischen Beratenden Ausschuß einen Bericht des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Vertrages über die Aktivitäten der NATO und die sich daraus ergebenden Aufgaben und Maßnahmen der Vereinten Streitkräfte.
Zu den leitenden Gremien des Warschauer Vertrages und zu den Führungsorganen der Vereinten Streitkräfte gehörten:
1. Der Politische Beratende Ausschuss
2. Das Vereinte Kommando
3. Das Komitee der Verteidigungsminister
4. Der Militärrat der Vereinten Streikräfte
5. Der Stab der Vereinten Streitkräfte und
6. Das Technische Komitee
Im Weiteren möchte ich kurz auf die Führungsorgane desWarschauer Vertrages eingehen, wobei ich mich auf meine in den Jahren von 1964 – 1989 als Stellvertreter des Chefs und als Chef des Hauptstabes der NVA, als Stellvertreter des Verteidigungsmisters der DDR und des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte für die NVA sowie als Sekretär des Nationalen Verteidigungsrates der DDR gesammelten Erfahrungen stütze.
Insgesamt habe ich an drei Tagungen des Politischen Beratenden Ausschusses, dem Obersten Führungsorgan des Warschauer Vertrages, teilgenommen, die immer in einer anderen Hauptstadt (in protokollarischer Reihenfolge nach dem russischen Alphabet) stattfanden und vom jeweiligen Gastgeber geleitet wurden.
Dem Politischen Beratenden Ausschuß gehörten die Partei- und Staatschefs der sieben Mitgliedsstaaten an. Es war sehr interessant, die sieben Generalsekretäre und die sieben Regierungschefs bei einer solchen drei bis vier tägigen Beratung zu beobachten und bei den Vorträgen und Diskussionen zu Grundsatzfragen und Einzelproblemen ein persönliches Bild von den höchsten Repräsentanten der sozialistischen Staaten zu gewinnen.
Eindeutig dominierte auf diesen Tagungen bei der Bewertung politischer und militärischer Fragen die Linie der Sowjetunion, der einzigen Großmacht im Warschauer Vertrag. Die vom Generalsekretär der KPdSU oder dem Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte eingebrachten Vorlagen wurden immer, hin und wieder mit einigen Präzisierungen, beschlossen bzw. bestätigt.
Im Politischen Beratenden Ausschuß hatte jedes Land nur eine Delegation und eine Stimme. Anders waren die Verhältnisse im Komitee der Verteidigungsminister und im Militärrat.
Das 1969 auf Beschluß des Politischen Beratenden Ausschusses gegründete Komitee der Verteidigungsminister spielte eine herausragende Rolle, da es wesentlich öfter als der Politische Beratende Ausschuß zusammentrat, generell einmal jährlich. Ihm gehörten neben den Verteidigungsministern auch der Oberkommandierende und der Chef des Stabes der Vereinten Streitkräfte an, also drei Vertreter der Sowjetunion und sechs Vertreter anderer Staaten. Den Vorsitz hatte jedoch immer der Vereidigungsminister des Gastgeberlandes inne.
Das Komitee der Verteidigungsminister hatte folgende Hauptaufgaben zu erfüllen
Bis 1978 habe ich als Begleiter von Armeegeneral Hoffmann an den Sitzungen des Komitees der Verteidigungsminister teilgenommen. In den folgenden Jahren war ich nur noch bei den Tagungen zugegen, die gemäß protokollarischer Reihenfolge in der DDR stattfanden.
Die Tagungen wurden auch dazu genutzt, mit dem sowjetischen Verteidigungsminister anstehende bilaterale Fragen zu klären.
Die sowjetische Seite hat mit ihren drei Mitgliedern bei allen Tagungen ihre Vorstellungen, manchmal mit kleinen Korrekturen und gewissen Änderungen, durchsetzen können.
Nach Abschluss jeder Tagung wurden die Mitglieder des Komitees vom Generalsekretär des jeweiligen Gastgeberlandes zu einer Visite empfangen. Über Verlauf und Ergebnisse der jeweiligen Tagung war ein Bericht für den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates zu erarbeiten.
Der Militärrat der Vereinten Streitkräfte hatte gegenüber den Komitee der Verteidigungsminister und dem Politischem Beratenden Ausschuss ein protokollarisch weit geringeres Gewicht, dafür aber wesentlich mehr Arbeit. Beides drückte sich darin aus, dass der Militärrat zwar zweimal im Jahr tagte, aber nie in Moskau – folglich wurde er auch nie vom Generalsekretär des Zentralkomitees der KPdSU empfangen. Die Sitzungen in der Sowjetunion fanden in den westlichen Sowjetrepubliken statt – in Minsk, Kiew oder Odessa. Dort empfingen uns die zentralen oder regionalen Partei- und Staatsorgane der Belorussischen oder Ukrainischen Sowjetrepublik. Von den Visiten in den anderen Staaten des Warschauer Vertrages hat sich mir besonders das Auftreten der Genossen Jaruzelski, Husak und Kadar als sachlich, klug und bescheiden eingeprägt. Nicolae Ceausescu hingegen war immer bemüht, uns zu belehren, mit seiner und Rumäniens großer Bedeutung zu imponieren.
Zum Militärrat gehörten der Oberkommandierende der Vereinten Streitkräfte (immer der Vorsitzende des Gremiums), der Chef des Stabes, der Leiter des Technischen Komitees, der Befehlshaber des Einheitlichen Luftverteidigungs- systems, die Stellvertreter des Oberkommandierenden für die Luftstreitkräfte und die Seestreitkräfte, die sechs Stellvertreter des Oberkommandierenden für die nationalen Armeen (ohne Sowjetarmee) – also sieben Vertreter der Streitkräfte der UdSSR und sechs Vertreter der Bruderarmeen.
Die inhaltlichen Schwerpunkte der Tätigkeit des Militärrates lagen in der operativen und taktischen Ausbildung der den Vereinten Streitkräften zugeordneten Truppen und Flottenkräfte, ihrer Struktur, Bewaffnung und Ausrüstung sowie den Maßnahmen zur Erhöhung ihrer Gefechts- und Mobilmachungsbereitschaft. Erheblichen Umfang nahm auch die Beratung von gemeinsamen Maßnahmen, ihrer Planung und Auswertung ein.
Die Tagungen dauerten meist vier bis fünf Tage und schlossen häufig Lehrvorführungen und Übungen der gastgebenden Armee oder die Vorstellung neuer Militärtechnik ein. Die Empfehlungen des Militärrates wurden durch Befehle der Verteidigungsminister der verbündeten Staaten oder Weisungen des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte an die unterstellten Organe in die Truppenpraxis überführt.
Der Stab der Vereinten Streitkräfte existierte als Führungsorgan erst seit den Jahren 1969/70. Vorher wurden alle unter diesem Namen laufenden Aktivitäten von der 10. Verwaltung des Generalstabes der Streitkräfte der UdSSR wahrgenommen, in deren Bestand sich auch ein Oberst der NVA befand.
Der Stab setzte sich proportional aus Generalen und Offizieren aller verbündeten Armeen zusammen. Ausgehend vom Anteil der NVA am Gesamtbestand der Vereinten Streitkräfte, hatten wir sechs Prozent der Mitarbeiter im Stab, d.h. zwei Generale und 20 Offiziere, zu stellen. Der Chef des Stabes hatte aus jeder verbündeten Armee einen Stellvertreter, der von der Dienststellung her zugleich Stellvertreter des Chefs des Generalstabes der jeweiligen Armee war.
Der Stab hatte die Aufgabe, kontinuierlich die militärpolitische und strategische Lage in Europa zu analysieren und Vorschläge für die höheren Führungsorgane der Koalition und ihrer Streitkräfte zu folgenden Komplexen zu erarbeiten:
- Gefechts- und Mobilmachungsbereitschaft,
- operative und Gefechtsausbildung
- Struktur und Bewaffnung der Vereinten Streitkräfte
- Infrastruktur und operative Vorbereitung der Länder
- Anlegen von materiellen Reserven aller Art.
Trotz intensiver Bemühungen des langjährigen Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte und vormaligen Generalstabschefs der Streitkräfte der UdSSR, Marschall Kulikow, und seines Chefs des Stabes, Armeegenral Gribkow, dem Stab ein bestimmtes Eigengewicht und schärferes Profil zu geben, blieb er in der Praxis im gewissen Sinne ein Hilfsorgan des sowjetischen Generalstabes.
Zur Rolle des Warschauer Vertrages möchte ich folgendes unterstreichen:
Der Warschauer Vertrag ist bzw. war ebenso wie die NATO ein völkerrechtliches Bündnis der ihm angehörenden Staaten.
Die Verpflichtungen, die sich aus der Zugehörigkeit zum jeweiligen Bündnis ergaben, sind völkerrechtliche Verpflichtungen, die von der DDR ebenso einzuhalten waren, wie die entsprechenden Verpflichtungen, die sich aus dem NATO-Vertrag für die BRD ergeben.
Die politischen und ökonomischen Veränderungen in der Sowjetunion, der DDR und den anderen sozialistisch Staaten Europas hatten auch tiefgreifende Auswirkungen auf die militärpolitische und militärische Zusammenarbeit dieser Staaten.
Am 24. September 1990 erfolgte die Herauslösung der Nationalen Volksarmee der DDR aus dem Warschauer Vertrag.
Damit war das Schicksal des Warschauer Vertrages besiegelt.
Ebenso, wie die NATO nicht ohne die BRD existieren könnte, konnte auch der Warschauer Vertrag nicht ohne die DDR weiter existieren.
Am 25. Februar 1991 unterzeichneten in Budapest die Außen- und Verteidigungsminister Bulgariens, Ungarns, Polens, Rumäniens, der Tschechoslowakei und der Sowjetunion das „Protokoll über die Außerkraftsetzung der militärischen Abkommen, die im Rahmen des Warschauer Vertrages abgeschlossen wurden und die Auflösung seiner militärischen Organe und Strukturen".
Vier Monate später, am 1. Juli 1991 signierten in Prag die Staatsoberhäupter der sechs Staaten die Auflösung des Warschauer Vertrages.
Damit ging also die NATO letztendlich aus dem Kalten Krieg als Sieger hervor.
2. Zu den Verpflichtungen der DDR und der NVA im Warschauer Vertrag
Auf militärischem Gebiet ergaben sich für die DDR als westlicher Vorposten des Sozialismus und ihrer militärstrategischen Lage vorrangig sechs Schwerpunkte.
Des Weiteren gehörte zu unseren Verpflichtungen die Beteiligung am Etat des Vereinten Kommandos
- zur Unterhaltung der Führungsorgane der Vereinten Streitkräfte
- ihrer Führungsstellen und
- zur finanziellen Sicherstellung der gemeinsamen Maßnahmen
mit einem Anteil von 6% an den Gesamtkosten.
Die NVA wurde von Anfang an als Koalitionsarmee, kompatibel zur GSSD, aufgebaut. Die Struktur und Stärke, Bewaffnung und Ausrüstung, Dislozierung und Sicherstellung waren entsprechend den Aufgaben im Verteidigungszustand als Bestandteil der Westfront, d.h. der GSSD, ausgerichtet.
Für die gemäß der gesellschaftlichen Gesamtplanung des RGW und der DDR nach Fünfjahreszeiträumen ausgerichteten Entwicklungsplanung der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen sowie der anderen bewaffneten Kräfte der DDR waren immer zwei Dokumente grundlegend:
1). das Protokoll über die Bereitstellung der Kräfte und Mittel der DDR für die Vereinten Streitkräfte
2). die operative Einsatzplanung für die Nationale Volksarmee und die Grenztruppen der DDR.
Das Protokoll umfasste :
- die Gesamtstärke und den Kampfbestand der NVA,
- den Bestand der den Vereinten Streitkräften zugeteilten Truppen,
- die materiell-technische Versorgung,
- die Mobilmachungsmaßnahmen
- die Bereitstellung gesonderter Kontingente für die Vereinten Streitkräfte,
- die operative Vorbereitung des Territoriums der DDR.
Dieses Dokument wurde gemeinsam mit den Chefs und Leitern im Ministerium für Nationale Verteidigung erarbeitet, mit dem sowjetischen Generalstab abgestimmt, vom Minister für Nationale Verteidigung und dem Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte feierlich unterschrieben und vom Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates bestätigt.
Die operative Einsatzplanung für die NVA und die Grenztruppen der DDR erfolgte entsprechend den Vorgaben der sowjetischen Generalstabes durch einen eng begrenzten Personenkreis.
Der „Operative Plan" wurde in drei Exemplaren erarbeitet: je ein Exemplar
- für den Generalstab der Streitkräfte der UdSSR
- für den Stab der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland
- für den Hauptstab der NVA
Den Festlegungen in diesen beiden Dokumenten, dem Protokoll und dem Operativen Plan, waren alle Aktivitäten im Ministerium für Nationale Verteidigung, im Hauptstab, in den Teilstreitkräften der NVA und in den Grenztruppen der DDR, aber auch in der Territorialverteidigung sowie in den Staats- und Wirtschaftsorganen zur Vorbereitung auf den Verteidigungszustand untergeordnet.
Der Spielraum für Änderungen, den selbst der NVR und das Ministerium für Nationale Verteidigung hatten, war sehr eng, auch wenn im Laufe des Fünf- Jahreszeitraums gewisse Präzisierungen notwendig wurden.
Nach meiner Einschätzung war die DDR, war die NVA in den 35 Jahren des Bestehens des Warschauer Vertrages immer ein zuverlässiger und berechenbarer Partner.
Kein Land des Warschauer Vertrages hatte so vielfältige und umfangreiche Aufgaben im Interesse des Bündnisses und der Sowjetunion zu erfüllen wie die DDR. Und auch das trifft zu: Kein Land im Warschauer Vertrag hat so gewissenhaft und termingerecht alle Verpflichtungen dieses Bündnisses erfüllt, wie die DDR.
Und auch das trifft zu: Kein Land im Warschauer Vertrag wurde von der Sowjetunion, d.h. von Gorbatschow und Schewardnadse 1990 so in Stich gelassen und verraten, wie die DDR.
Bei den Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages (außer der UdSSR) waren Vertreter des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte eingesetzt, ausnahmslos sowjetische Militärs.
Die Vertretung des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte bei der Nationalen Volksarmee, war in der Regel ein Armeegeneral bzw. ein Generaloberst mit 12 Generalen und Offizieren. Ihre Hauptaufgabe bestand darin, Einfluß auf die Erfüllung der Bündnisverpflichtungen zu nehmen. Gleichzeitig waren sie ein Bindeglied, eine Schaltstelle zwischen den nationalen militärischen Führungen, dem Vereinten Kommando und den sowjetischen Führungszentren.
Die Vertretung hatten ihren Platz im jeweiligen Verteidigungsministerium.
In das Ministerium für Nationale Verteidigung wurden in der Regel anerkannte, hochqualifizierte und auch international bekannte sowjetische Militärs entsandt.
So wirkten u.a. bei der NVA die Armeegenerale Kurasow, Kurotschkin und Schawrow, die nach dem Einsatz in Dienststellungen als höhere Truppenführer und Chefs höherer Stäbe mehrere Jahre als Chefs der höchsten militärischen Bildungsstätten der Sowjetunion, der Akademie des Generalstabes bzw. der Frunse-Akademie (Armeegeneral Kurotschkin) tätig waren.
Bedingt durch meine Dienststellung, hatte ich fast täglich Arbeitskontakte zu dem Vertreter des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte. Das Hauptanliegen aller Vertreter bestand darin, dass alle Beschlüsse des Politischen Beratenden Ausschusses, alle Direktiven und Pläne des Vereinten Kommandos vom Ministerium für Nationale Verteidigung, den Kommandos der Teilstreitkräfte und der Grenztruppen termingerecht und vollinhaltlich erfüllt würden. Dafür besaß der Vertreter des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte auch besondere Rechte z.B. zur Durchführung geplanter und überraschender Kontrollen und Inspektionen.
Gleichzeitig war es Aufgabe des Stellvertreters des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte für die Nationale Volksarmee für die termingerechte und volle Erfüllung der Protokolle, Direktiven und Pläne Sorge zu tragen.
Der Hauptstab der NVA trug, ausgehend von seinen Aufgaben, bei der Zusammenarbeit mit dem Vereinten Kommando eine besondere Verantwortung.
Deshalb war auch der Chef des Hauptstabes seit 1969/70 zugleich der Stellvertreter des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte für die NVA.
Abschließend zu diesem Teil, möchte ich eine Passage aus dem Buch „Der Warschauer Pakt“ von Armeegeneral Gribkow zitieren, um zu zeigen, wie die NVA durch führende Vertreter des Vereinten Kommandos eingeschätzt wurde. Er war von 1976 bis 1989 1. Stellvertreter des Oberkommandierenden und Chef des Stabes der Vereinten Streitkräfte und kannte die Armeen der Teilnehmerstaaten des Warschauer Vertrages, darunter die NVA, wie kein anderer.
Er schrieb: „Es war angenehm, mit den deutschen Generalen Hoffmann, Keßler und Streletz zusammenzuarbeiten. Sie bereiteten begründete Vorschläge zu den Fragen vor, die mit dem Oberkommandierenden und dem Stabschef der Vereinten Streitkräfte erörtert werden sollten. Sie waren in jeder Hinsicht hochqualifizierte Militärs. Die führende Rolle im Verteidigungsministerium der DDR spielte der Hauptstab unter Leitung von Generaloberst Fritz Streletz, der seine Gesprächspartner auf Anhieb verstand, seine Gedanken kurz, klar und überzeugend darlegte und ein vortrefflicher Organisator war.
Bei der Vorbereitung und Durchführung von geplanten Maßnahmen des Vereinten Kommandos auf dem Territorium der DDR bereitete Streletz alles bis ins Detail vor, so dass die gestellten Aufgaben vollständig und mit gutem Ergebnis erfüllt werden konnten. Ich war immer von seinen organisatorischen Fähigkeiten begeistert und führte ihn gegenüber meinen Stellvertretern, Leitern der Verwaltungen und Abteilungen des Stabes der Vereinten Streitkräfte oft als Vorbild an.“
Natürlich hat nicht Streletz alles bis ins Detail vorbereitet, die Wertschätzung Gribkows verdienen vor allem jene hervorragenden Stabsarbeiter, die meist im Hintergrund wirkten, getreu der Divise des preußischen Generalstabschefs von Schlieffen: „Generalstabsoffiziere haben keine Namen – viel leisten, wenig hervortreten, mehr sein als scheinen.“
Was die Vorbildrolle der NVA im Warschauer Vertrag betrifft, so spielten wir im Kalkül der sowjetischen Partei-, Staats und Armeeführung manchmal die des Wellenbrechers oder der Vorhut bei der Durchsetzung neuer oder ungewohnter Schritte zur Erhöhung von Kampfkraft und Gefechtsbereitschaft.
So war es zweifelsohne der Autorität und dem militär-diplomatischen Geschick von Armeegeneral Heinz Hoffmann zu verdanken, dass vom 12. - 18. Oktober 1970 erstmalig alle sieben Armeen des Warschauer Vertrages mit Führungsorganen und Truppen der Land- und Luftstreitkräfte an einem gemeinsamen Manöver teilnahmen.
Die unter Leitung des DDR-Verteidigungsministers stehende Übung auf dem Territorium der DDR hatte neben ihrer militärpolitischen Resonanz erhebliche Bedeutung für die Erarbeitung einheitlicher operativ-strategischer Ansichten zur Führung von Angriffs- und Verteidigungsoperationen im Koalitionsbestand unter modernen Bedingungen. Mit den teilnehmenden Truppen der verbündeten Armeen und der Bevölkerung in den Manövergebieten wurden zahlreiche militärpolitische Maßnahmen, Treffen mit den Soldaten und den Werktätigen durchgeführt – an rund 6.400 Veranstaltungen nahmen anderthalb Millionen Personen teil!
Trotz zäher Anstrengungen des Vereinten Kommandos, zum 25. Jahrestag der Gründung des Warschauer Vertrages im Jahre 1980 wieder eine gemeinsame Übung aller sieben Armeen auf dem Territorium eines anderen Mitgliedstaates durchzuführen, verliefen diese Bemühungen ergebnislos. Weder der Verteidigungsminister Polens noch der der CSSR, die beide über entsprechend zahlreiche und große Truppenübungsplätze verfügten, sahen sich dazu im Stande.
Auf Bitte des sowjetischen Verteidigungsministers, Marschall Ustinow, und des Oberkommandierenden der Vereinten Streitkräfte, Marschall Kulikow, erklärte sich die DDR-Führung dazu bereit, „Waffenbrüderschaft 80“ vom 4. – 12. September 1980 in der DDR durchzuführen. Es bedurfte jedoch noch intensiver Bemühungen, auch von Seiten der NVA und des Ministers, Armeegeneral Hoffmann, alle Armeen, vor allem auch die Rumäniens, zur Teilnahme zu bewegen. Wir gingen zahlreiche Kompromisse ein, um einheitliches Handeln zu dokumentieren. Tatsächlich nahmen von der rumänischen Armee nur Stabsoffiziere und Nachrichtentruppen teil.
Mit einigem Stolz kann festgestellt werden, dass es in der 35-jährigen Geschichte des Warschauer Vertrages nur zwei Manöver gab, an denen alle Armeen beteiligt waren, und dass beide in der DDR durchgeführt und von deren Verteidigungsminister geleitet wurden.
3. Zur Souveränität der DDR
Uns ist bekannt, wie in der Periode des Kalten Krieges die DDR von der BRD eingeschätzt wurde:
- ein Satellit Moskaus
- ein Befehlsempfänger Moskaus
- ein Staat von Moskaus Gnaden
usw.
Trotz Aufnahme in die UNO am 18. 09. 1973 (die DDR wurde an diesem Tag als 133. und die BRD als 134. Staat in die Weltorganisation aufgenommen) und der diplomatischen Anerkennung durch 138 Staaten, waren wir für die BRD und ihrer Verbündeten kein souveräner Staat.
Um aber die DDR-Führung der Regierungskriminalität zu bezichtigen, war die DDR ab 1990/91 plötzlich der souveräne Staat in Europa.
Wie verhielt es sich aus meiner Sicht tatsächlich mit der Souveränität der DDR?
Auf militärpolitischem und militärischem Gebiet war die DDR zu keinem Zeitpunkt im klassischen Sinne souverän, d.h. in der Lage, auf diesen Gebieten, selbständig und ohne Abstimmung im Bündnis und mit der Sowjetunion, Entscheidungen zu treffen, geschweige, Entscheidungen gegen den Willen der Sowjetunion in die Tat umzusetzen.
Dafür gab es im Wesentlichen drei Gründe:
Im Verhältnis der DDR zur UdSSR hat es, nach meiner Einschätzung, stets drei Bereiche unterschiedlicher Souveränität gegeben.
Schlußfolgernd und rückblickend kann aus meiner Sicht festgestellt werden:
Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn sich die russische Seite, das Verteidigungsministerium, der Generalstab und die Militärhistoriker intensiver mit dem „Warschauer Vertrag“ befassen würden, als das bisher der Fall ist.